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# taz.de -- Umgang mit der AfD: Rechte ausgrenzen
> Mit Rechten reden? Nein. Solange man die AfD ausgrenzt, schadet man ihr.
> Stark ist sie dort, wo sie in Teilen der Gesellschaft normalisiert ist.
Bild: Auf die Tribüne verbannt: Testverweigerer der AfD bei der konstituierend…
Kaum zu glauben, dass es diesen Meinungstext 2021 noch immer braucht. Nach
wie vor behaupten einige Politiker*innen und Kommentator*innen, dass
es falsch sei, die AfD systematisch auszugrenzen. Zum Glück sieht das auch
in der zweiten Legislaturperiode, in der die rechtspopulistische bis
faschistische Partei in den Bundestag eingezogen ist, die Mehrheit der
Abgeordneten anders.
Die AfD hat in der ersten Sitzung des Bundestags Michael Kaufmann aus Björn
Höckes rechtsextremem Landesverband Thüringen zur Wahl zum
Vize-Bundestagspräsidenten aufgestellt. Formal steht das jeder Fraktion zu.
Einen Anspruch darauf, vom Rest des Hauses gewählt zu werden, gibt es
allerdings nicht. Niemand darf Abgeordneten vorschreiben, wem sie ihre
Stimme geben.
Die AfD klagte zwar bereits in der vergangenen Legislatur dagegen, dass sie
nicht gewählt wird, [1][blieb allerdings erfolglos]. Und so fiel am
Dienstag im Bundestag zum Glück auch der sechste AfD-Kandidat für das
Vizepräsidentenamt im Bundestag durch und verpasste die für eine Mehrheit
erforderlichen 369 Stimmen deutlich. Auf einen zweiten Wahlgang
verzichteten die Braunen missmutig. Nicht ohne rumzuheulen, versteht sich.
[2][Tenor]: Es ist keine Demokratie, wenn wir nicht gewählt werden. Schon
klar.
Und es mag für einige [3][unelegant erscheinen] oder gar [4][demokratische
Selbstverletzung] sein, wenn man die Geschäftsordnung verändert, um einen
AfD-Alterspräsidenten zu verhindern oder diesen nicht zum Vizepräsidenten
wählt. Die meisten Wähler*innen dürften demgegenüber aber genau dies von
den demokratischen Abgeordneten erwarten und zu Recht einfordern. Die AfD
ist keine normale Partei. Man darf ihr nicht mehr Raum geben, als sie
ohnehin schon durch ihre Repräsentation in derzeit allen deutschen
Parlamenten einnimmt.
## Eine Legende, die sich hält
Kritikwürdig ist eher, dass die Ausgrenzung nicht eindeutig war: [5][118
Abgeordnete stimmten für Kaufmann], die AfD ist aber nur mit 83 Mitgliedern
in den Bundestag gezogen, von denen zudem Fraktionschef Tino Chrupalla
wegen einer Corona-Infektion in Quarantäne war. Es haben also immer noch 36
Abgeordnete demokratischer Parteien für den AfDler gestimmt. Das sind zwar
weniger Stimmen als AfD-Kandidat*innen in der vergangenen Legislaturperiode
erhielten, aber dennoch: Einige haben es offenbar noch immer nicht
begriffen.
Noch immer hält sich die Legende, dass man mit Rechten reden und sie
argumentativ stellen müsse, ihnen Raum auf Podien, Buchmessen oder in
politischen Ämtern zugestehen müsse. Denn sonst, so die Befürchtung,
könnten sie sich als Opfer inszenieren.
Wenn man diese Erzählung übernimmt, geht man allerdings der [6][rechten
Strategie auf den Leim]: Denn die Opferinszenierung ist ein grundsätzliches
Kernelement rechtspopulistischer Strategie und würde selbst dann nicht
aufhören, wenn die AfD an der Macht wäre. Bestes Beispiel dafür ist Donald
Trump, der sich sogar noch als US-amerikanischer Präsident und mächtigster
Mann der Welt als Underdog inszenierte. Ähnlichen Bullshit verzapft auch
die AfD, wenn man sie dann auf Podien einlädt, Gastbeiträge in Zeitungen
schreiben lässt, ihnen Raum in Talkshows gibt oder sie unnötigerweise in
Ämter wählt, wie es ja bereits in einigen Länderparlamenten geschehen ist.
Im Thüringer Landtag stimmte sogar der [7][linke Ministerpräsident Bodo
Ramelow] für den nun im Bundestag durchgefallenen Kaufmann. In
Baden-Württemberg wurde ohne Not ein [8][AfDler in den
Verfassungsgerichtshof gewählt]. Und in Sachsen-Anhalt findet ein
[9][CDU-Mann es unproblematisch], einen AfDler zu wählen, weil der Beamter
sei und einen Innenausschuss gut geleitet habe – woraufhin der Kandidat nur
knapp scheiterte. In Brandenburg darf der AfD-Vizelandtagspräsident
Andreas Galau unterdessen [10][Debatten über rechten Terror abwürgen].
Immerhin scheint man dort zu lernen und [11][Teile des Parlaments versuchen
zumindest], den AfDler wieder aus dem Präsidium zu bekommen.
## Schach spielen mit einer Taube
Solange man die AfD ausgrenzt, schadet man ihr. Aus ihren Opfererzählungen
kann sie kein Kapital schlagen. Im vergangenen Wahlkampf haben alle
demokratischen Parteien die AfD ausgegrenzt, niemand erwägt eine
Zusammenarbeit mit der extrem rechten Partei. Und trotz pandemischer
Krisenlage und einer historisch schwachen CDU konnte die AfD nicht
profitieren. Bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein im Mai 2022
könnte sie sogar aus dem Landtag fliegen und auch in Nordrhein-Westfalen
droht den extrem Rechten eine Niederlage.
Stark ist die AfD überall hingegen dort geblieben, wo sie in Teilen der
Gesellschaft bereits weitgehend normalisiert ist. In Teilen Sachsens oder
Thüringens etwa, wo AfDler*innen teilweise als kommunal verankerte
Politiker*innen wahrgenommen werden. Die gleichbleibend hohen
Zustimmungswerte oder sogar Zugewinne zeigen, dass Appeasement bei
Rassist*innen nichts nützt.
Die AfD gehört konsequent und konfrontativ ausgegrenzt. Sie bedroht
Minderheiten, ihre Anhänger*innen bedrohen, verletzen und [12][ermorden
Menschen]. Auch deswegen muss eine ihr mit dem Wiedereinzug formal
zustehende Finanzierung ihrer [13][parteinahen Stiftung verhindert werden].
Wer die AfD wählt, bekennt sich ausdrücklich zu dem rassistischen Programm
und dem antidemokratischen Kurs der extrem rechten Partei. Ihre
Wähler*innen stellen sich gegen die freiheitliche Grundordnung dieser
Gesellschaft und sind nicht an einer richtigen Debatte interessiert.
Der [14][Fußballphilosoph Eric Cantona sagte einmal]: Mit Rassisten
debattieren ist wie mit einer Taube Schach spielen. Es ist egal, wie gut du
bist. Am Ende wird die Taube alle Figuren vom Spielfeld werfen, auf das
Brett kacken und herumstolzieren, als hätte sie gewonnen. Cantona hat
recht: Der Fehler ist es, sich auf das Spiel einzulassen.
29 Oct 2021
## LINKS
[1] /Karlsruhe-zu-Bundestagspraesidium/!5788366
[2] https://twitter.com/ichbinschoener/status/1453044778464161795
[3] /Umgang-mit-AfD-im-Bundestag/!5806561
[4] /Umgang-mit-der-AfD-im-Bundestag/!5788319
[5] /Neuer-Bundestag/!5811360
[6] https://www.zeit.de/kultur/2019-11/rechtsextremismus-afd-populismus-rassism…
[7] https://www.fr.de/politik/thueringen-ramelow-afd-landtags-vize-kaufmann-zr-…
[8] https://www.tagesspiegel.de/politik/20-parlamentarier-anderer-parteien-stim…
[9] https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/landespolitik/analyse-geschei…
[10] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/brandenburg-afd-landtagsvizepra…
[11] https://www.berlin.de/aktuelles/brandenburg/6775408-5173360-linke-fordert-…
[12] /Verdaechtiger-im-Mordfall-Luebcke/!5658857
[13] /AfD-nahe-Erasmus-Stiftung/!5807016
[14] https://www.facebook.com/EurosportDE/videos/1478074635596623/
## AUTOREN
Gareth Joswig
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