# taz.de -- Steigende Mieten in Berlin: Neue Wege zu neuen Deckeln | |
> Der Berliner Senat will über den Bundesrat doch noch einen Mietendeckel | |
> einführen. Für Samstag rufen Initiativen zur Demo auf. | |
Bild: Eine Miterhöhung nervt die einen, ein Mietendeckel die anderen | |
BERLIN taz | Der rot-rot-grüne Senat versucht es noch mal mit dem | |
Mietendeckel: Über eine [1][am Dienstag beschlossene Bundesratsinitiative] | |
soll es nach seinem Willen den Ländern künftig doch möglich sein, einen | |
Mietendeckel einzuführen. Hintergrund ist das Urteil des | |
Bundesverfassungsgerichts vom April, laut dem das Land Berlin für einen | |
Deckel keine Gesetzgebungskompetenz besitzt. | |
Im Entschließungsantrag dafür heißt es, der Bund solle den Ländern durch | |
eine „Länderöffnungsklausel“ ermöglichen, auch vom Bundesrecht abweichen… | |
Regelungen zur Miethöhe zu treffen. Die bisherigen Regelungen des Bundes – | |
insbesondere die Mietpreisbremse – hätten die Situation „nicht oder nur | |
leicht verbessert“, weshalb eine solche Ermächtigung „unabdingbar“ sei. … | |
dürfte die Bundesratsmehrheit der CDU-geführten Länder allerdings anders | |
sehen. | |
Hinzu kommen juristische Fragen. Vergangene Woche war eine Studie der Rosa | |
Luxemburg Stiftung vom Stadtsoziologen Andrej Holm und dem | |
Mietenrechtsanwalt Benjamin Raabe zu dem Schluss gekommen, dass auch ein so | |
zustande gekommener Deckel gekippt werden könnte. Der taz sagte Raabe, zwar | |
dürften die Länder durch eine solche Öffnung prinzipiell wieder einen | |
Mietendeckel beschließen, „doch inhaltlich dürfte der Deckel nicht den | |
Regelungen der Mietpreisbremse widersprechen“. | |
Praktisch stelle er sich dies aber „schwierig“ vor, da wie schon beim | |
Berliner Mietendeckel argumentiert werden könne, dass der neue Landesdeckel | |
im juristischen Widerspruch zum Bundesrecht steht. Der Bund könne aber | |
durch eine Verordnungsermächtigung Vorgaben erlassen, deren Umsetzung er | |
anschließend den Ländern überließe. | |
Optimistischer äußerte sich [2][Florian Rödl], Professor für Bürgerliches | |
Recht an der Freien Universität, gegenüber der taz. Rödl sagte, in seinem | |
Urteil habe das Verfassungsgericht den hinter der Mietpreisbremse stehenden | |
Willen des Gesetzgebers als abschließende Regelung interpretiert. Würde der | |
Bund diese Lage nun durch eine Ergänzung im Gesetzestext der | |
Mietpreisbremse ändern, wären die Länder auch wieder zum Beschluss eines | |
Mietendeckels befugt. | |
## Nicht ganz so großer Großankauf | |
Am Dienstag informierte Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) den Senat | |
weiterhin darüber, dass 14.500 Wohnungen, gut ein Viertel weniger als | |
erwartet, aus dem Eigentum der großen Immobilienkonzerne Vonovia und | |
Deutsche Wohnen in Landeshand wechseln werden. Bereits Mitte September wird | |
mit einem notariellen Abschluss gerechnet. | |
Zu welchem Preis, mochte Regierungschef Michael Müller (beide SPD) in der | |
anschließenden Pressekonferenz nicht sagen – das unterliege der | |
Vertraulichkeit. Voraussetzung sei aber gewesen: Man kaufe nur, wenn die | |
Wohnungen zum bisherigen Bestand passen „und wenn der Preis stimmt“. Der | |
Kauf zum Ertragswert solle den Haushalt nicht belasten. | |
Dass nun 14.500 statt wie ursprünglich angekündigt 20.000 Wohnungen in | |
Landeseigentum übergehen, begründete der Regierungschef damit, dass es eben | |
passen müsse. Aus der Finanzverwaltung hieß es, dass die Verhandlungen | |
ergeben hätten, „dass nicht alle Wohnungen zu den letztlich angebotenen | |
Preisen von den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften wirtschaftlich zu | |
kalkulieren sind“, sprich, dass ihr Zustand zu schlecht sei. | |
„Das ist ein sehr schöner Erfolg“, sagte Müller über das Geschäft mit | |
Vonovia. „Da ist sehr gut verhandelt worden vom Finanzenator“, lobte er | |
seinen Parteikollegen. Von Linken und Grünen kam jedoch Kritik. Einen | |
Erwerb von Immobilien in dieser Größenordnung dürfe der Senat nicht im | |
Alleingang entscheiden, so die Linken-Abgeordneten Steffen Zillich und | |
Michail Nelken. „Wir erwarten, dass der Senat kurzfristig die zuständigen | |
Ausschüsse des Abgeordnetenhauses mit dem geplanten Ankauf befasst.“ | |
Auch die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger verlangte, die Koalition | |
mit einzubeziehen. Aus dem Senat hieß es derweil, es bestehe keine | |
Zustimmungserfordernis des Abgeordnetenhauses, da der Haushalt nicht | |
belastet werde. Der Hauptausschuss werde diese Woche über die Ergebnisse | |
der Verkaufsverhandlungen vertraulich unterrichtet. | |
## Mietenproteste am Samstag | |
Für Mieter:innen dürften weniger die Wege zu neuen Deckeln oder zu mehr | |
landeseigenen Wohnungen zählen, sondern dass überhaupt mehr passiert. Um | |
das zu fordern, werden am Samstag laut Veranstalter:innen mindestens | |
zehntausend Menschen zur Mietenwahnsinn-Demonstration auf die Straße gehen. | |
Im Aufruf heißt es, explodierende Mieten seien kein Naturgesetz, sondern | |
„Ergebnis einer verfehlten Wohnungspolitik, die Profitinteressen über das | |
Recht aller Menschen auf angemessenen und bezahlbaren Wohnraum stellt“. | |
Neben einem [3][bundesweiten Mietendeckel] fordern die Initiativen die | |
Enteignung und Vergesellschaftung der großen Immobilienkonzerne sowie einen | |
sechsjährigen Mietenstopp. Darüber hinaus brauche es eine neue | |
Wohngemeinnützigkeit und mehr Neubau im bezahlbaren Segment, sagte Monika | |
Schmidt-Balzert von der Initiative Mietenstopp auf der Pressekonferenz zur | |
Demonstration am Dienstag. | |
Der Protest steht auch im Zeichen des Tags der Wohnungslosen, der ebenfalls | |
Samstag ist. Sabine Bösing, stellvertretende Geschäftsführerin der | |
Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, berichtete, wegen des Mangels | |
an bezahlbarem Wohnraum wären zunehmend auch junge Menschen und Familien | |
von Wohnungslosigkeit bedroht. Bösing forderte, das Menschenrecht auf | |
Wohnen verfassungsrechtlich zu verankern. | |
7 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Berliner-Bundesratsinitiative/!5795319 | |
[2] /Nach-dem-BVerfG-Urteil-zum-Mietendeckel/!5765627 | |
[3] /Entwurf-der-Linken-zu-Mietendeckel/!5792867 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
Erik Peter | |
Timm Kühn | |
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