# taz.de -- Linkspartei legt neues Papier vor: Plan für „ein gerechtes Land�… | |
> Die Linkspartei präsentiert Ideen für mehr soziale Gerechtigkeit: | |
> Automatische Inflationsanpassung, eine Lohnoffensive Ost und linke | |
> Evergreens. | |
Bild: Gregor Gysi während der Pressekonferenz mit Martin Schirdewan im Juli 20… | |
BERLIN taz | Etwas länger habe er über seinen Einstieg nachdenken müssen, | |
verrät der Vorsitzende der Linkspartei, Martin Schirdewan, gleich zu Beginn | |
der Pressekonferenz am Montag in Berlin. Dann dämpft er aber gleich die | |
Erwartungen. Die Regierung befinde sich in einem „desolatem Zustand“ sagt | |
Schirdewan. Die Ungleichheit wachse und die Ampel liefere keine Antworten. | |
Gemessen am [1][Überraschungscoup], als die Linkspartei vor Kurzem die | |
Aktivistin Carola Rackete als Co-Spitzenkandidatin zur Europawahl | |
präsentierte, ist das wirklich kein knalliger Einstieg. Aber Schirdewan und | |
sein Parteikollege Gregor Gysi haben zumindest einen Plan im Gepäck. „Damit | |
die Hoffnung zurückkehrt – unser Plan für ein gerechtes Land“ heißt der | |
Titel eines fünfseitigen Papiers, das die beiden verfasst haben. | |
„Die fünf reichsten Deutschen haben mehr Vermögen als 50 Prozent der in | |
Deutschland lebenden Menschen“, beklagt Schirdewan. „Diesem obszönen | |
Reichtum“ stünde „eine immer weiter wachsende Armut“ gegenüber. Den | |
konservativen Parteien fiele aber nichts Besseres ein als ein „Flirt mit | |
den extremen Rechten“, kritisiert er. Es ist ein Seitenhieb gegen CDU-Chef | |
Friedrich Merz, der gerade im ZDF [2][mit AfD-Annäherungsversuchen] | |
auffiel. | |
Dann folgt ein Rundumschlag, von Rente und Mindestlohn über steigende | |
Mieten bin hin zur Kindergrundsicherung. Die Lohnerhöhungen reichten | |
derzeit nicht aus, um die Inflation auszugleichen, kritisiert Gysi. „Seit | |
2020 haben wir Jahr für Jahr Reallohnverluste.“ | |
## Inflationsausgleich für alle Löhne und Gehälter | |
In ihrem Papier schlägt die Linke deshalb einen gesetzlichen automatischen | |
Inflationsausgleich für alle Löhne und Gehälter vor. Inspiriert sei das von | |
den Nachbarstaaten Belgien, Luxemburg sowie Malta und Zypern, die einen | |
solchen Mechanismus bereits haben, erklärt Gysi. Die Wirtschaft „sei daran | |
nicht zugrunde gegangen“. Daneben müsse der Mindestlohn auf 14 Euro erhöht | |
werden und es brauche einen rückwirkenden Inflationsausgleich bei Renten, | |
Bafög, Elterngeld und Sozialleistungen. Dass die Ampel ausgerechnet im | |
sozialen Bereich kürzen wolle, etwa bei der Asylberatung oder bei | |
psychosozialen Zentren, sei „antizivilisatorisch“, heißt es im Papier. | |
Insgesamt enthält es aber wenig Überraschendes. Statt 100.000 neuen | |
Sozialwohnungen pro Jahr, wie es sich die Ampelregierung vorgenommen hat, | |
soll es 250.000 Sozialwohnungen geben. Das Papier liest sich in weiten | |
Teilen wie eine Aneinanderreihung linker Evergreens. Schuldenbremse | |
abschaffen, Steuerreform, mehr Tarifbindung, Mietendeckel, Vermögens- und | |
Übergewinnsteuer einführen. | |
Doch der Plan nimmt mit einer Lohnoffensive den Osten der Republik stärker | |
in den Blick. Also den Teil des Landes, wo die Gehälter und Renten | |
mickriger ausfallen und besonders viele Menschen zum Niedriglohn arbeiten. | |
Ziel sei es, die Löhne in den Neuen Ländern „bis Ende 2025 zu 100 Prozent | |
an das Westniveau anzugleichen“, sagt Gysi. Er erzählt die Anekdote, dass | |
Siemensmitarbeiter*innen in Ostberlin zwar gleich viel verdienten | |
wie im Westen, aber 3 Stunden mehr arbeiten müssten. | |
## Wagenknecht und die zwei Welten | |
Es sind ernste, realpolitische Anliegen, die von Schirdewan und Gysi | |
vorgetragen werden, fernab der Frage wie woke die Linkspartei eigentlich | |
ist. Aber ohne eine Nachfrage zu Sahra Wagenknecht kommt auch dieser Termin | |
nicht aus. Die Frage, [3][ob Wagenknecht eine neue Partei gründen] will | |
oder nicht, ist zum Dauerrascheln geworden. | |
Ob Gysi da mehr wisse, will ein Journalist erfahren. „Mit Sahra Wagenknecht | |
führe ich Gespräche, Klarheit gewinne ich dadurch nicht“, antwortet er. Es | |
lebten in ihr zwei Welten. „Die eine Welt sagt: ‚Man müsste eigentlich eine | |
neue Partei gründen.‘ Und die andere Welt sagt: ‚Nee, man müsste das nicht | |
und das ist auch zu schwierig.‘“ Sie und ihr Umfeld seien „noch nicht | |
richtig entschieden“. Gysi betonte zudem die Schwierigkeiten einer | |
Parteigründung. Eine einzige führende Figur sei „ein bisschen wenig“. Zud… | |
sei es organisatorisch ein großer Aufwand. | |
Sollte es aber zur Parteigründung kommen, „würde ich entschieden dagegen | |
kämpfen“, sagt er. Er könne nicht zulassen, dass die Linke die Linke kaputt | |
mache. Das Thema Lohn- und Rentenangleichung scheint da schon wieder ganz | |
weit weg. | |
24 Jul 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Spitzenkandidatin-der-Linken/!5948281 | |
[2] /Kooperation-mit-der-AfD/!5948977 | |
[3] /Krise-bei-der-Linkspartei/!5938538 | |
## AUTOREN | |
Jasmin Kalarickal | |
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