# taz.de -- Vorschläge für eine neue Stadtpolitik: Expertise aus der Bewegung | |
> Stadt- und mietenpolitische Initiativen präsentieren ein Dossier mit | |
> vielen Ideen. Fünf Jahre Rot-Rot-Grün waren für sie höchstens ein Anfang. | |
Bild: Zentrum von Berlins Mieter*innenbewegung: Wandbild am Kottbusser Tor | |
BERLIN taz | Zum Beginn der heißen Wahlkampfphase melden sich auch die | |
stadt- und mietenpolitischen Initiativen zu Wort. Statt mit Floskeln und | |
Gesichtern für ihre Positionen zu werben, haben 27 von ihnen ein | |
umfangreiches „[1][mietenpolitisches Dossier]“ vorgelegt – ein | |
„Arbeitsauftrag für die kommende Regierung“, wie es Melanie Dyck vom | |
[2][Initiativenforum Stadtpolitik] bei der Vorstellung am Montag im Haus | |
der Statistik selbstbewusst formuliert. In 22 Beiträgen, die vom sozialen | |
Wohnungsbau über den Umgang mit [3][Airbnb] bis zum [4][Vorkaufsrecht] | |
reichen, werden konkrete Lösungsansätze für die Berliner | |
Stadtentwicklungspolitik vorgestellt. | |
Für die Bewegung ist das Dossier eine Fortsetzung ihrer Arbeit – vor zehn | |
Jahren gab es bereits eine erste Auflage – und auch ein Auftakt für die | |
kommenden Wochen. Folgen sollen Wahlprüfsteine für die Parteien, eine | |
bundesweit mobilisierte Mietenwahnsinn-Demo am 11. September und eine enge | |
Begleitung der Koalitionsverhandlungen und der neuen Regierung. | |
Zwar habe sich der „Diskurs verschoben“, sagte Dyck, denn die Politik habe | |
dazugelernt und vertraue den Lösungsansätzen des freien Marktes zunehmend | |
weniger. Dennoch bestünden die Probleme fort: steigende Mieten, | |
Zwangsräumungen, Verdrängung von Gewerbe oder alternativen Projekten, | |
Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, fehlende Mitbestimmungsrechte. Fünf | |
Jahre Rot-Rot-Grün seien zwar „keine vergebenen Jahre“ gewesen, sagt Lisa | |
Vollmer von Stadt von Unten, doch gingen die „Veränderungen nicht weit | |
genug“. Oftmals würden nur Symptome bekämpft, das Problem des | |
Wohnungsneubaus sei ebenso wenig gelöst wie das der explodierenden | |
Bodenpreise, sagt sie. | |
In ihren Beiträgen gehen die Initiativen ins Detail, weitaus mehr, als es | |
Wahlprogramme tun; Großthemen wie etwa ein bundesweiter Mietendeckel oder | |
der kommende Enteignungs-Volksentscheid stehen dabei nicht im Vordergrund, | |
stattdessen bringen sie neue Ideen in die Diskussion ein. | |
Eine „Landesankaufsgesellschaft“ etwa könnte dafür sorgen, das Instrument | |
des Vorkaufsrechts auf eine neue Ebene zu heben. Statt dass Bezirke in | |
jedem Einzelfall alternative Käufer*innen finden müssen, könnten diese | |
im großen Stil Ankäufe tätigen und erst im Nachgang die Häuser an | |
Wohnungsbaugesellschaften und gemeinwohlorientierte Akteur*innen | |
weitergeben. Spätestens bei Wiedervermietung sollen überteuerte Mieten auf | |
6,50 Euro pro Quadratmeter gekappt werden. | |
## Wohnungsbaugesellschaften regulieren | |
Deutlich stärker reglementieren wollen die Aktivst*innen die | |
landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Diese haben das Neubauziel von | |
3.000 Sozialwohnungen jährlich in der noch laufenden Legislaturperiode noch | |
nicht einmal zur Hälfte erfüllt. Die [5][Konzentration ihrer Kompetenzen] | |
könnte hier Abhilfe schaffen. Neu entstehen sollen ausschließlich Wohnungen | |
für jene Hälfte der Mieter*innen mit Anspruch auf einen | |
Wohnberechtigungsschein. Für bedrohte Räume, ob Jugendzentren, Buchläden | |
oder Clubs, schlägt die Initiative „Bucht für Alle“ eine Taskforce vor, d… | |
als „Notfallgremium“ einspringt, um einen Verlust zu verhindern. | |
Längerfristig soll eine Clearingstelle kulturelle Akteure begleiten und | |
beraten. | |
Auch in der Bodenpolitik plädieren die Autor*innen für eine Verschärfung | |
der Bemühungen. So solle ein bereits eingerichteter Bodenfonds, der | |
öffentliche Grundstücke verwaltet, mittels einer Ankaufstrategie | |
privatisierte Grundstücke in die öffentliche Hand zurückholen. Dabei sollen | |
Möglichkeiten der Preislimitierung genutzt werden, wie etwa das | |
Residualwertverfahren, das den Preis daran bemisst, was ein Bauträger dort | |
zukünftig erwirtschaften kann. Vergeben werden sollen Grundstücke | |
ausschließlich per Erbbaupacht. | |
An die Kandare genommen werden sollen Wohnungsplattformen wie | |
ImmobilienScout24, ohne die eine Wohnungssuche kaum noch möglich ist. | |
Einerseits möchte das Bündnis digitale Stadt die Plattformen verpflichten, | |
ihre Daten zum Wohnungsmarkt mit den Behörden zu teilen, anderseits sollen | |
nicht-kommerzielle Alternativen dazu aufgebaut werden. Auch Airbnb will man | |
auf digitalem Wege begegnen, mit einer Datenschnittstelle, die es der | |
Verwaltung jederzeit ermöglicht, illegale Angebote aufzuspüren. | |
9 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://iniforum-berlin.de/dossier21/ | |
[2] /Mieten-Initiativen-in-Berlin/!5695397 | |
[3] /Gerichtsurteil-und-Studie-gegen-Airbnb/!5785984 | |
[4] /Vorkaufsrecht-in-Berlin/!5779324 | |
[5] /Berlins-landeseigene-Wohnungsunternehmen/!5779169 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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