| # taz.de -- Spitzenkandidaten bei der Mietenbewegung: In der Höhle der Löwen | |
| > Die Kandidaten der Parteien stellen sich den kritischen Fragen der | |
| > Bewegung. Antworten und Konzepte bleiben aber die Ausnahme. | |
| Bild: Die Mieter*innenbewegung zeigt Stärke | |
| Berlin taz | Für die [1][Mieterbewegung] war es ein Zeichen ihrer Stärke: | |
| Zu einer von ihnen organisierten Podiumsdiskussion in der | |
| Heilig-Kreuz-Kirche in Kreuzberg waren am Dienstagabend alle | |
| Spitzenkandidat*innen der fünf großen Parteien in Berlin erschienen – | |
| nur Kai Wegner von der CDU ließ sich von seinem Fraktionsvorsitzenden | |
| Burkard Dregger vertreten. Noch vor zwei Wochen hatten lediglich Klaus | |
| Lederer (Linke) und Bettina Jarasch (Grüne) ihre Teilnahme zugesagt. Doch | |
| den Vorwurf einer Diskussion mit den Mieter*innen der Stadt aus dem Weg | |
| zu gehen, wollten sich letztlich auch die anderen Parteien nicht aussetzen. | |
| Die Regeln dabei bestimmten jedoch die Aktiven: Akzentuierte Fragen, | |
| maximal zwei Minuten Antwortzeit, dazu zum Auftakt Statements von | |
| marginalisierten Gruppen oder ihrer Vertreter*innen, etwa durch den in der | |
| Obdachlosenarbeit engagierten Gemeindepfarrer, einer Aktivistin für die | |
| Rechte geflüchteter Menschen und Vertreter*innen der vor die Tür | |
| gesetzten Jugendzentren Potse und Drugstore. | |
| Die Moderator*innen machten zudem ihr Selbstverständnis klar: Alle | |
| Erfolge der vergangenen fünf Jahre, stärkere Eingriffe der Bezirke in den | |
| Immobilienmarkt oder das Ende der Privatisierungen von Wohnungen und | |
| Grundstücken seien ihre Erfolge. Weil der Mietenwahnsinn aber weiter gehe, | |
| sei die nächste Regierung gefordert. | |
| Für Burkard Dregger, Mario Cjaca (FDP) und Franziska Giffey (SPD), allesamt | |
| Gegner*innen des Volksentscheids Deutsche Wohnen & Co enteignen und | |
| wenig gewillt, in den Markt einzugreifen, waren Sympathiepunkte an diesem | |
| Abend kaum zu holen. Stattdessen jede Frage ein Vorwurf: Wieso glaubt | |
| Franziska Giffey, dass ein höherer Anteil als 30 Prozent an Sozialwohnungen | |
| im Neubau zu sozialen Problemen führe? Wieso will Czajas FDP der | |
| Bodenspekulation keinen Einhalt gewähren und Instrumente wie | |
| Milieuschutzgebiete abschaffen? Wie will die CDU ohne konkrete Maßnahmen | |
| dafür sorgen, dass nicht immer mehr Gewerbetreibende durch explodierende | |
| Mieten verdrängt werden und durch frei finanzierten Neubau den Mangel an | |
| bezahlbarem Wohnraum beheben. | |
| Die Antworten blieben so vage oder ausweichend wie die entsprechenden | |
| Wahlprogramme. Giffey sprach von der „guten sozialen Mischung“ und der | |
| Schaffung eines Angebots für Mieter*innen mit mittlerem Einkommen; Czaja | |
| verwies auf die Landesflächen, die genug Platz für Neubau ließen und | |
| Dregger auf Förderprogramme für Einkaufsstraßen. | |
| Einig waren sich die drei vor allem darin, private Investoren, auf die man | |
| beim Neubau angewiesen sei nicht zu verschrecken und den „Weg der | |
| Konfrontation“ zu verlassen. Giffey und Dregger waren wollten dabei | |
| immerhin – ohne dabei ins Detail zu gehen – Unternehmen auf Sozialziele wie | |
| angemessene Mieten verpflichten. Czaja warb unter Protest aus dem Publikum | |
| für Mietkaufmodelle und sagte: „Eigentum ist noch nicht verboten in dieser | |
| Stadt und deshalb wollen wir es auch fördern.“ | |
| ## Gretchenfrage Enteignung? | |
| Aber auch Jarasch und Lederer wurde kein roter Teppich ausgerollt. Erstere | |
| musste erklären, wie energetische Sanierung sozial durchführbar sei, und | |
| forderte dabei eine Drittelung der Kosten zwischen Mieter*innen, | |
| Vermieter*innen und der öffentlichen Hand sowie die Begrenzung der | |
| Moderniserungsumlage. Zweiterer erwehrte sich des Vorwurfs des Fehlens | |
| konkreter Antidiskriminierungsmaßnahmen im Bezug auf Wohnen im | |
| Linken-Programm und verwies auf den Zusammenhang von Diskriminierung und | |
| sozialer Benachteiligung. Die Lösung für alle sei die Schaffung und der | |
| Erhalt günstigen Wohnraums. | |
| In einer letzten Fragerunde kam dann die Frage nach der | |
| [2][Vergesellschaftung der Bestände der großen privaten | |
| Wohnungsunternehmen] auf den Tisch. Mit mehr als 350.000 Unterschriften | |
| erhielt das Volksbegehren mehr Unterstützung als jede der vertretenden | |
| Parteien an Wählerstimmen 2016, wie Joanna Kusiak von der Initiative sagte. | |
| Sie fragte Giffey „als Demokratin“, ob sie das Ergebnis einen erfolgreichen | |
| Volksabstimmung akzeptieren würde. Die Antwort: „Jede Landesregierung muss | |
| eine entsprechende rechtliche Prüfung im Hinblick auf die Umsetzbarkeit | |
| anstreben.“ Reden müsse man aber auch über die Entschädigungszahlungen, | |
| darüber, dass dadurch keine neue Wohnung entstehe und dass das Vorhaben auf | |
| „verfassungsrechtlich sehr tönernen Füßen steht“. | |
| Jarasch verwies darauf, dass ein Vergesellschaftungsgesetz beklagt werden | |
| würde und sie daher mit dem Druck eines erfolgreichen Entscheids den | |
| Unternehmen eine „Abwendungsvereinbarung“ anbieten wolle. Wenn sich diese | |
| auf „faires Vermieten, dauerhaft, günstig, und einklagbar“ im Gegenzug für | |
| die Möglichkeit Neubau zu errichten einließen, würde sie „die | |
| Vergesellschaftung vom Tisch nehmen“. | |
| Als einziger der Runde sprach sich Lederer deutlich für die | |
| Vergesellschaftung aus, um „der exorbitanten Konzentration von Kapital | |
| entgegenwirken zu können“. Die Stadt würde „reicher“, da sie | |
| kreditfinanziert Bestände erwerben und dabei auch Transferleistungskosten | |
| sparen könne. Ein erfolgreicher Volksentscheid sei „nicht Gegenstand von | |
| Koalitionsverhandlungen“ und die „massiven Ungleichgewichte“ des Marktes | |
| könne man „nicht an Runden Tischen ausgleichen“. Der Applaus war ihm | |
| sicher. | |
| 15 Sep 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Erik Peter | |
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