Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Schließung der Haasenburg-Heime: Der Träger ist untragbar
> Experten stellen schwerste Missstände in den Haasenburg-Heimen fest. Die
> Bildungsministerin will sie schließen. Eine Gesetzesinitiative soll
> folgen.
Bild: Gefährdung des Kindeswohls: die umstrittenen Heime müssen zumachen.
POTSDAM taz | Die Haasenburg GmbH erhält vom Steuerzahler kein Geld mehr,
um mit rigiden Erziehungsmethoden Profit zu erwirtschaften. Am Mittwoch
teilte Brandenburgs Bildungsministerin Martina Münch (SPD) mit: „Wir
schließen die Haasenburg, weil eine latente Kindeswohlgefährdung für die
Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung besteht.“ Betroffen sind alle
drei Heime des Betreibers. Münch zieht damit die Konsequenz aus dem Bericht
einer Untersuchungskommission.
Sie habe den Bericht mit einem „beklommenen Gefühl“ gelesen, sagte die
Ministerin. In der Einrichtung habe „jeder Jugendliche immer wieder
fürchten müssen, Opfer von Willkür zu werden“.
„Was wir erfahren haben, war zum Teil menschlich erschütternd“, schreiben
die Autoren des Berichts. So hätte ein 13-Jähriger mit einer
Hirnschädigung, der nie zuvor straffällig gewesen sei, lange in der
besonders rigiden Aufnahmephase „Rot“ verharren müssen. Ein anderes Kind
berichtete der Kommission, es sei „fixiert auf einer Liege zwei Tage und
eine Nacht“ in der Einrichtung festgehalten worden.
Zu den besonders umstrittenen Antiaggressionsmaßnahmen schreiben die
Experten: „Auch wenn Bestrafung nicht zum offiziellen Konzept gehört, lässt
sich unter dem Mantel der ’Gefahr im Verzug‘ die Drohkulisse des ’Wir
können auch anders‘ … effektiv inszenieren.“
## Brutale Antiaggressionsmaßnahmen
##
Der Vorsitzende der Untersuchungskommission und Jugendpsychologe, Martin
Hoffmann, sagte, es gebe Hinweise, dass diese Maßnahmen teilweise grundlos
oder erst durch Provokationen der Erzieher ausgelöst worden sein sollen.
Insgesamt hätten die brutalen Antiaggressionsmaßnahmen das Klima der
Einrichtung geprägt.
Die Haasenburg GmbH beharrt darauf, dass solche Maßnahmen nur zur Abwehr
von Fremd- oder Selbstgefährdung eingesetzt würden.
Die Kommission fordert ein Verbot der Antiaggressionsmaßnahmen.
Zwangsmaßnahmen und Körperkontrollen sollten „nur nach richterlichem
Beschluss und in Gegenwart eines Kinder- und Jugendpsychiaters erfolgen“.
## Wie im Jugendwerkhof Torgau
Die Einrichtung offenbarte der Kommission eine „mentale Verbindung zur
Umerziehung in der DDR“, sagte Hoffmann. So sei ein Junge gezwungen worden,
über eine Stunde im Entengang zu gehen. Dies sei auch eine Methode im
Jugendwerkhof in Torgau gewesen – der schlimmsten Quälanstalt für
Heimkinder der DDR.
Erstaunlich waren sowohl Münchs als auch Hoffmanns Aussagen über die
privatisierte Jugendhilfe. Beide verwiesen darauf, dass auch bei einem
staatlichen Träger Missstände nicht ausgeschlossen werden könnten und
nannten als Beispiel die Jugendwerkhöfe der DDR.
Die Haasenburg GmbH erklärte am Mittwoch, sie „begrüße“ die Fertigstellu…
des Berichts – wie seinerzeit die Aufnahme staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungen. Der Bericht ermögliche, „in eine objektive Bewertung der
Ereignisse einzusteigen“, heißt es in einer Erklärung des Unternehmens.
## Schließung innerhalb von zwei Monaten
Innerhalb der nächsten zwei Wochen will Bildungsministerin Münch jetzt die
Betriebserlaubnis entziehen; die vollständige Schließung der Einrichtung
werde innerhalb der nächsten zwei Monate organisiert.
Bis dahin werde sichergestellt, dass die Haasenburg GmbH keine der
umstrittenen Antiaggressionsmaßnahmen mehr willkürlich angewenden würde.
Derzeit sind noch 37 Kinder in den Händen des Betreibers.
Münch sagte, der Untersuchungsbericht habe die Grenzen der staatlichen
Kontrolle aufgezeigt, die „Aufsicht und die Kontrolle insgesamt“ sei
gegenwärtig nicht ausreichend. Sie habe auch eine interne Prüfung über das
Versagen des Landesjugendamts Brandenburg eingeleitet. Zu personellen
Konsequenzen wollte sich die Ministerin nicht äußern. Derzeit sind drei
Mitarbeiter für rund 400 Heime in der Aufsicht zuständig. Auch in der
Frage, ob die Aufsicht personell aufgestockt werden müsse, wollte sich die
Ministerin nicht festlegen.
## Kritik am Landesjugendamt
##
Dabei benennt der Kommissionsbericht erhebliche Mängel beim
Landesjugendamt, wie auch beim Ministerium selbst. Offenbar wurde die
Untersuchungskommission sogar vom Landesjugendamt falsch informiert. So
heißt es im Bericht über die behördliche Aufsicht in Brandenburg: „Nicht
glaubhaft ist, dass das LJA (Landesjugendamt, Anm. d. Red.) von Fixierungen
in Einrichtungen der Haasenburg GmbH nichts gewusst hat.“ Selbst das
Ministerium habe schon 2007 die Fixierliegen gesehen. Das Landesjugendamt
gab hingegen an, es habe bis 2009 nichts von der Anwendung der Fixierliegen
gewusst.
Einer der Gesellschafter der Firma Haasenburg GmbH, Christian Dietz, alias
Haase, habe den Kommissionsmitgliedern gesagt, die Fixierpraxis sei dem
Landesjugendamt seit 2002 bekannt gewesen. „Wir hatten immer die
Rückendeckung der Behörden. Eine Absicherung hat es immer gegeben“, wird
Dietz im Bericht zitiert.
Die Kommission kritisiert auch das brandenburgische Bildungsministerium:
„Nicht vermittelbar ist, dass das Fachministerium über die Zunahme der
Beschwerden nicht informiert war.“ Die Kommission forderte jetzt eine „Art
Stiftung Warentest“ für die Jugendhilfe, eine „Kontrollagentur zur
Überprüfung der Qualität der Arbeit“ solcher Einrichtungen.
Die Ministerin kündigte eine bundesweite Gesetzesinitiative an. Es fehlten
„bundesweit gesetzlichen Rahmenbedingungen, in denen klar geregelt ist,
unter welchen Bedingungen Kinder und Jugendliche in
Jugendhilfeeinrichtungen mit freiheitsentziehenden Maßnahmen betreut“
werden. Weiter werde „geprüft“, inwieweit das Ministerium
„Haasenburg-Bewohnerinnen und -Bewohner bei der Aufarbeitung unterstützen
können“.
6 Nov 2013
## AUTOREN
Kai Schlieter
Kaija Kutter
## TAGS
Schwerpunkt Haasenburg Heime
Schließung
Expertenkommission
Martina Münch
Brandenburg
Schwerpunkt Haasenburg Heime
Heimkinder
Schwerpunkt Haasenburg Heime
Schwerpunkt Haasenburg Heime
Schwerpunkt Haasenburg Heime
Schwerpunkt Haasenburg Heime
Kinderheim
Schwerpunkt Haasenburg Heime
Schwerpunkt Haasenburg Heime
Schwerpunkt Haasenburg Heime
Schwerpunkt Haasenburg Heime
Schwerpunkt Haasenburg Heime
Schwerpunkt Haasenburg Heime
Schwerpunkt Haasenburg Heime
Schwerpunkt Haasenburg Heime
## ARTIKEL ZUM THEMA
Tod eines ehemaligen Heimkindes: Jonas lebt nicht mehr
Ein junger Hamburger, der als Kind in der Haasenburg war, beging Suizid.
Mütter fordern Gespräche mit der Stadt über Entschädigung und
Entschuldigung.
Ungeklärter Tod in Haasenburg-Heim: Der Fall Lena
Der Tod eines 16-jährigen Mädchens in einem Heim der Haasenburg GmbH wirft
Fragen auf. Wurde die Leiche vor dem Eintreffen der Polizei verändert?
Kriminologe Lindenberg über geschlossene Heime: „Eine Bezugsperson ist das W…
Geschlossene Heime können Straftaten nicht verhindern, sagt der Kriminologe
Michael Lindenberg. In Hamburg wäre es endlich Zeit für eine Alternative.
Alternativen zur Haasenburg: SPD will weiter wegschließen
Nach der Schließungsankündigung für die Haasenburg plant Hamburg ein
eigenes Heim. Findet sich kein Träger, wird eigens ein städtischer
gegründet.
Ex-Haasenburg-Heimkind zu Übergriffen: „Es war schwer auszuhalten“
Sie floh aus dem Heim und kam einen Tag nach dem Schließungsbeschluss
erneut in die Haasenburg GmbH. Es kam wieder zu körperlichen Maßnahmen.
Pädagoge über Haasenburg: „Es wird härter durchgegriffen“
Brandenburgs Bildungsministerin kündigt die Schließung der Haasenburg-Heime
an. Der Beginn einer Wende, hofft Erziehungswissenschaftler Werner Thole.
Chronik Haasenburg GmbH: Finstere Pädagogik
Die Haasenburg-Heime in Brandenburg werden geschlossen, nachdem auch
Experten schwere Missstände festgestellt haben. Wie es dazu kam – eine
Chronik.
Kommentar Schließung Haasenburg: Endlich glaubt man den Jugendlichen
Die Kinderquälheime zeigen, wie Jugendhilfe nicht arbeiten soll. Junge
Menschen brauchen Anlaufstellen, wo sie ihre Geschichte erzählen können.
Heime werden geschlossen: Haasenburg nicht reformierbar
Eine Expertenkommission zieht eine vernichtende Bilanz über die
Haasenburg-Heime. Die zuständige SPD-Ministerin kündigt die Schließung an.
Frakturen in der Haasenburg GmbH: Die Akte Nora
Ihr wurde im Heim der Arm gebrochen. Das Ministerium wollte davon nichts
gewusst haben. Dokumente stellen diese Aussage nun in Frage.
Jugendhilfe: Raus aus Berlin, rein ins Heim
Berlin sperrt seine Problemkinder in geschlossene pädagogische
Einrichtungen - aber in anderen Bundesländern.
Umstrittene Haasenburg-Heime: Amtsvormünder bremsen Aufklärung
Die Opposition in der Hamburger Bürgerschaft verlangt, dass die Stadt alle
Akten zu den Vorgängen in dem umstrittenen Heim vorlegt. Aber die
Amtsvormünder der Jugendlichen stellen sich quer - auch wenn die
Jugendlichen die Weitergabe befürworten.
Offene und geschlossene Jugendheime: Das andere Zuhause
Sind für manche Kinder und Jugendliche geschlossene Heime tatsächlich der
einzige Ausweg? Es gibt Alternativen dazu – ein Besuch in zwei Projekten.
SPD-Abgeordnete über Haasenburg: „Dinge, die mich tief belasten“
Sylvia Lehmann würde Kinder sofort aus den Haasenburg-Heimen nehmen. Damit
stellt sich die brandenburgische SPD-MdL gegen ihre Ministerin Martina
Münch.
Skandal um Haasenburg-Jugendheime: Ein Raum voller Indizien
Die Untersuchung der Misshandlungen bei der Haasenburg GmbH wird
beschleunigt. Derweil stellt sich die Frage nach Alternativen zu
geschlossenen Heimen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.