Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Reaktion auf die Proteste in Iran: Sanfter Druck aus der Ferne
> Nach der Gewalt gegen Demonstrierende in Iran bestellt Außenministerin
> Baerbock den Botschafter ein. Menschenrechtsvereine fordern einen
> Abschiebestopp.
Bild: Proteste vor der iranischen Botschaft am Samstag in Berlin
Berlin taz | Die Bundesregierung will angesichts der gewaltsamen
Niederschlagung der [1][Proteste in Iran] den Druck auf das dortige Regime
erhöhen. Am Montag nannte ein Sprecher von Außenministerin Annalena
Baerbock (Grüne) das Vorgehen gegen Demonstrierende mit mehreren Toten
einen „Angriff auf die Menschheit“. Bei möglichen Sanktionen durch die
Europäische Union prüfe die Regierung „alle Optionen“, um die Situation in
Iran aus der Ferne zu entschärfen.
Baerbock selbst bestellte am Montagnachmittag den iranischen Botschafter
Mahmoud Farazandeh zu einem Gespräch ins Auswärtige Amt ein. „Wir werden im
EU-Kreis jetzt sehr schnell über weitere Konsequenzen sprechen müssen, dazu
gehören für mich auch Sanktionen gegen Verantwortliche“, sagte die
Grünen-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. „Der Versuch, jetzt
friedliche Proteste mit noch mehr tödlicher Gewalt zu unterdrücken, darf
nicht unbeantwortet bleiben.“ [2][Frauenrechte seien „der Gradmesser für
den Zustand einer Gesellschaft“], so Baerbock. „Wenn in einem Land Frauen
nicht sicher sind, ist niemand sicher.“
Die Proteste in Iran, angeführt von zahlreichen Frauen, begannen nach dem
Tod einer jungen Kurdin vor einer Woche. Die 22-jährige Mahsa Amini wurde
von der iranischen Sittenpolizei wegen eines Verstoßes gegen die strenge
islamische Kleiderordnung verhaftet. Kurz darauf fiel sie ins Koma und
starb in einem Krankenhaus. Was genau in der Haft mit ihr geschah, ist nach
wie vor unklar.
## Versprechen von feministischer Außenpolitik
Als Reaktion auf den Tod der jungen Frau forderte Baerbock bereits am Rande
der UN-Vollversammlung in New York eine Aufklärung des Falls vor dem
Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen. Die Frauen in Iran müssten
„gehört werden, denn diese Frauen fordern Rechte ein, die allen Menschen
zustehen“.
Kritiker:innen hingegen sprechen angesichts dieser Aussagen von einer
Verallgemeinerung des Problems und fordern von Baerbock die bei Amtsantritt
versprochene feministische Außenpolitik. „Das Schweigen führender
Mitglieder der Bundesregierung zum Leiden vieler mutiger Frauen in Iran
steht im Widerspruch zu den Lippenbekenntnissen der Ampelregierung“, sagte
Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag.
Die Vorsitzende der Linken, Janine Wissler, sprach sich dafür aus,
„Menschen, denen in Iran Misshandlungen oder der Tod drohen und die davor
fliehen“, in Deutschland Schutz und Asyl zu geben. Gleichzeitig müsse die
Bundesregierung Abschiebungen in den Iran stoppen.
Erst vor wenigen Tagen wurde laut Pro Asyl die Abschiebung eines iranischen
Mannes, der sich bereits am Frankfurter Flughafen befand, in letzter
Sekunde aufgrund einer Neubewertung des Falls abgebrochen. Das beweise
jedoch, dass iranische Staatsangehörige bis zuletzt noch in Abschiebehaft
genommen wurden, heißt es aus der Organisation. Auf taz-Nachfrage, ob
derzeit Abschiebungen aus Deutschland in den Iran stattfinden, antwortete
das Bundesinnenministerium (BMI), die Entscheidung über die Vergabe von
Asyl liege beim Bundesamt für Migration und Flucht. Sie „ergeht nach
sorgfältiger Prüfung im Einzelfall und unterliegt keiner Weisung durch das
BMI“.
## 28 Abschiebungen in den Iran
Die rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, Wiebke Judith, sagte der taz,
die Situation in Iran sei „derzeit derart unübersichtlich, dass wir nicht
wissen, was aus Deutschland Abgeschobenen dort droht“. Frauen in Iran
werden seit Jahrzehnten unterdrückt, genauso wie Regimekritiker:innen,
queere Menschen und zum Christentum Konvertierte.
Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der Bundesregierung 28 Personen in
den Iran abgeschoben. Gleichzeitig hatten über 3.600 Menschen aus dem Iran
einen Antrag auf Asyl in Deutschland gestellt. In knapp 1.200 Fällen wurde
der Antrag bewilligt, der Großteil der Verfahren läuft noch. In diesem Jahr
wurden laut Bundesinnenministerium bis einschließlich August etwas mehr als
ein Drittel der Asylanträge von iranischen Staatsangehörigen abgelehnt.
Am Wochenende fanden in mehreren deutschen Städten Demonstrationen aus
Solidarität mit den Protesten in Iran statt. In Berlin, Leipzig, Frankfurt
am Main, Stuttgart und Düsseldorf gingen teils mehrere hundert Menschen auf
die Straße. Den größten Zulauf hatte eine Demonstration in Hamburg, an der
mehr als tausend Personen teilnahmen.
26 Sep 2022
## LINKS
[1] /Proteste-fuer-Frauenrechte-in-Iran/!5883553
[2] /Frauenrechte-in-Iran/!5879321
## AUTOREN
Aaron Wörz
## TAGS
Annalena Baerbock
Schwerpunkt Iran
Kopftuch
Außenpolitik
Frauenrechte
Proteste in Iran
GNS
Schwerpunkt Iran
Schwerpunkt Iran
Schwerpunkt Iran
Linke Sammlungsbewegung
## ARTIKEL ZUM THEMA
Christ*innen in Iran: Haft und Peitschenhiebe
In Iran geraten Christ*innen immer mehr unter Druck des Regimes. Eine
Konvertierung zum Christentum wird als politischer Angriff angesehen.
Frauenrechte im Iran: Protest mit kurdischem Antlitz
Im gesamten Iran demonstrieren Menschen für mehr Frauenrechte. Dabei spielt
auch die Diskriminierung von Kurd:innen eine große Rolle.
Anhaltende Proteste in Iran: Aufstände im ganzen Land
Die Demonstrationen gegen die Regierung in Iran gehen unvermindert weiter.
Videos zeigen jubelnde Demonstrant:innen und schießende Polizei.
Proteste für Frauenrechte in Iran: Wer hat Angst vom freien Kopf?
In Iran protestieren Frauen gegen die Zwangsverschleierung als
Unterdrückungswerkzeug. Die Linke sollte nicht zögern, ihr Anliegen zu
unterstützen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.