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# taz.de -- Eine letzte Chance für die Linkspartei: Radikal anders, jetzt!
> Die Linke braucht dringend Erneuerung – inhaltlich wie personell. Die
> kann nur mit sozialen Bewegungen, Initiativen und Gewerkschaften
> gelingen.
Bild: Bewegungsaktivist:innen konstatieren: „Eine starke linke Partei fehlt d…
Lagerkämpfe, Parteiaustritte, Visionslosigkeit – die Linke steckt in einer
tiefen Identitätskrise. [1][Seit Jahren streiten] sich die führenden Köpfe
öffentlich über die Frage, für wen und was genau eine linke Partei in
Anbetracht steigender Energie- und Lebensmittelpreise, Klimakrise,
Abschottung und Rechtsruck eigentlich im Kern stehen kann. Eine Antwort
gibt es bis heute nicht. Doch genau das können wir uns in Anbetracht der
aktuellen Lage schlicht nicht leisten.
Denn dies geschieht in einer Zeit, in der die AfD die ersten Landrats- und
Bürgermeisterwahlen gewonnen hat und die Brandmauer der CDU zu bröckeln
beginnt. In einer Zeit, in der die Inflation unsere Gehälter auffrisst und
die SPD den Mindestlohn nur um ein paar lächerliche Cent erhöht. In einer
Zeit, in der die Klimakrise durch Dürren und Unwetter in unserem Alltag
angekommen ist, während die Grünen der Aufweichung des Klimaschutzgesetzes
zustimmen und das Dorf Lützerath für Braunkohle zerstören lassen. In einer
Zeit, in der die FDP die Kindergrundsicherung blockiert und gleichzeitig
Steuersenkungen für Konzerne durchdrücken will.
Als Menschen, die seit Jahren in verschiedenen Bewegungen für gerechte
Löhne, radikalen Klimaschutz und die Einhaltung der Menschenrechte kämpfen,
müssen wir leider feststellen: Eine starke linke Partei fehlt derzeit
schmerzlich. Wir sind überzeugt, dass die engagierte Zivilgesellschaft
einen starken Bündnispartner in den Gemeinderäten, den Landesparlamenten
und im Bundestag braucht.
## Grüne und SPD sagen „Tschüss“ zu ihren Grundwerten
Genau jetzt kommt es darauf an, linke Themen zu setzen und dort aktiv zu
sein, wo die Bundesregierung versagt. Spätestens seit der Entscheidung für
eine der weitreichendsten Asylrechtsverschärfungen seit 1993 und dem
Gebäudeenergiegesetz ist klar: Sowohl die Grünen als auch die SPD haben
sich von ihren Grundwerten verabschiedet. Anstatt berechtigte soziale und
ökologische Anliegen miteinander in Einklang zu bringen, streiten sie für
die Interessen der gehobenen Mittelschicht und der Großkonzerne.
Die von Liberalen und Konservativen vorangetriebene und von SPD und Grünen
mindestens geduldete Umverteilung von unten nach oben wird den
Rechtspopulismus in Deutschland weiter nähren. Es braucht eine Partei, die
sich dem neoliberalen Rechtsruck entgegenstellt und zeigt, dass soziale und
ökologische Interessen nur durch einen solidarischen Klassenkampf verbunden
werden können. Denn nach unten treten bringt nichts: Hierdurch gibt es
keinen einzigen Cent mehr Lohn und keine einzige warme Mahlzeit mehr.
Es braucht jetzt eine Partei, die unmissverständlich für Gerechtigkeit
kämpft und klare Kante zeigt. Die denjenigen eine Stimme gibt, die am
stärksten von steigenden Miet-, Energie- und Lebensmittelpreisen,
Klimafolgen und harten Außengrenzen betroffen sind – ohne diese Menschen
gegeneinander auszuspielen. Die für alle Menschen ein Ort der Organisierung
sein kann, weil sie im Lokalen verankert ist und ihre Ressourcen teilt. Die
mit starken Kampagnen und Projekten Sichtbarkeit für die Probleme der
Menschen schafft.
Eine Partei, die für die Sache steht und deren Abgeordnete nicht an Posten
hängen. Eine Partei, die sich gegen männliche Dominanzstrukturen richtet.
Die dort aktiv und laut wird, wo soziale Ungerechtigkeit, Klimaschäden oder
Entrechtung geschehen. Kurz: eine Partei, die im Leben der Menschen einen
realen Unterschied macht. Nicht für einige wenige, sondern für die vielen.
Es ist Zeit, dass die Linke zu dieser Partei wird. Aber wie?
## Für wen und mit wem möchte die Linke ihre Politik machen?
Neulich hat der Parteivorstand angekündigt, [2][die Linke bis 2025 wieder
auf Erfolgsspur bringen zu wollen.] „Die Zukunft der Linke ist eine Zukunft
ohne Sahra Wagenknecht“, hieß es. Diese richtigen Absichten dürfen nicht
nur auf dem Papier stehen bleiben. Was es jetzt braucht, ist eine radikale
Erneuerung, in der die wichtigsten offenen Fragen beantwortet und die
Strukturen der Partei grundlegend erneuert werden.
Unter anderem ist eine Klärung in der Außenpolitik nötig. Die Linke muss
konkrete Antworten auf aktuelle (geo)politische Herausforderungen finden:
Wie könnte man in Europa jenseits von Militärbündnissen gemeinsam und
solidarisch für die Sicherheit der Nachbarn sorgen? Was bedeutet für uns
Linke denn praktisch das Recht auf Widerstand und Verteidigung, wenn es
darauf wirklich ankommt? Es braucht ein klares Bekenntnis gegen alle
Autokraten und Diktatoren.
Gleichzeitig muss die Linke sich nach außen öffnen und frisches Personal
auf allen Ebenen reinlassen, das den neuen Kurs vertritt und gegen
Widerstände verteidigt. Denn die Linke hat einen Personalnotstand –
besonders auffällig in der Bundestagsfraktion –, und das macht sie für
viele potenzielle Wähler*innen unattraktiv. Umso wichtiger ist es, dass
die Partei bereits [3][bei der EU-Wahl neue Gesichter nach vorne stellt],
die die notwendige Erneuerung vorantreiben.
Neben neuen Gesichtern benötigt eine demokratische linke Partei auch
demokratische Strukturen, die unter anderem die Bereicherung Einzelner
verhindern. Nicht zuletzt fehlt die Klarheit in der Frage, für wen und mit
wem die Linke ihre Politik machen möchte. Das verstaubte Image der Linken
schreckt zahlreiche Menschen ab. In erster Linie braucht es Mut und
Veränderungswillen, jetzt diesen Prozess grundlegend zu starten.
Nur gemeinsam mit Menschen aus sozialen Bewegungen, lokalen Initiativen,
Gewerkschaften und Sozialverbänden, die für und mit benachteiligten und
unsichtbaren Gruppen seit Jahren kämpfen, kann die Linke diesen Weg gehen.
Gemeinsam können wir eine Zukunftsvision entwickeln, die viele inspiriert
und überzeugt. Nur so kommt die Linke gestärkt aus der Krise.
Genau deswegen sollte die Parteiführung der Linken diese Chance ergreifen
und die Partei zusammen mit der linken Zivilgesellschaft neu aufbauen.
18 Jul 2023
## LINKS
[1] /Podcast-Bundestalk/!5941251
[2] /Krise-bei-der-Linkspartei/!5938538
[3] /Aktivistin-als-EU-Spitzenkandidatin/!5944965
## AUTOREN
Alina Lyapina
David Dresen
Liza Pflaum
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Europäische Linke
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Europawahl
Sevim Dagdelen
Janine Wissler
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