# taz.de -- US-Außenpolitik unter Donald Trump: Der rätselhafte Präsident | |
> Was will Trump in der Welt? Hat er eine Außenpolitik? Der | |
> Syrien-Militärschlag macht die Antworten auf diese Fragen nicht | |
> einfacher. | |
Bild: Offensichtlich ein Interventionist, aber einer ohne klare Vorstellungen: … | |
Einige Tage vor Donald Trumps Wahlsieg im November warnte ein Kommentator | |
der New York Times, die größte Gefahr seiner Präsidentschaft liege in einer | |
„rapiden Eskalation von Risiken auf jedem geopolitischen Schauplatz“. Vom | |
Pazifik bis zum Nahen Osten würden andere Staaten „Trumps Fähigkeit, mit | |
Überraschungen umzugehen, auf die Probe stellen“. Und dies auch ohne dass | |
Trump irgendetwas Spektakuläres tun müsse: „Er muss nur er selbst sein.“ | |
Jetzt hat Trump [1][mit seinem Raketenangriff gegen eine syrische | |
Luftwaffenbasis] seine „Fähigkeit, mit Überraschungen umzugehen“, in der | |
ihm eigenen Weise unter Beweis gestellt. Ist das jetzt ein Strategiewechsel | |
in der US-Außenpolitik? Kehren die USA zu ihrer verloren geglaubten Rolle | |
als Weltpolizist zurück? Oder ist Trump einfach nur er selbst gewesen und | |
hat spontan auf den Tisch gehauen, weil er sich ärgerte? | |
Vieles spricht für letztere Variante. Der ehemalige General John Allen, | |
US-Oberkommandierender in Afghanistan in den Jahren 2013 und 2014, sagte am | |
Freitag: „Wir haben einen impulsiven Präsidenten. Es deutet sehr wenig | |
darauf hin, dass er aufgrund ernsthafter Reflexion handelt.“ | |
Dafür spricht auch, dass der Entscheidungsprozess, der zum Syrien-Angriff | |
führte, ganz anders war, als man es noch von Barack Obama kennt. Der | |
konsultierte vor außenpolitischen Weichenstellungen wochenlang und wog die | |
Dinge so lange ab, bis keine einfache Handlungsoption mehr übrig blieb. | |
Trump hat dagegen innerhalb von 48 Stunden Raketenabschüsse befohlen, mit | |
minimaler Konsultation. Die New York Times titelte am Samstag: „Die | |
aufkommende Trump-Doktrin: Du sollst keiner Doktrin folgen“. | |
## Konservative schwer enttäuscht | |
Konservative Ideologen in den USA, die Trump bei seinem Wahlsieg bejubelt | |
hatten, geben sich jetzt schwer enttäuscht. Sie hofften auf Freundschaft | |
mit Putin und Assad – und fürchten nun das Gegenteil. Alex Jones zum | |
Beispiel, ein Radiotalker und Chef des Verschwörungsmediums infowars.com, | |
der sich im Wahlkampf als einer der engagiertesten Trump-Unterstützer | |
hervorgetan hatte, postete den ganzen Donnerstag über die Theorie, geheim | |
operierende Kräfte innerhalb des US-Regierungsapparates – also der | |
sogenannte Deep State – hätten den Giftgasangriff inszeniert, um Trump in | |
den Krieg zu ziehen. Stunden später löste der Präsident den Schlag auf | |
Syrien aus. | |
Allerdings: Trump hat auch schon im Wahlkampf davon gesprochen, er wolle | |
die Militärausgaben massiv erhöhen, und er hat das auch in seinen ersten | |
Haushaltsentwurf hineingeschrieben. Alle anderen außenpolitischen Bereiche | |
sind dagegen brutalen Kürzungen ausgesetzt, darunter die Mittel für | |
internationale Organisationen, in denen die USA bislang der wichtigste | |
Financier waren. Ihr Einfluss dort wird entsprechend schrumpfen, und so | |
kritisierten die Politikwissenschaftler beim Brookings-Institut Michael E. | |
O’Hanlon und Alice M. Rivlin ein paar Tage vor den Syrien-Angriffen, Trump | |
verstehe das Konzept von „American Power“ vollkommen falsch, wenn er damit | |
ausschließlich das Militär meine. | |
Man wisse nach dem Syrien-Angriff einfach nicht, was die Konsequenzen | |
seien, sagte Obamas Außenamtsmitarbeiterin Sarah Sewall: Es sei unklar, „ob | |
er in die Kategorie eines symbolischen Nadelstichs fällt, der keine | |
Bedeutung hat, oder ob dies der Beginn von etwas ist, was uns viel stärker | |
hineinzieht“. Und der ehemalige Nato-Kommandeur John Allen mahnte: | |
„Militärisches Handeln ohne politischen Rahmen ist oft einfach ineffektiv, | |
es hat keinen Zweck.“ | |
## Unberechenbarkeit als Prinzip | |
Unberechenbarkeit als Prinzip ist nicht unbedingt sinnlos. Sie kann | |
potenzielle Gegner verunsichern. US-Kommentatoren ist nicht entgangen, dass | |
der Marschflugkörpereinsatz in Syrien mit dem US-Besuch von Chinas | |
Präsident zusammenfiel, bei dem das Hauptthema der Umgang mit einem | |
zunehmend aggressiv auftretenden Nordkorea sein sollte. Der Syrien-Angriff | |
sei also auch als deutliches Warnsignal Richtung Nordkorea zu sehen, hoben | |
viele hervor – und die Entsendung weiterer US-Kriegsschiffe in Richtung | |
Korea seitdem scheint das zu bestätigen. | |
Nach dieser Analyse ist Trumps Unberechenbarkeit ein Hebel zur Deeskalation | |
außenpolitischer Krisen: Wer nicht weiß, ob er nicht aus Versehen den | |
US-Präsidenten in einen nuklearen Erstschlag treibt, wird sich mit eigenen | |
Provokationen vielleicht eher zurückhalten. | |
Trump ist angesichts der jetzt offenkundig gewordenen Bereitschaft, auch | |
ohne ersichtliches nationales US-Interesse Militär einzusetzen, | |
offensichtlich ein Interventionist, aber einer ohne globale Visionen oder | |
gar Vorstellungen internationaler Werte und Normen. Die USA sollen einfach | |
wieder als Nummer eins anerkannt und gefürchtet werden – wie genau sich der | |
Rest der Welt ordnet, interessiert da nicht weiter. Um gefürchtet zu | |
werden, holt man schon mal zum Schlag aus, militärisch, politisch oder | |
wirtschaftlich. | |
Gestern ging es um „muslimische Länder“ und ihre Migranten. Jetzt ging es | |
um Syrien und seine Chemiewaffen. Morgen kann es um Nordkorea und seine | |
Atomraketen gehen. Übermorgen sind vielleicht Deutschland und seine | |
Handelsüberschüsse im Visier oder Russland und seine Cyberkriege. Wie genau | |
die USA jeweils auftrumpfen wollen, dürfte vermutlich jeweils völlig | |
unterschiedlich ausfallen. Allerdings ist Trump bislang bei allen größeren | |
Initiativen entweder am Kongress oder an den Gerichten gescheitert – | |
lediglich für den Militäreinsatz in Syrien ist er in den Vereinigten | |
Staaten überparteilich gelobt worden. | |
Aus Washington wird berichtet, dass asiatische, arabische und afrikanische | |
Diplomaten sich unter Trump viel besser zurechtfinden als unter Obama: Sie | |
sind es gewohnt, dass Familienangehörige des Präsidenten die eigentliche | |
Macht haben und dass bei Entscheidungen persönliche Nähe wichtiger ist als | |
institutionelles Prozedere. Die Informalisierung und Personalisierung des | |
Staates eint Trumps USA mit vielen Gegnern der USA auf der Welt. | |
Nach dieser Analyse ist Trumps Unberechenbarkeit nicht unbedingt ein Hebel | |
zur Deeskalation. Weil er in seinem Denken den Putins, Erdoğans, Assads und | |
Kims der Welt nähersteht, als es Obama tat, können diese mit seinem Handeln | |
besser umgehen und es einfacher einkalkulieren. Erreichbar wäre dann | |
höchstens ein Gleichgewicht des Schreckens zwischen Alphatieren, die sich | |
nicht über den Weg trauen, aber sich gegenseitig einzuschätzen wissen. | |
## Lob der Inszenierung | |
Dazu kommt: Nicht nur, aber eben auch in der Außenpolitik sind sehr viele | |
der politischen Regierungsämter, deren Berufung vom Senat bestätigt werden | |
muss, noch unbesetzt. Über 500 solcher Nominierungen stehen im | |
Regierungsapparat noch aus – sodass Trump auch schlicht Kapazitäten fehlen, | |
um leidlich kohärente Politikvorschläge ausarbeiten zu können. Zumal er | |
dazu neigt, solche Ämter mit unerfahrenen, aber loyalen Leuten zu besetzen. | |
Der US-Professor und Oberst a. D. Andrew Bacevich schrieb jetzt im | |
britischen Spectator, die deutlichste historische Parallele zu Donald Trump | |
sei der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II., der für Deutschland einen | |
„Platz an der Sonne“ beanspruchte und mit nationalistischer Bündnispolitik | |
und Wettrüsten Europa in den Ersten Weltkrieg führte. „Wir haben einen | |
Präsidenten, dessen Worte und Akte keinen Bezug zu Prinzipien aufweisen. | |
Wie Wilhelm II. neigt Trump zu Auftrumpferei und zur Pose. Offenkundig ist | |
sein Zwang, tough auszusehen. Ebenso sein Bedürfnis, im Mittelpunkt der | |
Aufmerksamkeit zu stehen, und seine Affinität zu militärischem Pomp. Er | |
liebt Generäle.“ Die Konsequenzen seines Handelns seien ihm weniger wichtig | |
als ihre Inszenierung. | |
Trumps Syrien-Schlag erfolgte übrigens genau 100 Jahre nach dem Eintritt | |
der USA in den Ersten Weltkrieg. Professor Bacevich bezweifelt jedoch, dass | |
Trump das weiß. | |
10 Apr 2017 | |
## LINKS | |
[1] /!5400312/ | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
Dominic Johnson | |
## TAGS | |
Donald Trump | |
US-Außenpolitik | |
Syrien | |
Militärschlag | |
Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
Nordkorea | |
Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
Syrien | |
Korea | |
Schwerpunkt Syrienkrieg | |
Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
USA | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Trumps Dekret zu „Buy American“: Milchkrieg mit Kanada | |
„America First“, so will es US-Präsident Trump. In Wisconsin wettert er | |
gegen die Handelsbeziehungen und nimmt sich nun auch Kanada vor – es geht | |
um Milch. | |
Militärparade in Nordkorea: Marsch der Soldaten | |
Nordkorea begeht den 105. Geburtstag des Staatsgründers Kim Il Sung. | |
Zuletzt wurde befürchtet, das Land bereite zu diesem Anlass einen | |
Atomwaffentest vor. | |
Atomprogramm in Nordkorea: USA prüfen „militärische Optionen“ | |
Präsident Trump droht Nordkorea und implizit auch China. Das US-Militär | |
wirft derweil die größte nicht-atomare Bombe aus ihrem Arsenal in | |
Afghanistan ab. | |
Kommentar Verhältnis Russland und USA: Demonstrative Distanz | |
Alle schauen auf Trumps erratische Außenpolitik – aber Putin geht es nicht | |
besser. Jeder kleine Etappensieg isoliert Russland auf lange Sicht. | |
Trumps und die Nato: „Nicht mehr obsolet“ | |
Der US-Präsident hat die Allianz beim Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens | |
Stoltenberg gelobt. Das ist eine rhetorische Kehrtwende. | |
US-Außenminister in Russland: Tillerson im Gefrierschrank | |
Beim Antrittsbesuch in Moskau ergehen sich beide Seiten in | |
Unfreundlichkeiten. Russland fürchtet um seine Großmachtstellung. | |
G7-Außenminister zum Syrien-Krieg: Lösung nur ohne Assad | |
Die westlichen Außenminister bekräftigen, dass es keine Lösung für Syrien | |
mit einem Verbleib von Assad geben werde. US-Amtsinhaber Tillerson reist | |
nach Moskau. | |
Nach Entsendung von Kriegsschiffen: Nordkorea droht den USA | |
Die USA halten ein gemeinsames Militärmanöver mit Südkorea ab. Pjöngjang | |
verurteilt die Übungen und bezeichnet sie als Vorbereitung für einen | |
Einmarsch. | |
Kommentar Syrien-Gespräche: Fortschritt nur bei Einigung | |
Mehr Diplomatie im Syrien-Konflikt? Dafür ist eine gemeinsame | |
russisch-amerikanische Position zur Zukunft von Präsident Assad | |
unerlässlich. | |
Kommentar US-Angriffe auf Syrien: Das ist für Trump ein schönes Ergebnis | |
Trumps militärisches Vorgehen in Syrien war sinnlos und geschickt: Über | |
seinen Wahlkampf und Kontakte nach Russland redet niemand mehr. | |
Trumps militärisches Vorgehen in Syrien: Ein völkerrechtswidriger Angriff | |
Kein UN-Mandat. Kein Hilferuf eines anderen Staates. Kein Grund zur | |
Selbstverteidigung. Mit welchem Recht greift der US-Präsident Syrien an? | |
USA schwenken in Syrien-Strategie um: Sturz Assads bekommt Priorität | |
Mal wieder alles anders. Kürzlich hieß es, noch, Assads Entmachtung sei | |
nicht das oberste Ziel, jetzt will nicht nur die US-Botschafterin bei den | |
UN genau das. | |
Atomprogramm in Nordkorea: USA schicken Flugzeugträger | |
Zugespitzte Situation: Nach mehreren Raketentests Nordkoreas entsendet die | |
US-Marine nun mehrere Schiffe vor die koreanische Halbinsel. |