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# taz.de -- Verhältnis der AfD zu den Medien: Fake News aus dem Bundestag
> Die AfD nutzt die Medien, untergräbt ihre Glaubwürdigkeit und arbeitet am
> Aufbau einer rechten Öffentlichkeit.
Bild: Die Partei ist in den sozialen Medien enorm präsent
Berlin taz | Der 7. April war ein guter Tag für Leif-Erik Holm. Stolz
twitterte er: „BILD, Tagesschau und Co. berichten heute über meine Anfrage
zum ‚Sponsoring‘ der Bundesregierung bei Facebook.“ Holm ist
stellvertretender Vorsitzender der AfD-Fraktion im Bundestag, doch das
spielte in der allgemeinen Wahrnehmung seiner Anfrage keine Rolle: Mehrere
Medien berichteten, sachlich und nüchtern – für Holm ein Grund zur Freude.
Verantwortlich für diesen medialen Erfolg sind Mitarbeiter der AfD wie
Henning Hoffgaard, Büroleiter von Holm. Er war Redakteur der
rechtspopulistischen Wochenzeitung Junge Freiheit, bevor er erst in die
AfD-Landtagsfraktion Mecklenburg-Vorpommern und anschließend zu Holm ins
Büro wechselte. Nun arbeitet er an der Vermarktung der AfD, und das
erfolgreich: Die Positionen von Holm, selbst ehemaliger Radiomoderator,
werden von etablierten Medien gerne aufgenommen.
Der NDR lässt Holm zur Wiederwahl Putins zu Wort kommen. Die Welt
berichtet, wie Holm Außenminister Heiko Maas im Bundestag zur türkischen
Bombardierung der syrische Stadt Afrin befragt. Und der Bayerische Rundfunk
zitiert Holm zum Dieselgate.
Das Beispiel Holm zeigt eine Verschiebung der Bedeutung der AfD in der
öffentlichen Wahrnehmung. Immer öfter gelingt es ihr, sich als eine Stimme
von vielen in den politischen Diskurs einzubringen, zu Sachfragen zitiert
zu werden, als wäre sie eine Partei wie jede andere. Wer sich das Personal
der AfD-Bundestagsfraktion genauer anschaut, ahnt, wie die Partei das
schafft: Es gibt darunter nicht nur viele PR-Profis, sondern auch Menschen
mit eigener journalistischer Erfahrung, die als freie oder fest angestellte
Mitarbeiter für verschiedene Medien gearbeitet haben – für Lokalzeitungen
und Lokalfernsehen, Magazine und Internetblogs, aber auch für große
überregionale Tageszeitungen.
Viele der 92 AfD-Abgeordneten im Bundestag haben mindestens eine Person in
ihrem Team, die journalistische Erfahrung hat und künftig für Pressearbeit
und Social Media zuständig sein soll. Eine Person, die weiß, wie eine
Redaktion funktioniert, wann Zeitungen Redaktionsschluss haben, wie man
einen Facebook-Eintrag oder ein Zitat formuliert und lanciert, damit es in
den Medien auftaucht.
Denn die mediale Vermarktung ist für die AfD, die vom Populismus lebt, von
zentraler Bedeutung. Damit die Öffentlichkeitsarbeit der Partei in Zukunft
noch besser läuft, baut die Fraktion gerade ihre Pressestelle aus.
„Newsroom“ nennt sie das selbst. Er soll rund um die Uhr besetzt sein und
sogar ein eigenes TV-Studio beinhalten.
## Die Pressestelle wird ausgebaut
Bis zu 25 Personen sollen für die Pressearbeit eingestellt werden, sagt
Peter Felser, ebenfalls stellvertretender Fraktionsvorsitzender der AfD,
gegenüber der taz. Die Hälfte davon werde in dem „Newsroom“ arbeiten. Man
befinde sich derzeit in einer Testphase und koordiniere „Nachrichtenlage,
Pressearbeit und Informationen der sozialen Medien so, dass wir mit
stringenten und abgestimmten Botschaften nach draußen gehen können“, so
Felser.
Was die AfD plant, ist also kein Newsroom wie die in journalistischen
Redaktionen, sondern schlicht ein PR-Büro.
Spricht man mit AfD-Politikern über dieses Vorhaben, fällt immer wieder das
Wort „Gegenöffentlichkeit“. Der Begriff, den ursprünglich linke Gruppen,
wie auch die taz, für die von ihnen hergestellten Medien benutzten, dient
nun als Zielsetzung für die AfD. Felser schreibt, früher habe es gereicht,
sich mit ProfijournalistInnen zu befassen, heute sei es „zwingend
erforderlich“, die Neuen Medien zu nutzen. Will heißen: Den klassischen
Medien vertrauen wir nicht, deswegen schaffen wir unsere eigenen.
Denn das ist die andere Seite der Strategie, die die AfD in Bezug auf die
Presse verfolgt: Sie will in den etablierten Medien Gehör finden und stellt
dafür Personen ein, die wissen, wie seriöser Journalismus funktioniert.
Gleichzeitig arbeitet sie seit Jahren daran, das Vertrauen in ebenjene
etablierten Medien zu unterhöhlen: Dass diese die Helfershelfer von Merkels
„Umvolkung“ sind, gehört spätestens seit 2015 zur zentralen Erzählung von
Pegida und AfD.
## Der Hass auf die Medien
Das bringt die Medien in eine neue und schwierige Lage: Einerseits
untergräbt die AfD ihre Glaubwürdigkeit, andererseits ist die Partei selbst
oft Gegenstand ihrer Berichterstattung.
Der Hass auf die Medien, insbesondere die öffentlich-rechtlichen, aber auch
alle anderen, wird dabei auch zum Bindeglied zwischen extrem Rechten und
bürgerlich-rechtspopulistischen Kreisen: „Lügenpresse auf die Fresse“,
schallt es seit jeher auf Neonazi-Demos, das nur leicht abgewandelte
„Lügenpresse, Lügenpresse“ ist einer der beliebtesten Sprechchöre von
Pegida & Co.
Die Hetze gegen die angebliche Lügenpresse hat auch ganz konkrete,
physische Auswirkungen – die Zahl der Angriffe auf Journalisten im Kontext
von Demonstrationen und Kundgebungen ist in den letzten Jahren stark
gestiegen. Gleichzeitig bedeutet der Vertrauensverlust für die etablierten
Medien einen wachsenden Markt für die Presseerzeugnisse der
„Gegenöffentlichkeit“, die der AfD vorschwebt: Nicht nur wimmelt es im
Internet vor verschwörungstheoretischen, neurechten Blogs mit teils
beachtlicher Reichweite. Auch am Bahnhofskiosk kann der interessierte
Leser aus einer breiten Palette neurechter Angebote wählen – die rechte
Nachrichtenblase muss weder digital noch analog verlassen werden.
Mit diesen „Neuen Medien“, wie der AfD-Mann Peter Felser sie scheinbar
politisch neutral bezeichnet, ist die Bundestagsfraktion über ihre
Mitarbeiter ebenfalls bestens vernetzt. Mindestens 41 Verbindungen, so
zeigt es die taz-Recherche, bestehen zwischen den Büros der Abgeordneten
und Medien der neuen Rechten, die Verbindungen zu den althergebrachten
rechtsextremen Medien, wie etwa dem Presseorgan der NPD, der Deutschen
Stimme, kommen noch dazu.
## Die Mitarbeiter der AfD-Fraktion
Neben Henning Hoffgaard beschäftigt die AfD-Fraktion weitere Mitarbeiter
der Jungen Freiheit. Zu mindestens sieben Abgeordnetenbüros bestehen
Verbindungen, dazu kommen die Mitarbeiter der Fraktion: Der Historiker
Michael Kurt Paulwitz etwa, der in Stuttgart ein Büro für Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit betreibt und nun als Pressereferent für die
AfD-Fraktion arbeitet, schreibt seit 17 Jahren für das Blatt.
Doch die Medienkontakte der Mitarbeiter der AfD-Abgeordneten reichen noch
weiter in andere Publikationen hinein, wie in das rechte Magazin Compact
und die rechtslibertäre Monatszeitung eigentümlich frei.
Das Compact-Magazin um Jürgen Elsässer ist schon seit Langem ein Forum für
AfD-Politiker. Wie eng das Magazin und die Partei miteinander verbandelt
sind, zeigt sich schon an ihrem Slogan. Beide werben mit „Mut zur
Wahrheit“.
Für ihren Mitarbeiterstab hat die AfD nun auch Compact-Mitarbeiter
rekrutiert. Die Moderatorin des Fernsehmagazins „Die Woche Compact“, Katrin
Nolte, arbeitet für den hessischen Abgeordneten Martin Hohmann. Sie ist mit
dem hessischen AfD-Politiker Jan Nolte verheiratet, verwendet im Netz aber
noch ihren alten Namen Ziske. In der Sendung spricht sie vor allem über
„Asylanten“, die Antifa, über „Patrioten“ und „Kampagnen gegen Moska…
Lutz Bachmann, den unter anderem wegen Volksverhetzung verurteilten
Pegida-Mitbegründer, nennt sie einen „Bürgerrechtler“. Ihre Videos haben
mehrere Zehntausende Klicks bei YouTube. So finden neue Medien und die
rechte „Gegenöffentlichkeit“ zusammen. Die AfD ist regelmäßiger Gast in
ihrer Sendung. Auch in den Büros anderer Abgeordneter, etwa bei Frank
Pasemann oder Martin Reichardt, finden sich enge Verbindungen zu Compact.
## Eingekaufte Medienkompetenz
Eine der prominentesten Personalien im AfD-Team mit Verbindungen zu diesem
Magazin ist Michael Klonovsky. Er war viele Jahre Redakteur des Focus,
wurde dann Spindoktor von Frauke Petry und ist heute Referent des
Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland. Im Juni 2016 schrieb Klonovsky in
Compact, „jeder, der die unkontrollierte Masseneinwanderung nicht
besiegheilbrüllt“, werde als „Dunkeldeutscher zum multimedialen
Angegröltwerden freigegeben“. Bereits während seiner Zeit beim Focus hetzte
er gegen politische Korrektheit anderer Medien.
Neben Compact und seinem eigenen Blog Acta diurna publiziert Klonovsky auch
im Magazin eigentümlich.frei, einer wichtigen Stimme der Neuen Rechten. Aus
deren Autorenschaft sind ebenfalls einige in die AfD-Büros gewechselt.
Michael Limburg, Mitarbeiter des Abgeordneten Karsten Hilse, schreibt dort
regelmäßig über die „Klimapropaganda“ der klassischen Medien, der
Historiker Gérard Bökenkamp aus dem Büro von Beatrix von Storch berichtet
über Trump, Außenpolitik und Migration. Bökenkamp ist außerdem
Chefredakteur des Autorengemeinschaftblogs freiewelt.net, das von Beatrix
von Storch und ihrem Mann mit initiiert wurde.
Die taz-Recherche zeigt: Mit den öffentlichen Geldern, die der Fraktion
dank des Einzugs in den Bundestag zustehen – jeder AfD-Abgeordnete verfügt
über ein Personalbudget von rund 20.000 Euro im Monat, dazu kommen die
Mittel für die Fraktion –, kauft sich die AfD einerseits Medienkompetenz
ein, die ihr dabei hilft, ihre Botschaften in den etablierten Medien zu
platzieren. Zwar scheint es hier noch Luft nach oben zu geben: Geeignetes
Personal für den „Newsroom“ zu finden, so erzählen AfDler hinter
vorgehaltener Hand, sei gar nicht so einfach; dennoch trägt diese Strategie
bereits Früchte und hilft der Partei dabei, ihre Normalisierung
voranzutreiben.
Gleichzeitig sorgt die Fraktion mit ihrer Einstellungspraxis dafür, dass
das Netz zwischen der AfD und den rechten Medien immer enger wird. Zusammen
mit der enormen Präsenz der Partei in den sozialen Medien entsteht ein
Diskursraum, der in sich geschlossen und weitgehend abgekoppelt
funktioniert.
Dass diese Strategie funktionieren kann, haben andere vorgemacht: In den
USA hat die Kombination aus Medien- und Elitenhass mit einer aufgeheizten
Gegenöffentlichkeit von rechts außen und konsequentem Social-Media-Einsatz
Donald Trump schließlich ins Weiße Haus gebracht. Kein Wunder, dass sich
die AfD-Chefin Alice Weidel kürzlich mit Trumps früherem Chefstrategen
Steve Bannon getroffen hat. Thema: Bannons Erfahrungen mit politischer
Kommunikation und „alternativen Medien“.
12 Apr 2018
## AUTOREN
Anne Fromm
Andreas Speit
Malene Gürgen
## TAGS
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt AfD
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Schwerpunkt Pressefreiheit
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Rechercheprojekt: Das Netzwerk AfD
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apabiz haben die Hintergründe der AfD-Mitarbeiter und Abgeordneten
recherchiert.
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