| # taz.de -- Bankfiliale wird Unterkunft: Die Tabus der anderen | |
| > Bremer Koalition streitet darüber, wo Flüchtlinge nach den | |
| > Notunterkünften wohnen sollen. Bundesbank will Büro für Erstaufnahmelager | |
| > räumen. | |
| Bild: Hier sollen bald Flüchtlinge leben: Filiale der Bundesbank. | |
| Bremen taz | Die Bundesbank wird geräumt – für Flüchtlinge! Das klingt | |
| natürlich nach einer Schlagzeile, nach einem Symbol. Und genau darum geht | |
| es doch immer wieder, in diesen Tagen: um Zeichen, die gesetzt werden. | |
| Ob am Ende was daraus wird, ist unklar. Fest steht nur, dass die Bundesbank | |
| Bremen verlässt. Und ihre Filiale dort aufgibt, Ende des Monats. Es ist ein | |
| Büro in zentraler, zudem bevorzugter Bremer Lage, gleich neben dem | |
| Landesrechnungshof, mit diversen Logistikfirmen als Nachbarn. | |
| 2.000 Quadratmeter Bürofläche und dann nochmal so viel, weil die | |
| Geldbearbeitungsmaschinen ja auch ausziehen. Das sind jene Gerätschaften, | |
| mit denen die Bundesbanker das umlaufende Bargeld prüfen. Über 200 Filialen | |
| hatten sie einst. Doch auch die Bundesbank muss sparen. Inzwischen sind es | |
| nicht mal mehr 40. | |
| Drei davon hat die Bundesbank jetzt dem Bund angeboten. Neben der Bremer | |
| ist das auch die Kieler Dependance. „Dort sollen jetzt zügig | |
| Erstaufnahmelager entstehen“, berichtete die Süddeutsche Zeitung – für | |
| jeweils mindestens 500 Flüchtlinge. | |
| Der Bund müsste die Büros allerdings zu „marktgerechten Preisen“ mieten, | |
| weil alles andere eine – streng verbotene! – Finanzierung staatlicher | |
| Aufgaben wäre. Dass die Bundesbank den Gewinn an den Bund abgeben muss, der | |
| ihn dann wiederum der zuständigen Bundesanstalt für Immobilienaufgaben | |
| überweisen kann – egal. | |
| Im Sozialressort in Bremen findet man das Angebot der Bundesbank | |
| „interessant“ – weswegen es nun „geprüft“ wird. Für die „akute | |
| Unterbringung“ von Flüchtlingen sei die Büroimmobilie aber ungeeignet, sagt | |
| der Ressortsprecher, ein Erstaufnahmelager also „nicht von heute auf morgen | |
| umsetzbar“. Also wird am Wochenende erst mal wieder eine Turnhalle bezogen. | |
| Unterdessen ist in der rot-grünen Bremer Koalition ein Streit darüber | |
| ausgebrochen, wohin all die Geflüchteten ziehen sollen, wenn sie aus | |
| Zelten, Turnhallen und Übergangswohnheimen raus dürfen. Und da kommen nun | |
| alte, symbolisch aufgeladene Konflikte wieder hoch, die schon der | |
| Koalitionsvertrag ungelöst ließ. | |
| 4.000 neue Wohnungen müssten her, sagt die SPD, und nächstes Jahr nochmal | |
| so viele. Also gräbt die SPD ihre Idee wieder aus, Grünflächen am Stadtrand | |
| mit Miets- und Reihenhäusern zu bebauen, Ecken, die Brokhuchting heißen | |
| oder Osterholzer Feldmark. Die Grünen sind strikt dagegen. Doch der | |
| SPD-Fraktionschef Björn Tschöpe verkündete dem Koalitionspartner in einem | |
| großen Interview mit dem Weser Kurier: „Es geht gar nicht anders.“ | |
| Das können die Grünen nicht auf sich sitzen lassen. Den Vorschlag müsse man | |
| „ernsthaft angucken“, sagte der grüne Baupolitiker Robert Bücking, der | |
| eigentlich Bausenator hatte werden wollen. Ganz so ernsthaft dann aber auch | |
| wieder nicht: „Die Idee“, verkündete Bücking der geladenen Presse, „ist | |
| vollständig aus der Zeit gefallen.“ Bücking erinnerte an Projekte der | |
| Fünfziger und Sechziger, die heute weltfremd erscheinen. | |
| „Drei Jahre würde es dauern, mindestens, ein Baugebiet „zu entwickeln“, | |
| sagte der frühere Ortsamtsleiter, und „ein Wunder“ wäre es, könnte das n… | |
| 2016 gelingen. Mit anderen Worten: Das dauert zu lang. | |
| Bücking, der fordert, „lieb gewonnene Tabus zur Diskussion zu stellen“, | |
| wiederholt nun seinerseits alte grüne Ideen, bei denen es stets um „Bauen | |
| im Bestand“ geht, um Innenstadtverdichtung, um Gewerbegebiete, in denen | |
| sich keiner ansiedelt. | |
| Eine neue Idee haben die Grünen dennoch: Sie wollen mit Hilfe eines | |
| Förderprogrammes Eigenheimbesitzer überzeugen, ihre „unternutzten“ Häuser | |
| umzubauen. Dort, wo einst die Kinder wohnten, sollen nun Einliegerwohnungen | |
| für Geflüchtete mit „sicherer Bleibeperspektive“ entstehen. | |
| Wie viel Wohnraum das bringt? „Das weiß keiner“, sagte Bücking, der sicher | |
| ist, dass es derlei „kleine, zickige Projekte“ sind, „die uns jetzt | |
| weiterhelfen“. Allerdings denkt man bei den Grünen trotzdem darüber nach, | |
| den staatlichen Wohnungsbau wiederzubeleben. | |
| 21 Sep 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Zier | |
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