# taz.de -- Flüchtlingsunterbringung in Europa: Die Angst vor dem Winter | |
> Europäische NGOS warnen vor mehr Toten unter den Flüchtlingen im Winter. | |
> Deutsche Kommunen wollen Flüchtlinge nicht getrennt unterbringen. | |
Bild: Hoffentlich bekommen sie bald eine warme und sichere Unterkunft. | |
BERLIN dpa/rtr | Hilfsorganisationan schlagen Alarm: Die Lage Tausender | |
Flüchtlinge in ganz Europa droht sich im Winter dramatisch zuzuspitzen. | |
„Leute ohne Essen und medizinische Versorgung irren durch Europa bei jetzt | |
kühleren Temperaturen, Menschen mit Kindern, Menschen auf Krücken“, warnte | |
Karl Kopp, Europareferent der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. | |
Flüchtlinge auf der Balkanroute drohten ihm zufolge in den kommenden | |
Monaten zu erfrieren. „Die Menschen sind schon eh geschwächt“, sagte er. | |
„Wenn sich die Situation fortsetzt im Winter, muss man mit mehr Toten | |
rechnen.“ | |
Kopp forderte eine gemeinsame europäische Anstrengung, um für den Winter | |
gewappnet zu sein – mit „menschenwürdigen Aufnahmezentren“ und | |
medizinischer Versorgung. Die Politik habe bereits den ganzen Sommer | |
verspielt. „Wir müssen den Menschen vor dem Winter diese Odyssee, diesen | |
Elendstreck ersparen.“ | |
„Das Wetter wird das Leid vergrößern"“, ist auch Babar Baloch vom | |
UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR überzeugt. Baloch war die vergangenen Wochen | |
auf dem Balkan unterwegs, in Ungarn, Serbien, Kroatien, wo die UNHCR-Helfer | |
Decken und Kunststofffolien verteilen. „Wenn Familien draußen schlafen | |
müssen, werden Kinder krank werden.“ Er forderte unmittelbare Unterstützung | |
von der Politik. „Wir brauchen jetzt einen Masterplan.“ | |
Besonders auf dem Mittelmeer-Weg nach Europa fürchten Flüchtlingshelfer | |
mehr Todesopfer. Das Meer wird mit jedem Tag stürmischer, die Wellen höher. | |
Kopp von Pro Asyl warnt vor mehr Bootskatastrophen im Mittelmeer und in der | |
Ägäis. „Es werden mehr Menschen in den Fluten verschwinden“, sagte er. | |
„Weil das Meer nun unruhiger wird, werden wir eine ganze Menge Menschen | |
verlieren“, sagte die UNHCR-Mitarbeiterin Nadine Cornier in Idomeni an der | |
griechisch-mazedonischen Grenze. | |
Der Winter stellt auch die deutsche Politik vor große Herausforderungen. | |
Tausende Flüchtlinge leben weiterhin in Zeltunterkünften. „Momentan ist | |
Deutschland nicht gewappnet“, sagte Kopp. „Wir sind spät dran.“ Auf | |
kommunaler und Landesebene müsse alles versucht werden, um Wohnraum zu | |
schaffen. | |
„Wir fordern Bund, Länder und Gemeinden auf, angesichts sinkender | |
Temperaturen für feste Wohnunterkünfte zu sorgen“, sagt der Sprecher des | |
Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Dieter Schütz. Das DRK betreibe derzeit mehr | |
als 300 Notunterkünfte für 86 000 Flüchtlinge – darunter auch einige | |
Zeltcamps. „Wir halten Zeltunterkünfte nur für eine Notlösung“, sagt | |
Schütz. „Die Gefahr besteht, dass sich die Flüchtlinge Krankheiten | |
zuziehen.“ | |
## Gegen getrennte Unterbringung | |
Die Kommunen in Deutschland lehnen eine getrennte Unterbringung von | |
Flüchtlingen nach Religion und Herkunft ab. „In der derzeitigen Situation, | |
in der die Kommunen für die Unterbringung und Versorgung einer immens hohen | |
Zahl an Flüchtlingen sorgen müssen, ist eine getrennte Unterbringung nicht | |
realisierbar“, sagte Städtebund-Geschäftsführer Gerd Landsberg dem | |
„Handelsblatt“ (Mittwochausgabe). „Vielerorts ist die Belastungsgrenze f�… | |
die Mitarbeiter der Verwaltungen, die Hilfsdienste und die ehrenamtlichen | |
Mitarbeiter nicht nur erreicht, sondern bereits überschritten.“ | |
Es brauche vielmehr Leitlinien in verschiedenen Sprachen. „Allen | |
Flüchtlingen sollte klar sein, dass gewalttätige Übergriffe in den | |
Unterkünften nicht toleriert werden.“ Zudem sei mehr geschultes | |
Sicherheitspersonal nötig, um Gewalt bereits im Keim zu ersticken. Auch sei | |
eine deutliche Beschleunigung der Asylverfahren geboten, um die | |
Verweildauer in den Einrichtungen zu verkürzen und die Menschen schnell in | |
Arbeit zu bringen. | |
30 Sep 2015 | |
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