# taz.de -- Debatte Netzwerk AfD: Der braune Schwamm | |
> Die AfD im Bundestag zieht Rechte aus allen Milieus an. Das wird von | |
> ExpertInnen und auch vom Verfassungsschutz unterschätzt. | |
Bild: Wenn es um die AfD geht, fliegen die Begriffe oft durcheinander. Politikw… | |
Der Einzug der Alternative für Deutschland (AfD) in den Bundestag war eine | |
Zäsur: Rechts von der Union konnte sich jahrzehntelang keine Partei | |
etablieren. Seit 2017 existiert nun eine Fraktion, in der mit völkischen | |
Vokabeln jongliert und offener Rassismus, Nationalismus und Antifeminismus | |
integraler Bestandteil der programmatischen Ausrichtung sind. Eine Zäsur | |
mit Ansage – denn bereits seit der Gründung der Partei ist ein | |
Annäherungsprozess verschiedener rechter Spektren an die AfD zu beobachten. | |
Spätestens mit dem Einzug der Partei in die Landesparlamente ist die | |
Verschmelzung der Milieus offensichtlich, die Parteiarbeit zum Beispiel für | |
rechte Burschenschafter ein willkommenes neues Betätigungsfeld. Auch | |
gelegentliche Parteiausschluss-Versuche oder formale Kooperationsverbote in | |
der Vergangenheit können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die AfD | |
unterschiedlichsten AkteurInnen der extremen Rechten ein kuscheliges Nest | |
bietet – und nun, als MitarbeiterInnen der Landtagsabgeordneten und der | |
Fraktion, auch ein finanzielles Auskommen und berufliche Reputation: Eben | |
noch geächteter Aktivist der rechten „Identitären“, nun freier Zugang zum | |
Bundestag mit Hausausweis. | |
Derweil stellen die Leiter der Verfassungsschutzbehörden fest: „Auch im | |
Falle der AfD werden offene Indizien wie Aktivitäten, Aussagen oder | |
potenzielle Zusammenarbeit mit extremistischen Gruppierungen gesichtet und | |
bewertet, ob es sich um Einzelmeinungen oder um eine parteipolitische Linie | |
handelt. Derzeit sind keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte | |
ersichtlich, die eine Beobachtung der AfD als Partei durch den | |
Verfassungsschutzverbund begründen würden.“ Auch | |
PolitikwissenschaftlerInnen tun sich bis heute schwer, die AfD und ihre | |
AkteurInnen politisch einzuordnen. Sind sie nun liberal-, | |
nationalkonservativ oder rechtspopulistisch? | |
Fakt ist, dass unter den Mitgliedern und jetzt den neuen MitarbeiterInnen | |
extreme Rechte aller Couleur vertreten sind, von Exmitgliedern der | |
„Heimattreuen deutschen Jugend“ (HDJ) bis zur Identitären-Bewegung. Ein | |
Sammelbecken für Rechte war die AfD schon vorher, jetzt ist sie auch eine | |
Jobbörse. Die Bundestagsfraktion wirkt wie ein brauner Schwamm, der Rechte | |
aus allen Milieus absaugt – vom rechten Flügel der Union bis zu völkischen | |
Neonazis. Und aus allen Milieus heißt eben auch, dass nun sogar diejenigen | |
dabei sind, die vorher verstreut und möglichst unauffällig in | |
Consultingfirmen, in Redaktionen, den Büros der „etablierten Parteien“ oder | |
bei der Bundeswehr waren. | |
Was werden sie wohl tun? Das, was sie immer getan haben, nur (besser) | |
bezahlt: Jetzt haben sie als MitarbeiterInnen der AfD zu Hunderten die | |
Möglichkeit, hauptberuflich jeden Tag rund um die Uhr rechte Politik zu | |
machen – und nun, ohne ihre Gesinnung aus Rücksicht auf Arbeitgeber oder | |
aus Angst vor Nachteilen verstecken zu müssen. In den Wahlkreisen, den | |
Berliner Büros und in den Fraktionsbüros sitzen nun die AktivistInnen der | |
„Jungen Alternative“, rechte Burschenschafter und neurechte PublizistInnen, | |
politische Irrlichter und OrganisatorInnen rechtspopulistischer | |
Demonstrationen. Sie können ihre jeweiligen „Kompetenzen“ einbringen und | |
ihren Einfluss geltend machen. Sie verfügen über Millionen Euro aus | |
Steuergeldern, haben Zugang zu exklusiven Informationen und können die | |
Bühne der medialen Öffentlichkeit nutzen, um ihre Propaganda zu verbreiten | |
und die Grenzen des Sag- und Machbaren immer weiter und weiter nach rechts | |
zu verschieben. | |
Der Extremismusexperte Eckhard Jesse schrieb 2016: „[D]as Aufkommen einer | |
Partei wie der Alternative für Deutschland […] ist ein Zeichen der | |
Normalisierung, keines der Gefahr, wie es mitunter alarmistisch heißt.“ Das | |
kann man natürlich so sehen: Man wird unter den AkteurInnen der AfD immer | |
welche finden, die moderat konservativ oder einfach nur ein bisschen | |
patriotisch sind. Und nur weil sich immer wieder in Einzelfällen zeigt, | |
dass antisemitisches, geschichstrevisionistisches, rassistisches, zutiefst | |
menschenverachtendes Gedankengut zum Standardrepertoire ihrer Mitglieder | |
zählt, muss das nicht heißen, dass die AfD eine extrem rechte Partei ist. | |
Man kann – und sollte – aber auch zu dem Schluss kommen, dass sich alles, | |
was rechts ist, in der AfD versammelt, und dass die Partei damit auch das | |
legale Deckmäntelchen für die extreme Rechte ist. Ob nationalkonservativ, | |
rechtspopulistisch, völkisch, identitär, ultrarechts – nichts von dem | |
beschreibt die AfD in Gänze. Aber alle diese Strömungen kommen, so wie die | |
Partei aufgestellt ist, in ihr vor. | |
Weiter kann man festhalten, dass jeder Rehabilitierungsversuch seitens des | |
Verfassungsschutzes, der Extremismusforschung oder der Medien eine | |
Verharmlosung der politischen Absichten dieser AkteurInnen darstellt. Und | |
dass diese Verschleierung allen einen Gefallen tut, die bislang | |
Berührungsängste mit der AfD haben. | |
Die Auswahl ihres Personals für die Bundestagsfraktion und die örtlichen | |
Abgeordnetenbüros der AfD wird ihre Wirkung entfalten und die Partei prägen | |
– in Ausschüssen, in Kontrollgremien, in Beiräten, in parlamentarischen | |
Reden und Anfragen, aber auch in Talkshows und Expertenrunden oder vor Ort | |
in den Kommunen werden wir ihrer Ideologie, ihrem Vokabular und ihrem Hass | |
begegnen. Die Grenzen zwischen den Milieus der Rechten werden weiter | |
erodieren und noch weitere Rechte mit unterschiedlichsten Biografien | |
ermuntern, aus ihren Nischen zu kriechen. Die AfD wird sie sicher mit | |
offenen Armen empfangen. | |
Lesen Sie mehr zum Netzwerk AfD unter [1][taz.de/netzwerkafd] | |
19 Apr 2018 | |
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## AUTOREN | |
Nina Juliane Rink | |
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