# taz.de -- Positionspapier des Umweltbundesamtes: Bloß keine Auto-Wut | |
> Verkehr muss klimafreundlicher werden, das zeigt auch ein Papier des UBA. | |
> Die unangenehme Wahrheit aussprechen möchte in der Politik kaum jemand. | |
Bild: Dort muss es deutlich teurer werden, doch sagen will das lieber niemand | |
Eigentlich war es eine gute Nachricht, die das Umweltbundesamt (UBA) im | |
September hätte verkünden können: Auch im Verkehrssektor, wo die Emissionen | |
im Vergleich zu 1990 nicht gefallen, sondern sogar gestiegen sind, können | |
die geplanten Klimaziele erreicht werden, hatten die Expert*innen aus | |
Deutschlands oberster Umweltbehörde berechnet. | |
Doch verbreiten durften sie die frohe Botschaft im Sommer nicht, die | |
[1][sie nun in einem Positionspapier veröffentlicht haben]. Das | |
Bundesumweltministerium, dem das UBA untersteht, untersagte die | |
Veröffentlichung. Als offiziellen Grund nennt ein Sprecher des von Svenja | |
Schulze (SPD) geführten Ministeriums die Vereinbarung der Regierung, dass | |
jedes Ministerium für seinen eigenen Bereich Vorschläge vorlegen sollte – | |
für den Verkehrssektor wäre also CSU-Minister Andreas Scheuer zuständig | |
gewesen. Vorschläge des Umweltbundesamts im Verkehrsbereich „hätten dieser | |
Verabredung widersprochen“. | |
Dass das Umweltministerium die Vorschläge der eigenen Behörde nur aus | |
diesem formalen Grund zurückgehalten haben will, überrascht allerdings. | |
Denn ihr Ministerium trägt nun einmal die Hauptverantwortung für die | |
deutschen Klimaschutzziele. Und an anderer Stelle – etwa beim | |
[2][Glyphosat-Streit] mit dem Landwirtschaftsministerium – hat sich die | |
Umweltministerin durchaus mit Nachdruck in Themenbereiche eingemischt, für | |
die primär andere Ressorts zuständig sind. | |
## Es braucht eine deutliche Erhöhung der Mineralölsteuer | |
Der wahre Grund für die Zurückhaltung dürfte ein anderer sein: Auch in der | |
SPD haben viele kein großes Bedürfnis, sich zu sehr mit den | |
Autofahrer*innen anzulegen. Denn die beantworten jede Einschränkung ihrer | |
als Grundrechte empfundenen Privilegien mit scharfem Protest. Da kann es | |
ganz gelegen kommen, wenn für diese Zumutungen ein CSU-Minister | |
verantwortlich ist. | |
Und dass den Autofahrenden einiges zugemutet werden muss, um die Klimaziele | |
im Verkehrssektor zu erreichen, daran lassen die Expert*innen aus dem | |
Umweltbundesamt keinen Zweifel. Von derzeit 162 Millionen Tonnen CO2 pro | |
Jahr sollen die Emissionen im Verkehrssektor bis 2030 auf 95 bis 98 | |
Millionen Tonnen sinken. Die bereits auf EU-Ebene beschlossenen niedrigeren | |
Verbrauchsvorgaben für Pkws und Lkws, auf die Scheuer stets verweist, | |
bringen davon nur 10 Millionen Tonnen. | |
Den größten Effekt hätte eine deutliche Erhöhung der Mineralölsteuer: Bis | |
2030 muss sie laut UBA um etwa 60 Cent pro Liter steigen, was einem Preis | |
von 205 Euro pro Tonne CO2 entspricht. Die Bundesregierung hat in ihrem | |
Klimapaket aber aus Angst vor der Auto-Wut zum Einstieg ganze 10 Euro pro | |
Tonne beschlossen, was den Liter Treibstoff zunächst nur um 3 Cent | |
verteuert. Von der geforderten Bonus-Malus-Regelung, die dreckige Autos | |
teurer und saubere billiger machen würde, hat sich die Groko nur an den | |
Bonus getraut und auf den Malus verzichtet – was die Maßnahme sowohl teuer | |
als auch weniger effektiv macht. Die Entfernungspauschale, die das UBA | |
abschaffen will, um weites Pendeln nicht mehr zu belohnen, wurde im Rahmen | |
des Klimapakets stattdessen erhöht. Und die Abschaffung der steuerlichen | |
Förderung großer Dienstwagen war innerhalb der Bundesregierung ebenso | |
chancenlos w[3][ie ein Tempolimit von 120 Kilometern pro Stunde.] | |
## Tempolimit 130 statt 100 fordern die Grünen | |
Doch mit dieser Rücksichtnahme auf die Befindlichkeiten der Auto-Fraktion | |
kann die Regierung ihr Klimaziel vergessen, meint das UBA. „Nach unseren | |
Abschätzungen bleibt mit dem derzeitigen Klimapaket eine Klimaschutzlücke | |
von 20 bis 30 Millionen Tonnen Treibhausgase im Verkehr“, sagte eine | |
Sprecherin der Behörde der taz. Erreicht würden demnach nur rund die Hälfte | |
der notwendigen Einsparungen. | |
Mit ihrer Angst vor einschneidenden Maßnahmen im Verkehrssektor sind Union | |
und SPD aber nicht allein. Auch die Grünen beantragten im Oktober im | |
Bundestag kein Tempolimit von 100, wie früher mal gefordert, oder 120, wie | |
vom UBA für nötig erachtet, sondern von 130 Kilometern pro Stunde. Und | |
gegen Diesel-Fahrverbote in den Innenstädten wehrte sich Baden-Württembergs | |
grüner Ministerpräsident und Diesel-Fahrer Winfried Kretschmann genauso | |
intensiv wie seine Kolleg*innen aus Union und SPD. | |
Wirklich etwas ändern wird sich in der Verkehrspolitik erst, wenn die | |
Verantwortlichen einsehen, dass es ohne drastische Einschnitte schlicht | |
nicht funktionieren wird. Dass das UBA seine Berechnungen jetzt gegen | |
politische Widerstände trotzdem veröffentlicht hat, kann dazu einen Beitrag | |
leisten. Noch wichtiger ist es aber, dass die Politik endlich zur Kenntnis | |
nimmt, dass eine breite Mehrheit die Klimakrise mittlerweile als | |
wichtigstes politisches Problem sieht – und die radikalen „Freie Fahrt für | |
freie Bürger“-Autofahrer eine Minderheit sind. Hilfreich wäre es dabei, | |
wenn die Mehrheit sich künftig genauso laut zu Wort meldet. | |
5 Dec 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/kein-grund-zur-luecke | |
[2] /Diskussion-um-Unkrautvernichter/!5621964 | |
[3] /Kommentar-Tempolimit-in-Deutschland/!5565175 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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