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# taz.de -- Studie zum weltweiten Insektensterben: Kurz vor Kollaps
> Wissenschaftler beobachten bei Insekten das „größte Aussterben seit der
> Perm- und Kreidezeit“. Das hat Auswirkungen auf das Ökosystem.
Bild: Nicht nur rot, sondern auch auf der roten Liste: die Libelle
Die Artenvielfalt bei Insekten ist weltweit bedroht, zeigt [1][eine Studie
der Fachzeitschrift Biological Conservation]. Das Sterben habe so
dramatische Ausmaße erreicht, dass 40 Prozent aller Insektenarten in den
nächsten Jahrzehnten aussterben könnten. Ein Drittel aller untersuchten
Arten sei akut gefährdet.
Für die Untersuchung haben die Wissenschaftler Francisco Sánchez-Bayo und
Kris Wyckhuys 73 Berichte über Insektensterben auf der ganzen Welt
gesichtet. Auf dem Land seien [2][vor allem Schmetterlinge] und Hautflügler
wie Bienen, Wespen und Mistkäfer betroffen, an Gewässern vermehrt Libellen
und Fliegenarten bedroht.
„Da der Rückgang die Mehrheit aller Insektenarten betrifft“, schreiben die
Forscher, „ist es offensichtlich, dass wir global gesehen das größte
Aussterben seit der Perm- und Kreidezeit beobachten“. Weil Insekten die am
häufigsten vorkommende und artenreichste Tiergruppe seien und
[3][entscheidende Funktionen in Ökosystemen] hätten, „kann diese
Entwicklung nicht ignoriert werden“, so das Fazit ihrer Forschung.
„Schnelles, entschlossenes Handeln ist notwendig, um einen katastrophalen
Zusammenbruch der Ökosysteme abzuwenden.“
Vier Ursachen hat das Massensterben nach den wissenschaftlichen
Erkenntnissen: erstens der Verlust von Lebensräumen durch intensive
Landwirtschaft und Verstädterung, zweitens Verschmutzung durch Pestizide
und Düngemittel, drittens Krankheitserreger und fremde Arten und viertens
der Klimawandel.
## Auswirkungen auf das ganze Ökosystem
Vor allem Letzteres führe zum [4][Artenverlust in tropischen Regionen],
wobei nur eine Minderheit der Arten in kälteren Weltgegenden von der
globalen Erwärmung betroffen sei.
In den letzten drei Jahrzehnten hat es laut den Daten jährlich einen
durchschnittlichen Verlust von 2,5 Prozent an Insekten gegeben. „In 10
Jahren wird es ein Viertel weniger Insektenbestände geben, in 50 Jahren nur
noch die Hälfte und in 100 Jahren wird es keine mehr geben“, sagte
Sánchez-Bayo dem britischen Guardian am Sonntag.
Artenverlust hat laut der Studie Auswirkungen auf ganze Ökosysteme, weil
Insekten die Grundnahrung vieler Wirbeltiere wie Vögel, Mäuse, Igel und
Eidechsen seien. Selbst wenn manche der verschwindenden Insektenarten durch
andere ersetzt würden, sei schwierig vorauszusehen, wie sich der Rückgang
auf die gesamte Nahrungskette auswirke. So habe massenhaftes
Insektensterben wie in Deutschland unweigerlich dazu geführt, dass
abhängige Wirbeltiere verhungerten.
Schon im Jahr 2017 kam nämlich eine Langzeitstudie zum Ergebnis, dass mehr
als drei Viertel aller Fluginsekten [5][aus deutschen Schutzgebieten
verschwunden sind].
## Grünstreifen sind verschwunden
Benedikt Polaczek, Agrarwissenschaftler an der Freien Universität Berlin,
beschäftigt sich schon seit mehr als 50 Jahren mit Bienen. Er vergleicht
die vielen Belastungen, denen die Insekten und die Natur ausgesetzt sind,
mit einem vollen Glas unter einem Wasserhahn: „Jetzt ist die Frage: Wenn
man den Hahn jetzt nur ein ganz klein wenig öffnet, wird das Glas
überlaufen? Stehen wir vor dem vorletzten oder dem letzten Tröpfchen?“
Er beobachtet nicht nur, dass die Bienenvölker immer neue Krankheiten
bekommen, sondern auch massiv mit chemischen Mitteln zu kämpfen hätten. In
vielen Pestiziden sind nämlich sogenannte Neonikotinoide enthalten, die
das Nervensystem der Bienen angreifen, wenn sie mit ihnen in Berührung
kommen.
Der Landwirtschaft komme hier also eine maßgebliche Rolle zu: „Früher gab
es zwischen den langen schmalen Feldern Grünstreifen“, erinnert sich
Polaczek. Auf den unbeackerten Flächen habe es Lebensräume für Wildbienen
gegeben und blühende Pflanzen, die ihnen Nahrung boten. Diese Grünstreifen
seien nun verschwunden. „Wir brauchen dauerhafte Inseln, die Vögeln und
Insekten ein Zuhause bieten“, fordert Polaczek daher.
11 Feb 2019
## LINKS
[1] https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0006320718313636
[2] /Entomologe-im-Interview/!5512906
[3] /Essay-zum-Artensterben/!5505320
[4] /Studie-zu-Gliederfuessern-in-Puerto-Rico/!5545845
[5] /Studie-zu-Artensterben/!5453844
## AUTOREN
Sinan Recber
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