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# taz.de -- Aktivistin als EU-Spitzenkandidatin: Linke zündet Rackete
> Mit Carola Rackete nominiert die Linke eine Aktivistin der Seenotrettung
> als Spitzenkandidatin zur Europawahl. Es ist nicht die einzige
> Überraschung.
Bild: Ist als Klimaaktivistin und Seenotretterin bekannt: Carola Rackete
Berlin taz | Die Einladung ins Karl-Liebknecht-Haus kam ganz harmlos daher
und versprach nicht mehr als business as usual. Zu einer
„Sommerpressekonferenz zu aktuellen politischen Themen“ hatten die
Vorsitzenden der Linken eingeladen. Doch stattdessen präsentierten Janine
Wissler und Martin Schirdewan am Montagmittag in der Berliner
Parteizentrale eine Überraschung: Die Klimaaktivistin und Seenotretterin
Carola Rackete und der Sozialmediziner Gerhard Trabert sollen für [1][die
Linkspartei zur Europawahl] antreten. Ein Coup.
„Die Linke öffnet sich für Engagierte, für Aktive aus den sozialen
Bewegungen und der Zivilgesellschaft“, sagte Wissler bei der Präsentation
der beiden Parteilosen. Die Kandidatur von Rackete und Trabert sei „ein
Zeichen dafür, dass wir soziale Gerechtigkeit und Klimagerechtigkeit
verbinden, dass wir die Verteididung der Menschenrechte gegen die extreme
Rechte und eine aktive Sozialpolitik für gute Arbeit zusammenbringen“. Wenn
die Zeiten rauer werden, dann müssten linke Kräfte näher zusammenrücken.
Die Partei wolle zeigen, dass sie „Teil eines linken Pols der Hoffnung“
sei, „der größer ist als sie selbst“.
## Rackete kommt nach Klärung des „Richtungsstreits“
Die [2][35-jährige Carola Rackete] wurde international bekannt, als sie
2019 als Kapitänin des Seenotrettungsboots „Sea-Watch 3“ mit 53 aus Libyen
stammenden Flüchtlingen gegen den Willen der italienischen Behörden den
Hafen von Lampedusa anlief. Dafür wurde sie kurzzeitig festgenommen und
unter Hausarrest gestellt, sämtliche Ermittlungsverfahren gegen sie wurden
letztlich jedoch eingestellt. Auch bei zahlreichen Aktionen der
Klimabewegung war sie dabei. Zuletzt war die Naturschutzökologin mit einem
Forschungsprojekt über Finnwale in der Antarktis unterwegs. Bei ihrer
Vorstellung bezeichnete sie die Klimakrise als „Ergebnis kapitalistischer
Misswirtschaft und Ausbeutung“ und als größte Gerechtigkeitskrise der Welt.
Sie sehe ihre Kandidatur für den Linken-Landesverband Sachsen als Chance,
die sozialen und ökologischen Bewegungen zu befördern, sagte Rackete
weiter. Grundlage für ihre Entscheidung sei dabei auch gewesen, dass der
Parteivorstand der Linken begonnen habe, „den wichtigsten Richtungsstreit
zu klären“ und die Partei neu aufstellen wolle – womit sie auf die
Beschlüsse [3][für eine Zeit ohne Sahra Wagenknecht] und ihre
Anhänger:innenschaft anspielte.
Der 67-jährige Gerhard Trabert ist Professor für Sozialmedizin der
Hochschule Rhein-Main. Mit seinem ganz praktischen Einsatz für sozial
Benachteiligte hat er sich einen Namen gemacht. Seit Jahrzehnten kümmert er
sich um die Gesundheitsversorgung von Obdachlosen und Geflüchteten. Trabert
versteht sich als Fürsprecher der Menschen, die zu wenig gehört werden.
2022 nominierte ihn die Linkspartei für das Bundespräsidentenamt. Bei der
Wahl kam er in der Bundesversammlung auf 96 Stimmen, [4][obwohl die Linke]
nur 71 Delegierte stellte. Trabert nannte vor allem die große Zahl von
Armen und Obdachlosen in der Europäischen Union als Motivation zur
Kandidatur. Er wolle denen etwas entgegensetzen, „die einfach so weit weg
von der Lebensrealität vieler Menschen sind“.
## „Adresse für alle“
Rackete soll auf Platz 2 und Trabert auf Platz 4 der Europawahlliste der
Linkspartei kandidieren. Spitzenkandidat soll der Parteivorsitzende Martin
Schirdewan werden, der bereits als Linken-Fraktionschef im EU-Parlament
sitzt. Für den Platz 3 schlägt der Parteivorstand die Europaabgeordnete
Özlem Demirel vor. Das Spitzenquartett muss allerdings noch offiziell im
September vom Bundesausschuss nominiert und auf dem Parteitag im November
gewählt werden.
Die ersten Reaktionen aus der Linken sprechen allerdings dafür, dass der
Quartett-Vorschlag gute Aussichten auf eine breite Mehrheit haben dürfte.
Seine Partei würde „mit einem starken Team“ zur Europawahl antreten,
twitterte Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch zustimmend. Und der
sächsische Landtagsfraktionschef Rico Gebhardt schrieb, die Linke wäre mit
dem „Klammerbeutel gepudert“, wenn sie das Angebot von Rackete und Trabert
nicht annehmen würde. Er freue sich jedenfalls persönlich darüber.
Die kommende Europawahl wird die zehnte direkte Wahl zum Europäischen
Parlament sein. Sie findet laut einem europäischen Beschluss vom 6. bis 9.
Juni 2024 in den Mitgliedsstaaten statt. Die Linkspartei ist derzeit mit 5
Abgeordneten im EU-Parlament vertreten. Bei der Wahl 2019 landete sie bei
5,5 Prozent. In den Umfragen steht sie bundesweit konstant zwischen 4 und 5
Prozent.
Mit ihrem Kandidat:innenvorschlag wolle die Linke zeigen, dass sie
„die Adresse für alle“ sei, „die eine gerechtere EU wollen, die sich
wünschen, dass soziale Gerechtigkeit, Demokratie, Menschenrechte und Klima
im Vorwärtsgang verteidigt werden“, sagte Parteichefin Wissler.
17 Jul 2023
## LINKS
[1] /Spitzenkandidatin-der-Linken/!5948281
[2] /Carola-Rackete-zu-Klimaprotesten/!5916426
[3] /Krise-bei-der-Linkspartei/!5938538
[4] /Krise-der-Linkspartei/!5928190
## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
Europawahl
IG
Carola Rackete
Die Linke
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Klimaschutzziele
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