# taz.de -- Sahra Wagenknechts neue Partei: Links liegen gelassen | |
> Am Montag will Wagenknecht ihren neuen Verein vorstellen. Sie hinterlässt | |
> eine Ruinenlandschaft, angesichts derer es schwerfällt, an einen | |
> Wiederaufbau zu glauben. | |
Bild: Aufbruchstimmung: Sahra Wagenknecht bei der Eröffnung ihres Wahlkreisbü… | |
Die Nebel lichten sich. Die Abspaltungspläne von Sahra Wagenknecht nehmen | |
nicht mehr zu ignorierende Konturen an. Was innerhalb der Linkspartei | |
erstaunlich viele erstaunlich lange nicht wahrhaben wollten, ist nun für | |
alle offensichtlich. | |
Am Montag um 10 Uhr will die Heldin des deutschen Stammtischs in Berlin | |
ihren neuen Laden präsentieren. „BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit“ | |
heißt der Verein. Dessen einziger Zweck ist es, die – aus finanziellen | |
Gründen – für Anfang nächsten Jahres geplante offizielle Gründung einer | |
neuen Partei vorzubereiten. | |
Das Kürzel BSW steht für „Bündnis Sahra Wagenknecht“. Fehlendes | |
Selbstbewusstsein kann der 54-jährigen Ex-Linksfraktionsvorsitzenden nicht | |
vorgeworfen werden. Jedenfalls entspricht die Namensgebung der fast | |
religiösen Verehrung, die ihr ein Großteil ihrer Anhänger:innenschaft | |
entgegenbringt. | |
## Zu viel zerstört | |
Auch wenn Jan Korte, der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion | |
im Bundestag, noch Ende April in der taz [1][um einen Kasten Bier gewettet] | |
hat, dass Wagenknecht keine eigene Partei gründen wird, ist das, was jetzt | |
passiert, keine Überraschung. | |
Seit mehr als einem Jahr arbeiten Wagenknecht und ihre Getreuen an der | |
Abspaltung. [2][Ende August 2022] hat die taz darüber das erste Mal | |
berichtet. Selbst der Zeitplan bis zu einem konkurrierenden Wahlantritt bei | |
der kommenden Europawahl [3][steht seit Langem fest]. | |
Dass Wagenknecht nun ganz offen erklärt, nicht mehr nur über eine | |
Konkurrenzpartei „nachzudenken“, sondern sie konkret zu planen, ist für die | |
Linke eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute Nachricht: Die | |
quälende Zeit der systematischen Zerstörung von innen heraus ist vorbei. | |
Nicht nur Ex-Parteichef Bernd Riexinger spricht von einer „Befreiung“. Die | |
schlechte Nachricht: Es ist inzwischen so viel zerstört worden, dass es | |
schwer ist, an einen Wiederaufbau zu glauben. | |
## Ein Wunder muss geschehen | |
Vor allem im Westen gleicht die Linke einer Ruinenlandschaft. Es sei „wohl | |
einzigartig in der Parteiengeschichte, dass über so einen langen Zeitraum | |
durch Mandatsträger einer bestehenden Partei eine neue gegründet wird“, | |
konstatiert Riexinger. Dazu passt, dass bei dem Wagenknecht-Event am Montag | |
mit Amira Mohamed Ali auch die noch amtierende Co-Vorsitzende der | |
Linksfraktion auf dem Podium sitzen soll. | |
[4][Michail Gorbatschow] wird der Satz zugeschrieben: „Wer zu spät kommt, | |
den bestraft das Leben.“ Das gilt auch für jene, die nicht bereit sind, zur | |
rechten Zeit das Notwendige zu tun. Der Preis, den die Linkspartei dafür | |
zahlen muss, Wagenknecht das Gesetz des Handelns überlassen zu haben, ist | |
hoch – und auch die gesellschaftliche Linke wird ihn zahlen müssen. | |
Aber vielleicht geschieht ja doch noch ein Wunder und die Linkspartei | |
gewinnt jene Kraft zurück, die sie durch die jahrelangen Querelen mit | |
Wagenknecht und ihrem „linkskonservativen“ Anhang verloren hat. Der Platz | |
im bundesrepublikanischen Parteienspektrum wäre immer noch da. Er muss nur | |
wieder gefüllt werden können. | |
20 Oct 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Korte-zum-Niedergang-der-Linkspartei/!5929567 | |
[2] /Abspaltungstendenzen-von-der-Linkspartei/!5877416 | |
[3] /Sahra-Wagenkecht-und-die-Linkspartei/!5954498 | |
[4] /Trauerfeier-fuer-Michail-Gorbatschow/!5878937 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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