Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Krise der Linkspartei: Nächster Schritt Richtung Spaltung
> Bei der Neuwahl des Fraktionsvorstands Anfang September will Amira
> Mohamed Ali nicht erneut antreten. Einer der Gründe ist Sahra
> Wagenknecht.
Bild: Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali gibt ihr Amt ab
Berlin taz | Die Ankündigung von Amira Mohamed Ali, Anfang September nicht
wieder für den Vorsitz der Linksfraktion im Bundestag zu kandidieren, ist
innerhalb ihrer Partei auf ein geteiltes Echo gestoßen. Die einen bedauern
ihren Entschluss, die anderen begrüßen ihn. Die meisten halten ihn für
konsequent – jedoch aus unterschiedlichen Motiven. [1][Die Spaltung der
Linken rückt näher.]
Als Nachfolgerin von Sahra Wagenknecht steht Mohamed Ali seit 2019
gemeinsam mit Dietmar Bartsch der Linksfraktion vor. Am Sonntagabend
veröffentlichte sie nun eine eineinhalb Seiten lange Erklärung, das künftig
nicht mehr zu wollen. Als Begründung gab sie an, es sei ihr „mittlerweile
unmöglich geworden“, den Kurs der Linkspartei in der Öffentlichkeit zu
stützen und zu vertreten.
„In der Parteiführung und unter einer Mehrheit von Funktionären hat sich
ein Kurs durchgesetzt, der meinen politischen Überzeugungen an vielen
Stellen deutlich widerspricht und der die Linke zunehmend in die politische
Bedeutungslosigkeit treibt“, so Mohamed Ali. Als Beispiel nennt sie, dass
„bewusst kein klares und grundsätzliches Nein zum falschen Kurs der
Ampelkoalition formuliert“ werde. Das gelte insbesondere für deren
Klimapolitik, die den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährde.
Den letzten Ausschlag für ihre Entscheidung habe der einstimmige
[2][Beschluss des Parteivorstands Mitte Juni] gegeben. Darin heißt es, die
Zukunft der Linken sei „eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht“. [3][In dem
Beschluss], der auch die Zustimmung von Mohamed Alis niedersächsischem
Landesverband erhalten hat, steht, es sei „ein Gebot des politischen
Anstandes und der Fairness gegenüber den Mitgliedern unserer Partei, wenn
diejenigen, die sich am Projekt einer konkurrierten Partei beteiligen,
konsequent sind und ihre Mandate zurückgeben“.
## Mohamed Ali hält Wagenknecht die Treue
Mohamed Ali hält das für völlig inakzeptabel. In ihrer Erklärung vom
Sonntag schreibt sie, dies zeige „in bis dahin noch nicht gekannter
Deutlichkeit den Wunsch und das Ziel, einen Teil der Mitgliedschaft aus der
Partei zu drängen“. Außerdem seien Abgeordnete „ausschließlich ihrem
Gewissen verpflichtet“.
Die 43-jährige Mohamed Ali, die seit 2017 dem Bundestag angehört, gilt als
Vertraute und eine Art Statthalterin von Wagenknecht. Wie ergeben sie ihr
gegenüber ist, zeigt sich bisweilen an kleinen Dingen. So verzichtete die
gebürtige Hamburgerin nach ihrem Amtsantritt darauf, das ihr zustehende
Vorsitzendenbüro von ihrer Vorgängerin zu übernehmen. Keine Kleinigkeit ist
es indes, dass sich Mohamed Ali – im Gegensatz zu Bartsch – bislang nicht
von [4][Wagenknechts Parteineugründungsplänen] distanziert hat. Auch in
ihrer Erklärung vom Sonntag hüllt sie sich jedoch dazu in Schweigen.
Das könnte daran liegen, dass die gelernte Rechtsanwältin zu jenen sieben
bis elf Abgeordneten zählt, von denen es aus der insgesamt 39-köpfigen
Fraktion heißt, dass sie sich möglicherweise an einem solchen
„linkskonservativen“ Abspaltungsprojekt beteiligen würden. Dies würde das
Ende der Linksfraktion bedeuten. Wagenknecht hat angekündigt, sich bis zum
Ende des Jahres entscheiden zu wollen – wobei es sich für sie dabei nach
eigener Aussage nicht mehr um eine politische, sondern nur noch um eine
rein organisatorische Frage handelt. Gebrochen mit der Linkspartei haben
sie und ihre Verbündeten schon länger.
Mohamed Alis Verzichtserklärung kann als Beleg des Scheiterns der
umstrittenen Bündnispolitik des „Reformers“ Dietmar Bartsch gesehen werden.
Denn trotz großer ideologischer Unterschiede stützt Bartsch bislang seine
Macht in der Fraktion auf eine Kooperation mit dem Wagenknecht-Lager.
Kritiker:innen sprechen von einer „Beutegemeinschaft“. Dass die blasse
und rhetorisch limitierte Mohamed Ali überhaupt an die Fraktionsspitze
rücken konnte, gilt ihnen dafür als ein Beleg.
## Manche Abgeordnete schmieden öffentlich Pläne
Nun wird sich Bartsch umorientieren müssen. Mohamed Alis
Rückzugsankündigung nutzte das Wagenknecht-Lager umgehend zu einer
Abrechnung mit ihrer Nochpartei. Der rheinland-pfälzische Abgeordnete
Alexander Ulrich warf der Parteiführung vor, sie schaffe es „nicht nur, die
Partei zu zerlegen, sondern nun auch die Bundestagsfraktion“. Die Linke
verkomme „leider zu einer Sekte“, so Ulrich. „Wir hoffen auf Sahra
Wagenknecht.“
Bereits im Juni hatte sich Ulrich mit seinem früheren Fraktionskollegen
Diether Dehm öffentlich über eine mögliche Konkurrenzkandidatur bei der
Europawahl im Juni 2024 unterhalten. Die wäre „schon ein wichtiger Test für
eine solche Formation“, sagte er in Dehms Internet-Talkshow „Moats auf
Deutsch“. Wenn es so komme, könne die Bundestagsfraktion der Linkspartei
natürlich nicht fortbestehen. „Aber diejenigen, die möglicherweise zum
Sahra-Wagenknecht-Flügel gehören, wir wären ja weiterhin im Bundestag“,
sagte Ulrich. Bei einem Wahlerfolg kämen Parlamentarier:innen auf
Europaebene hinzu. Da bestünden dann schon Möglichkeiten, „diese Zeitspanne
zwischen Europawahl und Bundestagswahl zu überbrücken“.
Für den Schritt Mohamed Alis habe er „größtes Verständnis“, schrieb der
Ex-Parteivorsitzende Klaus Ernst im Onlinedienst Twitter, der inzwischen in
„X“ umbenannt wurde. Ihr Rückzug werde „den Niedergang der Linken wohl
beschleunigen“, so Ernst, der ebenfalls als Wagenknecht-Jünger gilt. Seine
Fraktionskollegin Jessica Tatti twitterte: „Wer den eigenen Genossen
permanent die Tür zeigt, braucht sich nicht wundern, wenn sie irgendwann
durchgehen.“
Demgegenüber bezeichnete die brandenburgische Abgeordnete Anke
Domscheit-Berg den Kandidaturverzicht Mohamed Alis auf X als „richtige und
nötige Entscheidung“. Denn nach ihrer Ansicht sollte die Führungsspitze der
Linksfraktion „selbstverständlich die Politik der Bundespartei vertreten“.
Bundesvorstandsmitglied Janis Ehling schrieb auf Facebook: „Zumindest hoffe
ich, dass mit Amiras Rückzug nun der Weg frei wird für eine bessere
Verständigung zwischen Parteivorstand und Fraktion.“
## Riexinger sieht eine Chance
Die bayrische Abgeordnete Susanne Ferschl schrieb am Sonntagabend auf X:
„Aus meiner festen Überzeugung hat nur eine geeinte Linke die Kraft, dem
neoliberalen Mainstream und Rechtsruck entgegenzustehen.“ Leider sei dies
„nach heute nochmals unwahrscheinlicher geworden“. Sie dankte Mohamed Ali
für ihre Arbeit.
Als „folgerichtig“ sieht der frühere Parteichef Bernd Riexinger den Rückz…
Mohamed Alis. Sie habe „offensichtlich eingesehen, dass sie als
Fraktionsvorsitzende in wichtigen Punkten nicht in Widerspruch gegen ihre
eigene Partei operieren kann“, sagte er der taz. Das sei bisher „ja gerade
ein Teil unserer Schwäche und das Dilemma der bestehenden Allianz in der
Fraktion“. Die Partei habe ein klares Programm, wie Klimaschutz und soziale
Gerechtigkeit zusammengeführt werden können. Aufgabe der Fraktion sei es,
das wie auch das Wahlprogramm in parlamentarische Initiativen umzusetzen.
Außerdem müsse es insbesondere für eine Fraktionsvorsitzende „klar sein,
dass Initiativen für eine Parteigründung aus der Fraktion heraus eine klare
Absage erteilt wird“, so Riexinger. Denn gegen eine Spaltung der Partei
einzutreten, habe „mit Hinausdrängen nichts zu tun, sondern müsste für alle
Mandatsträger:innen eine Selbstverständlichkeit sein“. Offenkundig
sehe Mohamed Ali das leider anders. „Jetzt hat die Fraktion die Chance,
eine Führung zu wählen, die mit ihrer Partei kooperiert“, sagte er.
7 Aug 2023
## LINKS
[1] /Krise-bei-der-Linkspartei/!5938538
[2] /Linkspartei-bricht-mit-Wagenknecht/!5939549
[3] https://www.die-linke.de/partei/parteidemokratie/parteivorstand/parteivorst…
[4] /Podcast-Bundestalk/!5941251
## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
Amira Mohamed Ali
Die Linke
Bernd Riexinger
Sahra Wagenknecht
Dietmar Bartsch
Die Linke
Bundestag
Die Linke
Janine Wissler
Die Linke
Die Linke
Schwerpunkt Europawahl
Janine Wissler
## ARTIKEL ZUM THEMA
Linke sucht nach neuer Fraktionsspitze: Trümmerhaufen sucht Nachfolger
Die Linke verschiebt die Wahl ihrer neuen Fraktionsspitze. Ein neuer Termin
ist nicht bekannt. Mohamed Ali und Bartsch bleiben nun vorerst im Amt.
Rückzug des Linken-Fraktionschefs: Übrig bleibt ein Scherbenhaufen
Dietmar Bartsch hat angekündigt, nicht mehr für den Fraktionsvorsitz der
Linken im Bundestag zu kandidieren. Ein Abgang, der viel zu spät kommt.
Linken-Fraktionschef tritt nicht mehr an: Dietmar Bartsch reicht es
Der Fraktionschef der Linken wird bei der Vorstandswahl nicht erneut
kandidieren. Ohnehin ist fraglich, wie lange es die Linksfraktion noch
gibt.
Krise der Linkspartei: Vorstand erwägt Konvent
Linkenchefin Janine Wissler greift den Vorschlag eines Abgeordneten für
einen Konvent auf. Co-Fraktionschef Dietmar Bartsch warnt vor dem Ende der
Fraktion.
Klima-Forderungen der Linkspartei: 100 Milliarden fürs Klima
Die Linke hat ein ökosoziales Programm vorgestellt. Ihre Kritik an der
Regierung: Die Senkung der Emissionen müsse schneller und gerechter gehen.
Linkspartei legt neues Papier vor: Plan für „ein gerechtes Land“
Die Linkspartei präsentiert Ideen für mehr soziale Gerechtigkeit:
Automatische Inflationsanpassung, eine Lohnoffensive Ost und linke
Evergreens.
Carola Rackete und die Linke: Ein Hoffnungsschimmer
Mit der Nominierung von Carola Rackete und Gerhard Trabert für die EU-Wahl
sendet die angeschlagene Linkspartei ein Lebenszeichen.
Janine Wissler über Zukunft ihrer Partei: „Die Linke wird überleben“
Linken-Vorsitzende Janine Wissler möchte ihre Partei mehr für soziale
Bewegungen öffnen – und AfD-Wähler:innen gewinnen. Wie stellt sie sich das
vor?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.