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# taz.de -- Claudia Roth über AfD-Mitarbeiter: „Ich will wissen, wer hier ar…
> Die AfD beschäftigt Mitarbeiter mit Kontakten ins rechtsextreme Milieu.
> Sie darf diese Verbindungen nicht verheimlichen, sagt
> Bundestagsvizepräsidentin Roth.
Bild: Die taz, „der Rechte Rand“ und das antifaschistische Archiv apabiz ha…
taz: Frau Roth, die AfD drängt darauf, dass die Identität ihrer Mitarbeiter
nicht öffentlich bekannt wird. Zu Recht?
Claudia Roth: Der Bundestag ist keine geschlossene, klandestine
Veranstaltung. Wir leben in einer lebendigen Demokratie. Die Kuppel auf dem
ehemaligen Reichstagsgebäude steht nicht ohne Grund für Transparenz.
Nachdem kürzlich Medien über rechtsextreme Hintergründe der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berichtet haben, hat die AfD verlangt,
dass es nicht mal mehr ein internes Telefonverzeichnis geben soll.
Natürlich gelten auch für die Mitarbeitenden der AfD alle
Persönlichkeitsrechte, und die müssen geschützt werden. Trotzdem gibt es
eine Notwendigkeit zu wissen: Wer arbeitet hier, wer bewegt sich hier, wer
ist in den Ausschüssen? Die aktuellen Regelungen verbinden beides. Das kann
gern so bleiben.
Warum konkret ist das wichtig?
Der politische wie strafrechtliche Hintergrund der Mitarbeitenden ist
natürlich von Bedeutung. Es ist ja nicht so, dass die keine inhaltliche
Funktion hätten. Sie bereiten Anträge vor, betreiben Recherche, setzen
politische Impulse, vernetzen sich, leisten die Kleinstarbeit in den
Ausschüssen. Da ist es sehr wichtig zu wissen, um wen es sich handelt, aus
welchem Umfeld sie stammen, welche Interessen hier eine Rolle spielen. Das
gilt für mich ja auch.
Für Sie?
Ja. Es wird ja geradezu mit dem Röntgenapparat geschaut, auf welcher Demo
ich war. Und wenn Leute von Greenpeace zu mir kommen oder von Amnesty, darf
das ruhig jeder erfahren. Zu einem Politiker gehört eben ein bestimmter
inhaltlicher Background. Bei mir wissen die Menschen, welcher das ist. Und
ich will auch von den anderen wissen, wer da kommt.
Wenn Mitglieder rechtsnationaler Burschenschaften herkommen, in denen
Frauen gar nicht zugelassen sind, dann frage ich mich: Was bedeutet das für
die Genderpolitik? Was heißt es für die politische Debatte, wenn Besucher
aus der Burg von Götz Kubitschek im Bundestag ein- und ausgehen? Und wenn
nun offenbar ein Komplize des terrorverdächtigen Bundeswehrsoldaten Franco
A, auf dessen „Zielliste“ auch mein Name stand, für die AfD im Bundestag
arbeiten soll – was bedeutet das für mich persönlich?
Welche Anträge der AfD trugen denn bislang eine extrem rechte Handschrift?
Die jüngste Anfrage zu Menschen mit Behinderung beispielsweise ist absolut
menschenverachtend. Die Lebenshilfe hat zurecht darauf reagiert und betont,
die Sprache erinnere sie an die Art, mit der die Nazis das angeblich
„unwerte Leben“ beschrieben haben. Solche Wortmeldungen müssen wir ernst
nehmen. Und dann will ich eben wissen: Welche Gruppen und welche Interessen
stecken dahinter? Da sind wir auskunftspflichtig als Institution, als
Bundestag. Zumal die Lebenshilfe mit ihrer Warnung ja nicht allein dasteht.
Wer denn noch?
Auch der Zentralrat der Juden und der Verband der Sinti und Roma aus Bayern
haben mir gegenüber Befürchtungen ausgedrückt und konkret auf Anträge im
Bundestag hingewiesen. Sie haben gesagt: Die Sprache der Antragstexte macht
vielen Menschen Angst, sie fühlen sich bedroht. Und dann will ich eine
politische Einordnung haben können, zu der nicht nur die Abgeordneten
gehören, sondern auch die Mitarbeitenden.
Dieser Bundestag ist ein geschichtsträchtiger Ort. Es war eine sehr
bewusste Entscheidung, in das Gebäude des ehemaligen Reichstags mit all
seiner Geschichte zu gehen. Ich empfange hier viele internationale
Delegationen. Die sind immer sehr neugierig darauf, wie wir mit unserer
Geschichte umgehen. Wir zeigen durch Sprache, Beschlüsse und Anmutung, was
Erinnerungskultur ist. Das lassen wir uns nicht kaputt machen, von
niemandem. Und das heißt: Es kann keinen Schlussstrich geben.
Wurde das denn konkret infrage gestellt?
Ja, wurde es. Und wenn im Deutschen Bundestag wieder das Wort „entartet“
fällt…
Wann ist das passiert?
Ein AfD-Abgeordneter hat kürzlich vom „entarteten Pass“ gesprochen. Er
meinte die doppelte Staatsbürgerschaft. Was glauben Sie, was das für
Abgeordnete, die einen doppelten Pass haben, bedeutet? Erfahrene
Kolleginnen und Kollegen sind daran leider gewöhnt. Andere nicht, für die
klingt das nach Ausbürgerung. Oder nehmen wir die erste Bundestagsdebatte
im Oktober: Nach 35 Minuten fiel der Name Hermann Göring. Und wenn Herr
Curio von der AfD sagt, die damalige Staatsministerin Özoğuz sei ein
„Musterbeispiel misslungener Integration“, dann hat sich hier etwas
verändert.
Die AfD argumentiert, dass genau das eben ihre parlamentarische Arbeit ist.
Das heißt nicht, dass wir alles unwidersprochen hinnehmen müssen. Ein
Abgeordneter hat kürzlich behauptet, der Versailler Vertrag – der ja die
Machtergreifung der Nazis erheblich begünstigt hat – sei Deutschland
billiger gekommen als die Römer Verträge zur Gründung der EU. Ich habe
präsidiert und war froh, als ein Kollege von der CDU sehr deutlich reagiert
hat. Kommt dann der Shitstorm von rechts, müssen wir das eben aushalten.
Natürlich sind Rede- und Meinungsfreiheit höchste Güter, denen sind wir
verpflichtet. Aber wenn die Meinungsfreiheit in Hass und Hetze umschlägt,
dann gibt es die Pflicht der Widerrede. Das macht unsere Demokratie aus.
Wer sich exponiert äußert, soll sich dann auch nicht beklagen, wenn es
entsprechenden Widerspruch gibt.
Was heißt das konkret für das Bundestagspräsidium?
Meine Aufgabe ist es, alles dafür zu tun, das die Meinungsfreiheit
geschützt ist, sie zugleich aber nicht missbraucht wird. Im Bundestag soll
gestritten und gerungen werden, aber es gibt Grenzen. Wer die
Meinungsfreiheit nutzt, um eine Gesellschaftsidee zu formulieren, nach der
es diese Grundfreiheiten gar nicht mehr geben soll, muss mit Widerspruch
rechnen.
Sie lehnen die Forderung nach einer Abschaffung des Telefonverzeichnisses
auch mit Verweis auf Sicherheitsbedürfnisse der anderen Mitarbeiter ab.
Warum?
Ich leite die Mitarbeiterkommission des Ältestenrats. Da kommt nun zur
Sprache, dass sich andere Beschäftigte fragen: Muss ich jetzt Angst haben,
wenn hier Menschen aus dem Pegida-Spektrum sind, mit denen es etwa in
Dresden auch physische Konfrontationen gab?
Wenn ich höre, dass die AfD ihr Personal zum Teil aus dem Umfeld der
Identitären Bewegung rekrutiert, obwohl diese an vielen Orten in diesem
Land auch Abgeordnete wie mich persönlich angreift – dann möchte ich
wissen, wer hier arbeitet. Und ich muss auch die Sorgen ernst nehmen, wenn
ich von zunehmend sexistischen Bemerkungen gegenüber Mitarbeiterinnen
verschiedener Fraktionen erfahre.
Gibt es für solche Fälle nicht längst klare Regeln?
Ja, und auf deren Einhaltung müssen wir achten. Aber es sind auch neue
Fragen aufgetaucht. Was würde zum Beispiel passieren, wenn die Polizei
sagt, dass aus Sicherheitsgründen kein Hausausweis ausgestellt werden soll,
es gleichwohl aber ein Beschäftigungsverhältnis mit einem Abgeordneten
geben kann?
Was ist mit der Möglichkeit eines Zugriffs auf vertrauliche Informationen
durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Bewegungen, die vom
Verfassungsschutz beobachtet werden? Und wer hat hier Zugang als Gast? Wir
alle müssen uns an die Regeln halten, die nicht ohne Grund existieren. Und
mehr Transparenz über unsere Arbeit herstellen.
Wie soll das gehen?
Ich finde beispielsweise, dass die Ausschusssitzungen endlich öffentlich
gemacht werden sollten, was Ausnahmen ja nicht ausschließt. Wir brauchen da
die gleiche Transparenz wie im Plenum oder im Europaparlament. In der
Demokratie braucht sich niemand zu verstecken. Alle sollen sehen können,
wer in den Ausschüssen wirklich um Kompromisse und konstruktive Politik
ringt – und wer sich stattdessen auf Provokationen im Plenum konzentriert.
Wirkt es nicht seltsam, wenn jetzt, nachdem die AfD eingezogen ist,
plötzlich neue Maßnahmen erwogen werden?
Die Forderung nach öffentlichen Ausschusssitzungen erheben wir ja nicht
erst jetzt. Von einer AfD-Sonderregelung kann hier also keine Rede sein.
Vielmehr sollten wir die bestehenden Regeln umsetzen, die Rechte aller –
auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AfD – einhalten und
gleichzeitig Sicherheit garantieren. Da stehen wir vor neuen
Herausforderungen. Ein Mitarbeiter etwa hat bei der Vereidigung von Angela
Merkel auf der Empore ein Transparent hochgehalten, auf dem „Merkel muss
weg“ stand. Das ist neu. Und nicht erlaubt.
Was haben Sie da gemacht?
Der Vorfall ist in den Ältestenrat eingebracht und unter anderem an die
Mitarbeiterkommission verwiesen worden. Wir haben nun empfohlen, ein Verbot
zumindest für den Plenarbereich auszusprechen. Keine Sonderbehandlung also,
nur die Anwendung bestehender Regeln. Neu ist es trotzdem.
Wir haben uns hier noch vor Kurzem darüber unterhalten, ob es zur Würde des
Hauses gehört, dass die Schriftführer zwingend Krawatten tragen müssen.
Heute haben wir eine ganz andere Fragestellung. Wie verteidigen wir die
Würde des Hauses, wenn wir einen Ausschussvorsitzenden haben, der Kanzlerin
Merkel als „Nutte“ bezeichnet? Daran arbeiten wir. Demokratisch, aber
resolut.
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## AUTOREN
Christian Jakob
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