# taz.de -- Enissa Amani will ins Gefängnis: Keine gute Idee | |
> Comedienne Enissa Amani überlegt, für eine Beleidigung in den Knast zu | |
> gehen – weil ein AfD-Politiker mit Rassismus durchkam. Das ist der | |
> falsche Weg. | |
Bild: Vom Roten Teppich in den Knast? Enissa Amani beim Deutschen Radiopreis 20… | |
Das Wichtigste vorweg: Natürlich hat die Künstlerin Enissa Amani vollkommen | |
recht, wenn sie sich darüber ärgert, dass der bayerische | |
AfD-Landtagsabgeordnete Andreas Winhart mit seinem Rassismus durchkommt. | |
Durchaus nachvollziehbar ist auch, wenn insbesondere von Rassismus | |
betroffene Personen ihn beschimpfen wollen. Explizite Beleidigungen sparen | |
wir uns an dieser Stelle, aber zumindest sei erwähnt, dass Amani, | |
Stand-Upperin mit Netflix-Special, ihn wegen diverser rassistischer | |
Ausfälle 2019 als „Idiot“ und „Bastard“ bezeichnet hat. | |
Deswegen hat sie nun ihrerseits nach eigenen Angaben einen Haftbefehl | |
bekommen, nachdem sie sich aus Prinzip weigerte, 1.800 Euro Geldstrafe zu | |
zahlen. Derzeit überlegt sie sogar, ins Gefängnis zu gehen, um die | |
Rechtslage zu problematisieren, laut der der AfD-Politiker straffrei | |
rassistisch hetzen durfte. Sie sei zwar „absolut der Meinung, dass meine | |
Beleidigungen geahndet werden müssen …, aber möchte wissen, warum so eine | |
Volksverhetzung komplett ungeahndet davon kommt.“ Amanis Mut und | |
Entschlossenheit in allen Ehren: Das ist der falsche Weg. Amani sollte | |
stolz auf ihre Haltung sein, das Geld zahlen und sich weiter für ihre Sache | |
engagieren. Dafür muss man nicht in den Knast. | |
Doch der Reihe nach: Wütend war Amani vor allem deswegen, weil [1][Winhart | |
straffrei mit üblen rassistischen Aussagen] davon gekommen ist. Zuvor hatte | |
der mittlerweile zum parlamentarischen Geschäftsführer aufgestiegene | |
AfD-Politiker auf einer Wahlkampfveranstaltung 2018 Schwarze mit dem N-Wort | |
beschimpft und pauschal suggeriert, dass diese Krankheiten in sich trügen. | |
Ein paar Sätze später unterstellte Winhart dann noch generell | |
Albaner*innen, dass sie klauen würden, verbreitete [2][antisemitische | |
Stereotype und versprach, mit der AfD „die Soros-Flotte mit den ganzen | |
Rettungsbooten im Mittelmeer zu versenken“]. | |
Offen zur Schau getragener Rassismus und Antisemitismus – und trotzdem kein | |
Grund für die zuständige Staatsanwaltschaft Traunstein, Winhart mit einem | |
Strafantrag oder einer Anklage zu überziehen – obwohl dies zunächst recht | |
eindeutig dem Wortlaut des [3][Staftatbestandes §130 der Volksverhetzung] | |
entspricht: in dem er „…die Menschenwürde von Personen oder | |
Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig | |
verächtlich gemacht oder verleumdet werden …“, wie es im Strafgesetzbuch | |
heißt. | |
## „Recht auf polemische Zuspitzung“ | |
Die oberbayerische Staatsanwaltschaft Traunstein hingegen befand sinngemäß: | |
ja mei, das bisschen Volksverhetzung. Äußerungen im politischen | |
Meinungskampf genießen laut Staatsanwaltschaft unter Berufung auf | |
verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit „einen | |
besonderen Schutz“, wie es auch in der [4][Pressemitteilung zur Einstellung | |
des Verfahrens] heißt. | |
Demnach stünden Winharts Aussagen in Bezug auf „auf schwarzafrikanische | |
Flüchtlinge“ im Zusammenhang mit Gesundheitspolitik, so die | |
Staatsanwaltschaft. Dass die Strafverfolgungsbehörde mit dem Begriff | |
„schwarzafrikanisch“ selbst rassistisches und kolonialistisches Vokabular | |
benutzt, macht die verharmlosende Tendenz auch im Rest der Pressemitteilung | |
nicht besser. | |
So heißt es: Albanische und kosovarische Personen seien nicht ausdrücklich | |
genug als Straftäter bezeichnet worden – Subtext: Hey, war doch Wahlkampf | |
und da muss ein bisschen Rassismus doch drin sein. Der öffentliche Frieden | |
sei auch durch die Androhung, Flüchtlingsboote zu versenken, nicht gestört | |
worden. Jedenfalls nicht in Traunstein. Denn man hätte die Passage mit der | |
angeblich vom jüdischen Milliardär George Soros finanzierten | |
Flüchtlingsbooten ja auch als „Aufruf zur Änderung der Flüchtlingspolitik�… | |
interpretieren können, so die Staatsanwaltschaft. Und überhaupt bestünde im | |
politischen Meinungskampf das Recht „auf polemische Zuspitzung und zur | |
bewussten Provokation“. | |
Komisch nur, dass sich das bei Amani ganz anders verhält: Die nämlich soll | |
für ihre Beleidigungen gegenüber Winhart nun eine Geldstrafe zahlen oder | |
sogar ins Gefängnis gehen. Obwohl Amani ihn erst nach Beendigung des | |
staatsanwaltlichen Verfahren beschimpft hatte und genau diese | |
Nicht-Befassung problematisierte. Amani allerdings stand man in dieser | |
politischen Auseinandersetzung nicht das Recht „auf polemische Zuspitzung | |
und bewusste Provokation“ zu. | |
Denn Winharts Strafanzeige war erfolgreich: Amani wurde nach eigenen | |
Angaben mittlerweile mit einem Haftbefehl für 40 Tage Gefängnis belegt, | |
weil sie sich weigerte, 1.800 Euro Geldstrafe zu bezahlen. Die | |
Entertainerin überlegt nun, ob sie die Sache einfach auf sich beruhen | |
lassen will und die Strafe zahlt oder ob sie vorsätzlich die | |
Ersatzfreiheitsstrafe antritt, um noch mehr Aufmerksamkeit für das Thema zu | |
schaffen. | |
## Keine Genugtuung der AfD | |
Sie neigt laut jüngstem [5][Instagram-Video] und [6][Tweets] sogar dazu, | |
aus Prinzip ins Gefängnis zu gehen, um darauf aufmerksam zu machen, dass es | |
im 21. Jahrhundert nicht mehr okay sein sollte, ganze Bevölkerungsgruppen | |
rassistisch zu diskriminieren. Sie fragt aber auch, wohl auch, weil es in | |
ihrem Umfeld nicht ganz unrecht Bedenken zu einer Haftstrafe gibt, wie ihre | |
Follower und andere Menschen das sehen. | |
Ihr Mut, notfalls für ihre Haltung in den Bau zu gehen, ist zwar konsequent | |
und zu einem gewissen Grad nachvollziehbar – allerdings nützt es niemanden. | |
Noch schlimmer: Andreas Winhart und die AfD würden sich sicher freuen, wenn | |
Amani in den Knast gehen müsste. Diese Genugtuung sollte man ihnen nicht | |
geben. | |
Amani sollte das Geld zahlen und weiter machen. Auch so hat sie für das | |
Thema aufgrund ihrer breiten Followerschaft eine große Öffentlichkeit | |
geschaffen – Medien haben den Konflikt länglich begleitet. Und für | |
Öffentlichkeit kann sie auch ohne Knastzeit weiterhin sorgen: Wenn sie | |
tatsächlich einen Strafbefehl hat, kann sie juristisch dagegen vorgehen und | |
in einer Hauptverhandlung noch mehr Öffentlichkeit für diesen Fall | |
schaffen. Vielleicht führen wir im Zuge dessen ja auch eine Debatte, dass | |
[7][zu große Teile der Strafverfolgungsbehörden und auch der Justiz] von | |
AfD-nahen Polizist*innen, Staatsanwält*innen, Richter*innen und | |
Schöf*innen durchzogen sind. | |
Und noch eine Idee: Statt 40 Tagen Knast könnte Amani in der selben Zeit | |
Aufklärungsarbeit leisten. Warum nicht symbolisch den Instagram-Account mit | |
einer Million Follower 40 Tage lang von verschiedenen antifaschistischen | |
Initiativen bestücken lassen? Amanis Zeit und offenbar unbegrenzte Energie | |
wären auf diese Weise bestimmt sinnvoller eingesetzt als im Gefängnis. Und | |
die AfD dürfte davon deutlich mehr als ohnehin schon genervt sein von | |
Amanis striktem Konfrontationskurs. | |
17 Nov 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.instagram.com/p/BvMvEIllrPt/?utm_source=ig_embed | |
[2] /AfD-Landtagsfraktion-in-Bayern/!5544143 | |
[3] https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__130.html | |
[4] https://www.justiz.bayern.de/gerichte-und-behoerden/staatsanwaltschaft/trau… | |
[5] https://www.instagram.com/p/CWTxDnkFWSI/ | |
[6] https://twitter.com/enissaamani/status/1460252031013244932 | |
[7] /Jurist-ueber-Rechte-im-Justizwesen/!5805513 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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