| # taz.de -- Recherche AfD-Fraktion im Bundestag: Ein Scharnier nach ganz, ganz … | |
| > Mitarbeiter aus dem konservativen Milieu machen bei der AfD-Fraktion im | |
| > Bundestag gemeinsame Sache mit Rechtsradikalen. | |
| Bild: Von rechts nach rechts: Alle an einem Tisch | |
| Es scheint ihm gefallen zu haben, an diesem lauen Juniabend im vergangenen | |
| Jahr. Auf den Fotos, die er am nächsten Tag ins Internet stellt, sieht man | |
| feiernde Menschen unter einem klaren, dunkelblauen Berliner Nachthimmel: | |
| das Sommerfest der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, „mit tollen Kollegen“ und | |
| Kanzlerin. Später ergänzt er: „Es war mir ein Fest.“ | |
| Das hört sich nicht nach „Merkel muss weg“ an. Und doch hat der | |
| Bundestagsmitarbeiter den Job gewechselt. Statt für die Union arbeitet er | |
| jetzt für die AfD-Fraktion im Bundestag. „Das war eine Entscheidung aus | |
| Überzeugung“, sagt er. „Ich will eine demokratische Erneuerung.“ | |
| Der Mann, der früher in der Medienbranche arbeitete, möchte nicht, dass | |
| sein Name in der Zeitung steht. Er ist bei Weitem nicht der Einzige, der | |
| von den „Altparteien“, wie die AfD sie abschätzig nennt, zur | |
| AfD-Bundestagsfraktion gefunden hat. Die meisten kommen aus der Union, der | |
| FDP oder dem Umfeld der drei Parteien, haben mithilfe von parteinahen | |
| Stiftungen studiert oder bei ihnen gearbeitet, haben sich im konservativen | |
| Milieu engagiert wie im Forum Deutscher Katholiken oder den | |
| Vertriebenenverbänden – wo es von jeher Ausfransungen nach rechts gibt. | |
| Aber auch einige ehemalige Sozialdemokraten sind dabei, außerdem ein | |
| Ex-Pirat, der vor fünf Jahren in den Bundestag wollte, und eine ehemalige | |
| Mitarbeiterin der Linkspartei. Sie arbeitet jetzt für AfD-Fraktionschef | |
| Alexander Gauland. | |
| Wer sich bei der AfD im Bundestag umsieht, kann aber auch auf Männer wie | |
| Eric Weber treffen, einen umtriebigen Schweizer Rechtsextremisten. Als | |
| Weber 2016 auf einer Wahlparty der baden-württembergischen AfD auftauchte, | |
| distanzierte sich die Partei danach noch vom angeblich ungeladenen Gast. | |
| Jetzt arbeitet Weber für den bayerischen Abgeordneten Petr Bystron, der | |
| selbst wegen seiner Begeisterung für die rechtsextreme Identitäre Bewegung | |
| (IB) vor seinem Einzug in den Bundestag vom Verfassungsschutz beobachtet | |
| worden ist. Weber hat eine lange Geschichte in der extremen Rechten, er hat | |
| für die Theoriezeitschrift Nation und Europa geschrieben und für das | |
| NPD-Parteiblatt Deutsche Stimme. Parlamentarische Erfahrung hat er in | |
| Sachsen gesammelt: bei einem Landtagsabgeordneten der NPD. | |
| ## Man trifft sich auf dem Flur | |
| Ein anderes Beispiel: Tim Ballschuh, der auf der Landesliste Sachsen-Anhalt | |
| für den Bundestag kandidiert hatte. Ballschuh ist Mitglied in einer extrem | |
| rechten Burschenschaft, die keine Männer nichtdeutscher Herkunft aufnimmt, | |
| und steht auf einer Mitgliederliste der NPD-Nachwuchsorganisation Junge | |
| Nationaldemokraten, die der Mitteldeutschen Zeitung vorliegt. Er | |
| bestreitet, jemals dort Mitglied gewesen zu sein, gibt allerdings zu, dass | |
| er sich früher zur NPD bekannt habe. Zuletzt will er 2011 auf einer | |
| NPD-Wahlkampfveranstaltung gewesen sein. Ballschuh arbeitet für den | |
| Abgeordneten Frank Pasemann aus Sachsen-Anhalt. | |
| Weber und Ballschuh sind zwei von mindestens 27 Mitarbeitern der AfD im | |
| Bundestag mit rechtsextremem Hintergrund, diese sind in 23 der 92 | |
| Abgeordnetenbüros angestellt oder arbeiten für die Fraktion. Sie kommen aus | |
| dem Umfeld der NPD, sind IB-Aktivisten oder in rechtsextremen | |
| Burschenschaften. Zählt man Mitarbeiter mit neurechtem Hintergrund hinzu, | |
| die etwa aus dem Institut für Staatspolitik kommen oder für das Magazin | |
| Compact arbeiteten, sind es sogar 48 Mitarbeiter. Manche arbeiten seit | |
| Langem daran, ein Netzwerk zu schaffen, das von demokratischen | |
| Konservativen bis zu demokratiefeindlichen Rechtsextremisten reicht – und | |
| die Unterschiede zu verwischen. | |
| In der AfD-Fraktion machen jetzt bürgerliche Rechte mit Rechtsextremen wie | |
| Weber und Ballschuh gemeinsame Sache. [1][Man trifft sich im Büro] und auf | |
| dem Flur, beim Kopierer und an der Kaffeemaschine, arbeitet im | |
| Abgeordnetenbüro, im Arbeitskreis und in der Landesgruppe zusammen. Lernt | |
| sich kennen und vielleicht schätzen. | |
| Der Diskurs beider Gruppen hat sich längst angeglichen, so manches, was | |
| Konservative heute von sich geben, galt vor wenigen Jahren noch als extrem | |
| rechts und war tabu. Muslime sind hier wie dort zum Feindbild geworden; in | |
| der FAZ ist von „Überfremdungsangst“ zu lesen – ganz ohne | |
| Anführungsstriche; und die Vorstellung, dass man unterschiedliche Kulturen | |
| besser nicht mischt, was die Neurechten Ethnopluralismus nennen, damit es | |
| nicht so völkisch klingt, ist salonfähig geworden. Zuletzt haben prominente | |
| PublizistInnen, SchriftstellerInnen und AkademikerInnen wie Uwe Tellkamp | |
| die „Erklärung 2018“ veröffentlicht, einen kurzen Text mit hoher | |
| suggestiver Wirkung, in dem die „Wiederherstellung der rechtsstaatlichen | |
| Ordnung an den Grenzen unseres Landes“ gefordert wird. | |
| ## Abgrenzung? Fehlanzeige | |
| Die Neue Rechte hat jetzt eine Organisation, die Konservative mit | |
| völkischen Rechten verbindet. Die AfD ist dieses Scharnier. | |
| Jeder Abgeordnete hat monatlich mehr als 20.000 Euro für Personal zur | |
| Verfügung, hinzu kommen etwa 150 Fraktionsstellen. Für die radikal rechte | |
| Szene ist die AfD-Bundestagsfraktion zu einem Jobmarkt ganz neuer Dimension | |
| geworden. Von Steuermitteln finanziert können ihre Aktivisten hier ihrer | |
| politischen Arbeit nachgehen, die gut ausgebaute Infrastruktur nutzen und | |
| sie erhalten Zugang zu mitunter sensiblen Informationen. | |
| Jean-Pascal Hohm, Aktivist aus dem Umfeld der IB, war früher schon bei der | |
| AfD-Fraktion in Brandenburg angestellt. Der ehemalige Landeschef der Jungen | |
| Alternative zeigt sich gern in T-Shirts der IB und nahm an zahlreichen | |
| Aktionen teil. Er hat auch gute Kontakte zum rechtsradikalen Verein „Ein | |
| Prozent“. Erst als er im Block der rechtsextremen Ultras von Energie | |
| Cottbus gesehen wurde, schmiss die Landtagsfraktion ihn raus. Das hinderte | |
| René Springer, früher selbst AfD-Mitarbeiter im Potsdamer Landtag, nicht | |
| daran, ihn im Bundestag zu beschäftigen. | |
| Haben die konservativen und nationalliberalen Mitarbeiter der Fraktion | |
| keine Skrupel, mit Identitären und Rechtsextremen zusammenzuarbeiten? Fragt | |
| man nach, bleibt die Antwort oft aus. Einer schreibt: „Ich habe mit | |
| Rechtsextremen nichts zu tun und werde entsprechend reagieren, sollten Sie | |
| über mich in so einem Zusammenhang schreiben.“ Ein anderer antwortet: | |
| „Sogenannte Mitarbeiter, mit ,rechtsextremen Hintergrund', haben sich mir | |
| bisher noch nicht vorgestellt.“ Kommt man ins Gespräch, hört man Sätze wie: | |
| „Das ist schon so lange her, jeder verdient eine zweite Chance.“ Oder: | |
| „Leute auszuschließen ist der falsche Weg. Wir lassen uns nicht spalten.“ | |
| Abgrenzung? Fehlanzeige. Sollte es Zweifel geben – die Mitarbeiter äußern | |
| sie nicht. Wagenburgmentalität, wie man sie oft in der AfD findet. | |
| ## „Anspielung auf die faschistischen Bewegungen“ | |
| Erst gut drei Jahre ist es her, dass AfD-Gründer Bernd Lucke den | |
| Parteieintritt des neurechten Vordenkers Götz Kubitschek verhinderte. | |
| Anfang 2015 schrieb Lucke in einer Mail an die anderen Vorstandsmitglieder, | |
| „ein Narr“ sei jeder, der in Kubitscheks Einlassungen „nicht eine bewusste | |
| Anspielung auf die faschistischen Bewegungen der 20er und 30er Jahre | |
| sieht“. Leuten wie ihm dürfe die Partei keine Plattform geben. Der | |
| Publizist und Verleger strebe eine „Segregationspolitik“ zwischen | |
| Ausländern und Deutschen an. Das sei „völlig inkompatibel“ mit der AfD. | |
| Heute arbeitet einer der führenden Köpfe von Kubitscheks Institut, | |
| Geschäftsführer Erik Lehnert, als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Büro | |
| des AfD-Abgeordneten Harald Weyel. Fragt man diesen, sagt er, Lehnerts | |
| private und berufliche Vita habe ihn überzeugt. „Wir sprechen die gleiche | |
| Sprache.“ | |
| Auch der ehemalige Unionsmitarbeiter, der im vergangenen Sommer mit seinen | |
| Kollegen gefeiert hat, will nichts von rechtsextremen Kollegen wissen. „In | |
| der Fraktion kenne ich keinen, den ich als rechtsextrem bezeichnen würde“, | |
| sagt er. Zählt man Namen auf, beginnt er, über Burschenschaften und IB zu | |
| diskutieren und sie herunterzuspielen. Und die NPD? „Das sind Ausnahmen.“ | |
| Aktualisierung: Das Büro des AfD-Abgeordneten Petr Bryston hat uns kurz | |
| nach Veröffentlichung des Textes darauf hingewiesen, dass Eric Weber nicht | |
| mehr dort arbeite. Es gebe einen Auflösungsvertrag, der bereits Ende | |
| Februar von beiden Seiten unterschrieben worden sei. Wann der | |
| Arbeitsvertrag ausläuft, wurde nicht mitgeteilt, auch zu den Gründen für | |
| die Trennung gab es keine Angaben. Bystron selbst will sich öffentlich zu | |
| Weber nicht äußern. Die Fragen, die die taz ihm zukommen ließ, ließ er | |
| unbeantwortet. Im Telefonverzeichnis des Bundestages war Weber zu diesem | |
| Zeitpunkt aber noch als Mitarbeiter von Bystron mit eigener Durchwahl | |
| aufgeführt. Seit dem 24.4.2018 ist das nicht mehr der Fall. | |
| 14 Apr 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sabine am Orde | |
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