| # taz.de -- Rechercheprojekt Netzwerk AfD: 300 rechte Helfer im Bundestag | |
| > Mehr als 300 Mitarbeiter hat die AfD eingestellt. Neonazis und | |
| > Bürgerliche arbeiten gemeinsam in den Büros der Fraktion. | |
| Bild: Welche rechten Netzwerke profitieren vom Bundestagseinzug der Partei? | |
| Es klingt fast wie ein Witz: Wo treffen sich ein vorbestrafter | |
| Rechtsextremer, eine Immobilienmaklerin, ein Reservist der Bundeswehr und | |
| ein ehemaliger Landtagskandidat der FDP? Antwort: In den Büros der | |
| Bundestagsfraktion der AfD. | |
| Gut 300 Menschen hat die größte Oppositionsfraktion im Bundestag nach | |
| Informationen der taz bislang angestellt, persönliche Mitarbeiter der | |
| Abgeordneten in Berlin und in den Wahlkreisbüros sowie Angestellte der | |
| Fraktion zusammengerechnet. Sie haben eine wichtige Rolle: Sie schreiben | |
| Kleine Anfragen, Gesetzesentwürfe und Reden, sie machen die Pressearbeit, | |
| sie betreuen die social-media-Präsenz der Abgeordneten. | |
| Durch den Einzug der AfD ins Parlament ist ein Stellenpool entstanden, der | |
| eine doppelte Funktion erfüllt: Rechte Gruppen und Netzwerke haben nun ihre | |
| eigenen Vertreter im Bundestag. Die Mitarbeiter der AfD werden nicht nur | |
| aus öffentlichen Mitteln bezahlt, sondern haben mitunter auch Zugriff auf | |
| sensible Informationen, etwa Verschlusssachen aus nachrichtendienstlichen | |
| Erkenntnissen. Dies kann Vorgänge des Verfassungsschutzes betreffen – zum | |
| Beispiel aus der Beobachtung von Links- oder Rechtsextremen. | |
| Gleichzeitig profitiert die AfD davon, als Arbeitgeber im großen Stil zu | |
| fungieren: Über ihre Mitarbeiter, darunter ehemalige Politiker anderer | |
| Parteien, [1][Medien- oder Wirtschaftsleute] verschafft sie sich Zugang zu | |
| neuen Milieus. Das Personal verbindet Rechtspopulisten und den Rest der | |
| Gesellschaft. | |
| Informationsbeschaffung ist eine der wichtigsten Aufgaben der Fraktionen. | |
| Informationen über sich selbst preisgeben will die AfD-Fraktion indes kaum. | |
| Während andere Abgeordnete Bilder von sich und ihren Mitarbeitern auf ihre | |
| Webseite stellen, gehen nur sehr wenige AfDler offen mit ihrem Pesonal um. | |
| Fragt man in der Pressestelle nach, viele Mitarbeiter die AfD im Bundestag | |
| inzwischen eingestellt hat, heißt es: „Dazu werden wir uns nicht äußern.“ | |
| Verpflichtet ist die AfD dazu nicht – im Bundestag zu arbeiten, ist kein | |
| politisches Amt. Der Eindruck, dass es hier etwas zu verheimlichen gibt, | |
| entsteht trotzdem. | |
| ## Einschlägige Vergangenheit | |
| Kein Wunder: Dass die AfD auch Angehörige und Sympathisanten rechtsextremer | |
| Gruppen in den Bundestag holt, ist keine Frage von Einzelfällen, wie die | |
| taz-Recherche zeigt. Über die Mitarbeiter gibt es Verbindungen nicht nur zu | |
| zentralen Organisationen wie der NPD, sondern in nahezu das gesamte | |
| Spektrum der extremen Rechten in Deutschland: Vereine und Zeitschriften, | |
| Burschenschaften und Splitterparteien. Diese Verbindungen findet man | |
| überall, keineswegs nur bei den als rechtsoffen bekannten Abgeordneten. Aus | |
| 23 der 92 Abgeordnetenbüros gibt es Verbindungen zu extrem rechten | |
| Parteien, Think-Tanks, Medien, Burschenschaften oder anderen | |
| Organisationen. | |
| Auch wenn die AfD in den letzten Jahren immer weiter nach rechts gerückt | |
| ist, versucht sie immer noch, nach außen hin Verbindungen zu einschlägigen | |
| Gruppen und Personen zu leugnen. Wie wenig belastbar diese Abgrenzung ist, | |
| zeigt der Blick in die Büros: Auch Personen aus dem engen Umfeld der | |
| rechtsextremen Identitären Bewegung kommen für die Abgeordneten offenbar | |
| ohne Weiteres als Mitarbeiter in Frage. Dabei hat die AfD im Juni 2016 | |
| offiziell einen Unvereinbarkeitsbeschluss dazu getroffen: Es gebe keine | |
| Zusammenarbeit mit der Identitären Bewegung. | |
| In Bezug auf die sogenannte Neue Rechte, eine völkische Theorieschule, | |
| zeigt die Recherche: Ihre Netzwerke sind dichter und vielfältiger, als es | |
| die mediale Konzentration auf das Rittergut-Leben des neurechten Vordenkers | |
| Götz Kubitschek suggeriert. Zeitungen, Blogs und Vereine sowie Kundgebungen | |
| und Demonstrationen bilden ein vielschichtiges Netz, das bis weit in die | |
| AfD-Fraktion hineinreicht und dort als Bindeglied zwischen extremer Rechter | |
| und Rechtspopulismus fungiert. Mindestens 55 Verbindungen bestehen zwischen | |
| der Fraktion und insgesamt 23 Organisationen der Neuen Rechten. Die Büros | |
| der AfD werden so zu einem weiteren Ort, an dem rechte Allianzen | |
| geschmiedet werden können: Personen mit Verbindungen in ein einschlägig | |
| neonazistisches Spektrum treffen auf Vordenker der neuen Rechten und | |
| umgekehrt. Und das alles steuerfinanziert. | |
| Noch etwas fällt auf: Es sind auch Abgeordnete des moderateren Teils der | |
| Partei, wie Jochen Haug und Uwe Witt aus Nordrhein-Westfalen, die | |
| Mitarbeiter aus der extremen oder Neuen Rechten beschäftigen. Das ist ein | |
| Hinweis darauf, dass die Einteilung der AfD in eine besonders rechte und | |
| eher moderate Strömungen immer brüchiger wird. | |
| ## Mitarbeiter als Scharnier | |
| Doch in den Büros der AfD-Abgeordneten fallen nicht nur die Grenzen | |
| zwischen klassischen Neonazis und neuer Rechter. Die AfD, das zeigt die | |
| Recherche deutlich, ist alles andere als gesellschaftlich isoliert. | |
| Besonders eng sind die Verbindungen ins konservative Milieu: Langjährige | |
| Mitglieder und Funktionäre der CDU haben offenbar ebenso wenig ein Problem | |
| damit, für die AfD zu arbeiten, wie Angehörige konservativer Vereine und | |
| Stiftungen vom Forum Deutscher Katholiken bis zum Bund der Vertriebenen. | |
| Burschenschaften, deren Bedeutung in Deutschland – etwa im Vergleich mit | |
| Österreich – oft als gering eingeschätzt wird, sind für die AfD offenbar | |
| ein wichtiges Rekrutierungsfeld: In mindestens 36 Fällen gibt es | |
| Verbindungen zu insgesamt 30 Burschenschaften, darunter harmlosere wie die | |
| Berliner Sängerschaft Borussia, aber auch vom Verfassungsschutz als | |
| rechtsextrem eingestufte Burschenschaften wie die Danubia München. | |
| Vereinzelt finden sich deutlich überraschendere Allianzen: Personen aus | |
| NGOs und Stiftungen, Bildungseinrichtungen und Kulturbetrieben sind | |
| ebenfalls unter den Mitarbeitern. Noch ist die AfD hier offenbar wenig | |
| vernetzt. Durch die Einstellung von Personen aus diesen Bereichen kann sich | |
| das ändern. | |
| Beim Blick auf die Verbindungen in Wissenschaft und Wirtschaft zeigt sich, | |
| dass nicht mehr viel übrig geblieben ist von der neoliberalen | |
| Professorenpartei des AfD-Gründers Bernd Lucke. Nur vereinzelt tauchen | |
| Mitarbeiter mit einem universitären Hintergrund auf. Und wenn, dann kommen | |
| sie eher aus dem Mittelbau als von den Lehrstühlen. Verbindungen zu | |
| Großkonzernen gibt es ebenfalls nur vereinzelt, eher dominieren die | |
| „selbstständigen Unternehmensberater“, bei denen so manche Firmenwebsite | |
| einen etwas aufgeblasenen Eindruck macht. | |
| Ehemalige Soldaten finden sich unter den Abgeordneten selbst wie auch unter | |
| den Mitarbeitern, auch zur Polizei sowie zu privaten Sicherheitsfirmen gibt | |
| es Verbindungen. Vertreten sind auch die Reservistenverbände, deren | |
| Verquickungen mit dem rechten und rechtsextremen Milieu immer wieder | |
| Schlagzeilen machen. | |
| Was die Qualifikation des Personals angeht, ist der Eindruck ebenso | |
| gemischt wie die Milieus, aus denen die Mitarbeiter kommen: Es sind | |
| Personen darunter, die bereits viele Jahre für Abgeordnete anderer Parteien | |
| gearbeitet haben. Die Mehrheit aber hat keine Erfahrung mit der Arbeit in | |
| Parlamenten. Bei zahlreichen Mitarbeitern gibt es auch wenig Hinweise auf | |
| eine besondere fachliche Qualifikation. Dass die AfD sich vor erfahrenen | |
| und qualifizierten Bewerbern kaum retten könne, wie es die Partei nach der | |
| Wahl suggerierte, kann die Recherche nicht belegen. Zumal auch heute nach | |
| taz-Informationen noch mehr als 100 Stellen unbesetzt sind, mehr als ein | |
| halbes Jahr nach der Wahl. | |
| Die AfD ist, auch beim Blick auf die Mitarbeiter, eine Männerpartei: Frauen | |
| sind in der Unterzahl, und unter ihnen finden sich weit weniger mit | |
| politischer Vorerfahrung oder einem schillernden Hintergrund als bei den | |
| Männern – ein Hinweis darauf, dass diese eher für die klassische Rolle der | |
| Sekretärin angestellt sein könnten als aufgrund ihres Netzwerks. | |
| Für die Mitglieder der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative bedeutet | |
| der Bundestagseinzug der Mutterpartei in vielen Fällen ein | |
| Karrieresprungbrett – sie dürfen sich jetzt über einen Job in Berlin | |
| freuen. Der Berliner Landesvorstand der Jungen Alternative etwa findet sich | |
| heute fast komplett in den Abgeordnetenbüros wieder. Diese meist sehr | |
| jungen Angestellten bringen Kontakte zu rechtsextremen Burschenschaften und | |
| Organisationen wie der Identitären Bewegung mit. Wenn hier die nächste | |
| Generation an AfD-Politikern heranwächst, dürfen sich rechtsextreme | |
| Organisationen über gute Kontakte in den Bundestag freuen. | |
| Die Mitarbeiter der AfD bilden zusammen mit den Abgeordneten ein Netzwerk, | |
| in dem verbunden wird, was offiziell nicht zusammen gehört: Rechtsextreme | |
| und konservatives Milieu, etablierte Parteien und Rechtspopulisten, | |
| Türsteher und Immobilienmakler. Davon profitiert nicht nur die extreme | |
| Rechte, sondern auch die AfD selbst, die nach dem Einzug in fast alle | |
| deutschen Parlamente in weitere gesellschaftliche Milieus vordringen will. | |
| So sollen neue Wählerschichten und Koalitionspartner erschlossen werden – | |
| will die AfD eines Tages tatsächlich regieren, ist das von zentraler | |
| Bedeutung. Die vielfältigen Verbindungen ihrer Mitarbeiter dürften dafür | |
| äußerst hilfreich sein. | |
| 13 Apr 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Malene Gürgen | |
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