# taz.de -- Proteste für Frauenrechte in Iran: Wer hat Angst vom freien Kopf? | |
> In Iran protestieren Frauen gegen die Zwangsverschleierung als | |
> Unterdrückungswerkzeug. Die Linke sollte nicht zögern, ihr Anliegen zu | |
> unterstützen. | |
Bild: Auch in Istanbul protestieren Frauen gegen die Zwangsverschleierung in Ir… | |
Was Frau auf dem Kopf trägt oder nicht trägt, sagt wenig darüber aus, was | |
in ihrem Kopf vor sich geht. Es gibt Frauen, die verhüllen sich aus | |
religiösen Gründen, und es gibt Frauen, die es aus sozialem Druck und | |
Konventionen tun. Manche Frauen sehen in ihrem Kopftuch ein Zeichen der | |
Selbstbestimmung, manche tragen es, um sich zu schützen. Ich kenne Frauen | |
in Deutschland, die Jobs verloren, weil sie sich für das Kopftuch | |
entschieden haben. Es gibt Frauen in der Türkei, die geächtet werden, wenn | |
sie ihr Kopftuch abnehmen. | |
All diese Bedeutungen und Positionen zum Kopftuch existieren, es gibt noch | |
unzählige mehr. Und wir können diese Vielfalt von Bedeutungen anerkennen | |
und trotzdem feststellen: Die gesetzliche Zwangsverschleierung in Iran ist | |
ein totalitäres Werkzeug der Unterdrückung. Und zwar nur eines von vielen. | |
Seit dem [1][Tod der 22-jährigen Mahsa Zhina Amini] vergangene Woche | |
brennen Kopftücher auf den Straßen in Iran. Und dieser Anblick sollte | |
unabhängig von den vielen anderen Bedeutungen dieses Stoffes als das | |
wahrgenommen werden, was es in diesem Kontext ist: [2][ein Akt des | |
feministischen Widerstandes]. Amini wurde von der sogenannten | |
Religionspolizei festgenommen und gefoltert, weil sie ihr Kopftuch nicht | |
„ordnungsgemäß“ trug. Möglicherweise waren einige Haarsträhnen zu sehen. | |
Nach drei Tagen im Koma starb die junge Frau, höchstwahrscheinlich an den | |
Folgen ihrer Misshandlung. | |
Täglich protestieren seitdem Frauen und Männer in Iran gegen das | |
Mullah-Regime, wohl wissend dass sie dafür verhaftet und im schlimmsten | |
Fall mit dem Leben bezahlen werden. Neben dem großen Aufstand in der | |
Hauptstadt Teheran, kommt es vor allem in den kurdischen Städten im Westen | |
seit gut einer Woche zu unzähligen Protesten, die von der Polizei brutal | |
niedergeschlagen und auch -geschossen werden. Laut der | |
Menschenrechtsorganisation Hengaw sind allein in Kurdistan bis Donnerstag | |
[3][mindestens acht Protestierende von iranischen Sicherheitskräften | |
getötet worden], darunter zwei Teenager im Alter von 15 und 16 Jahren. Die | |
Regierung legte gleichzeitig das Internet lahm und sperrte das letzte in | |
Iran frei zugängliche soziale Netzwerk Instagram, um die Bevölkerung von | |
der Außenwelt sowie untereinander zu isolieren. Die Menschen gehen dennoch | |
weiter auf die Straße. | |
## Linke müssen dem Aufstand beistehen | |
Die 22-jährige Amini selbst, die am 13. September in Teheran festgenommen | |
wurde, war gerade zu Besuch bei Verwandten. Eigentlich stammte sie aus der | |
kurdischen Stadt Saqqez und trug den kurdischen Namen Zhina. Auf dem Papier | |
hieß sie Mahsa, da iranische Behörden kurdische Namen nicht anerkennen. | |
Auch das ist ein Werkzeug der staatlichen Unterdrückung, bekannt auch aus | |
der Türkei. | |
Aus der Vergangenheit sollten wir wissen, wie brutal die Islamische | |
Republik Proteste niederschlägt und so ist es existenziell, dass wir uns | |
mit diesem Volksaufstand solidarisieren, dass wir ihn nicht in | |
Vergessenheit geraten lassen, und zwar gerade als Linke. Denn ja, es macht | |
einen Unterschied, ob ein Kopftuch in den Straßen Dresdens brennt oder in | |
Kurdistan. Es macht einen Unterschied, ob Rechte diesen Aufstand | |
instrumentalisieren oder Linke ihm beistehen und Gehör verschaffen. | |
Bedauerlicherweise stelle ich aber fest, wie zögerlich gerade viele | |
vermeintliche Genoss_innen sind, wenn es um die Verurteilung von | |
Gräueltaten eines islamistischen Regimes geht. Das Menschen tötet, weil sie | |
für ganz elementare Menschenrechte demonstrieren. Das eine Institution | |
allein dafür gründet, das Aussehen und Leben von Frauen zu maßregeln, im | |
Zweifelsfall unter Anwendung von Folter. Das Minderheiten systematisch | |
verfolgt, weil sie für ihre Selbstbestimmung einstehen. Wie emanzipatorisch | |
kann sich eine Linke nennen, die bei alldem wegsieht? | |
23 Sep 2022 | |
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## AUTOREN | |
Fatma Aydemir | |
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