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# taz.de -- Teuer Neubau führt zu teuren Mieten: Den Boden denen, die drauf wo…
> Enorme Mieten sind auch auf explodierende Bodenpreise zurückzuführen.
> Ein basisdemokratischer Bodenfonds könnte dem etwas entgegensetzen.
Bild: Das schöne, bunte Leben – nur eine Bodenreform entfernt?
Berlin taz | Für Berlins konservative Politkreise ist die Antwort auf die
eskalierende Wohnungssituation klar: „Bauen, bauen, bauen“ lautet das
Mantra, dass von Teilen der SPD bis zur AfD gebetsmühlenartig wiederholt
wird. Da Wohnraum viel nachgefragt, aber nur wenig angeboten wird, so die
Rechnung, müsse doch einfach das Angebot erhöht werden, um die Nachfrage zu
entlasten – voilà.
Doch Wohnraum, der durch Neubau entsteht, ist keineswegs für alle
bezahlbar. Wie etwa das Marktforschungsinstitut Empirica im Mai dieses
Jahres ermittelte, werden fast zwei Drittel der neu gebauten Wohnungen in
Berlin für mindestens 14 Euro kalt pro Quadratmeter angeboten.
Ein Grund hierfür sei, dass bei einem Bauvorhaben „inzwischen über 50
Prozent der Kosten allein für das Grundstück anfallen können“, erklärt
Konrad Braun von der Initiative Haus der Statistik, einem Modellprojekt für
gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung am Berliner Alexanderplatz.
Tatsächlich war ein Quadratmeter im Bezirk Kreuzberg 2012 noch für 678 Euro
zu haben, im Jahr 2019 wurden hierfür dagegen stolze 4.380 Euro verlangt –
eine Wertsteigerung von über 600 Prozent.
Neben anderen Faktoren – wie etwa den stark gestiegenen Baukosten – seien
es deshalb die Bodenpreise, die bezahlbaren Wohnraum auf dem freien Markt
„unmöglich“ machen würden, so Braun. Viele deutsche Großstädte kämpfen…
astronomischen Bodenpreisen. Die Stadt Ulm wehrt sich seit Jahrzehnten mit
dem [1][Konzept der Baugrundbevorratung].
Für die akute Notsituation in Berlin haben die Initiativen Haus der
Statistik, Stadt von Unten und das Berliner Mietshäusersyndikat nun ein
Konzept entwickelt, wie die Berliner Böden sukzessive dem Markt entzogen
und in kommunaler Hand basisdemokratisch verwaltet werden könnten.
Vorgestellt wurde die Idee in einem [2][„mietenpolitischen Dossier“],
herausgegeben von einer Vielzahl Berliner [3][stadtpolitischer
Initiativen].
## Mehr Erbpachtverträge
Grundsätzlich sollte Grund und Boden keine Ware sein, sagt Lisa Vollmer von
Stadt von Unten. „Es lässt sich eben nicht einfach mehr Boden herstellen,
nur weil dieser stark nachgefragt wird“, erklärt sie. Berlin solle deshalb
stetig mehr Grundstücke in kommunalen Besitz überführen – und anschließend
nur noch über sogenannte Erbpachtverträge vergeben.
In solchen können Grundstücke unter zuvor festgelegten Auflagen über lange
Zeiträume – zum Beispiel 99 Jahre – verpachtet werden, Verträge können so
über Generationen bestehen bleiben. Der Boden bliebe also dauerhaft in
Berliner Eigentum und in den Pachtverträgen könnten die Bauträger zu
langjährigen Auflagen wie etwa Mietpreisbindungen oder
Mitbestimmungsrechten für Mieter:innen verpflichtet werden, sagt
Vollmer.
Für gewöhnlich richtet sich der Pachtzins, den Berlin für seine Grundstücke
erheben würde, nach dem Marktwert eines Grundstückes, erklärt Braun. Damit
bliebe das Dilemma der unbezahlbaren Bodenpreise bestehen. Doch Berlin
könnte sich für eine andere Form der Wertbemessung entscheiden. Eine solche
sei etwa das sogenannte Residualwertverfahren, das bereits in Städten wie
München angewandt würde.
In diesem Verfahren würde nicht gefragt, für wie viel Geld ein Grundstück
auf dem Markt verhökert werden könnte, sondern stattdessen, was denn auf
dem Grundstück überhaupt gebaut werden soll, bezahlbare Wohnungen oder
Kitas zum Beispiel. Dann würde errechnet, wie hoch der Zins maximal sein
dürfte, damit das Bauvorhaben noch realisierbar ist, so Braun.
## Ein Rätesystem für die Bodenverwaltung
Alle Berliner Grundstücke würden in einem bereits existierenden Bodenfonds
verwaltet. Derzeit sei dieser aber intransparent, er müsse durch
basisdemokratische Strukturen erweitert werden, betont Vollmer. Sie stellt
sich ein „Rätesystem nur für die Bodenverwaltung“ vor, in dem Mieter:inne…
Kulturvereine und Politiker:innen gemeinsam entscheiden, an welche
Träger für welche Konzepte Land vergeben wird. Auch lokale Räte auf
Bezirks- oder Kiezebene wären möglich.
Letztlich sei ein solcher Fonds ein Selbstläufer, so Vollmer. „Je größer er
wird, über desto mehr Kapital verfügt er auch – weshalb der Fonds auch mehr
ankaufen kann“, sagt sie. Zumindest zu Beginn sei es aber wichtig, dass
Berlin – um Grundstücke unter dem Marktwert verpachten zu können – den
Boden auch unterhalb des Marktwertes ankaufen kann.
Eine Strategie hierfür könnte sein, so Vollmer, dass die Stadt
Bebauungspläne nur noch ausstellt, wenn das Grundstück zuvor an das Land
verkauft wird. Auch die Bundespolitik könnte unterstützend eingreifen, etwa
in Form eines Deckels für Bodenpreise. Und schließlich werde man „auch über
Vergesellschaftung sprechen müssen“, so Vollmer. Schließlich soll Grund und
Boden ja keine Ware sein.
9 Sep 2021
## LINKS
[1] /Ulmer-Wohnungspolitik/!5789951
[2] https://iniforum-berlin.de/wp-content/uploads/2021/08/dossier-digital.pdf
[3] /Vorschlaege-fuer-eine-neue-Stadtpolitik/!5788093
## AUTOREN
Timm Kühn
## TAGS
Wohnungsmarkt
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Schwerpunkt Armut
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