| # taz.de -- Obdachlose in der Corona-Krise: Ein Schutzraum für jeden | |
| > Damit Menschen jetzt nicht auf der Straße schlafen, sammeln Hamburger | |
| > Geld für Hotels. In Hannover gibt es Spenden schon, aber die Stadt ziert | |
| > sich. | |
| Bild: Lebenszeichen auf der Hamburger Veddel: Habseligkeiten eines Menschen, de… | |
| Hamburg/Hannover taz | Für Obdachlose wird es gefährlich. Der Winter kommt, | |
| die ersten Nächte sind schon kalt, und das Virus wütet. Da wendet sich der | |
| FC St. Pauli mit einem Appell an seine Fans. Auch rund um sein Stadion | |
| machten Menschen „Platte“. Sie bräuchten eine warme Unterbringung. „Desh… | |
| rufen wir alle St. Paulianer*innen auf, für Hotelübernachtungen für | |
| Obdachlose zu spenden.“ | |
| Das wirkt wie ein Déjà-vu. Erst im März während des Lockdowns warben | |
| [1][Hamburger Obdachloseninitiativen für dieses Anliegen]. Und damals | |
| klappte es. Durch eine Großspende der Zigarettenfirma Reemtsma und weitere | |
| Wohltäter kamen knapp 450.000 Euro zusammen. Davon wurden [2][in den | |
| Monaten April, Mai und Juni für 170 Obdachlose Zimmer in Hotels gemietet], | |
| für 32 Euro die Nacht. | |
| Das Projekt war erfolgreich, wie die Träger Caritas, Diakonie und das | |
| Obdachlosenmagazin Hinz & Kunzt [3][zum Ende berichteten]. Die Betroffenen | |
| seien zur Ruhe gekommen. „Es ist erstaunlich, wie schnell sich Menschen | |
| stabilisieren, wenn sie ein selbstbestimmtes Leben führen“, sagt Hinz & | |
| Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer. | |
| Nun, da der Teil-Lockdown gilt und es kalt wird, liegt auf der Hand, dass | |
| die Stadt die Hotels anmietet. Das fordert [4][neben der Linken sogar die | |
| Hamburger CDU]. „Wir müssen jetzt dringend Alte und Kranke schützen, so wie | |
| im Frühjahr“, sagt Sozialpolitiker Andreas Grutzek. Das sei aber in den | |
| Unterbringungen nicht möglich, weil es dort zu wenig Einzelzimmer gibt. Und | |
| Hotels stünden in weiten Teilen wegen Corona leer. | |
| ## Sozialbehörde setzt auf zentrale Unterkünfte | |
| „Wir haben einen Coronawinter vor uns. Da ist es wichtig, hoch vulneralbe | |
| Personen zu schützen“, sagt auch Dirk Hauer, Fachbereichsleiter der | |
| Hamburger Diakonie. Er kenne keinen Obdachlosen, der gesund ist, ergänzt | |
| Karrenbauer. Er sieht in der Hotelunterbringung noch einen Vorteil. Das | |
| wäre für die Hotelwirtschaft „die beste Wirtschaftsförderung“. | |
| Die Hamburger Sozialbehörde [5][startete gerade erst ihr | |
| „Winternotprogramm“] mit rund 800 Plätzen, setzt aber weiter auf zentrale | |
| Unterkünfte. Zwar gibt es nun einen dritten Standort, um eine „lockere | |
| Belegung“ zu ermöglichen, doch die Regel sind Zwei- und Dreibettzimmer. | |
| Privatsphäre, ein Zimmer für sich, bekommen Obdachlose nur, wenn ein | |
| Arztattest oder eine Stellungnahme des Gesundheitsamtes vorliegt. Es müsse | |
| deutlich werden, dass ein Einzelzimmer „für die Genesung einer psychisch | |
| kranken Person unabdingbar ist“, sagt Behördensprecher Martin Helfrich. | |
| Sollte die Stadt kein Zimmer haben, könnte es ein Hotel sein. | |
| „Die Regeln sind sehr restriktiv“, sagt Hauer. „Die Erfahrung des Projekts | |
| vom Frühjahr zeigt, dass es Hotelunterbringung viel häufiger geben muss.“ | |
| Nicht nur der FC St. Pauli sammelt Geld für die Obdachlosen. „Es gibt viele | |
| kleine Initiativen, das könnte bis Weihnachten eine richtige Bewegung | |
| werden“, sagt Karrenbauer. Und ein Großspender ist in Hamburg wieder dabei. | |
| „Reemtsma plant, die Obdachlosenhilfe auch im Winter fortzuführen“, sagt | |
| Sprecherin Doreen Neuendorf zur taz. „Wir sehen, dass Hilfe für obdachlose | |
| Menschen jetzt in der kalten Jahreszeit mehr denn je benötigt wird.“ | |
| ## Schutz im Naturfreunde-Haus | |
| In Hannover steht man vor dem gleichen Problem wie Hamburg. Dort hatte die | |
| Stadt während des Lockdowns im April rund 100 Obdachlose in einer ohnehin | |
| leer stehenden Jugendherberge in Ein- und Zweibettzimmern untergebracht. | |
| Dort wurde die Hauruck-Aktion von Stadt, Region und Land finanziert, die | |
| Betreuung übernahmen Sozialarbeiter*innen von Diakonie und Caritas. | |
| Auch diese Maßnahme entpuppte sich als ungeahnt erfolgreich: Weil die | |
| Menschen zur Ruhe kamen und sich neu orientieren konnten, gelang es viel | |
| besser als zuvor, sie in die Hilfssysteme einzuschleusen und neue | |
| Perspektiven zu entwickeln, so berichteten es die Sozialarbeiter*innen. | |
| Schon in den ersten drei Monaten fanden mehr als 30 von ihnen eine | |
| dauerhafte Unterkunft, ein paar sogar einen Job. Als der Mietvertrag mit | |
| der Jugendherberge auslief, regte sich deshalb zum ersten Mal Protest. Die | |
| Stadt organisierte daraufhin eine Anschlussunterbringung an zwei | |
| Standorten: in einem Hotel in der Innenstadt und im Naturfreundehaus an der | |
| Eilenriede. 65 Menschen siedelten dorthin um. | |
| Als der Vertrag mit dem Naturfreundehaus dann Mitte Oktober auslief, waren | |
| noch 17 Personen übrig. [6][Wieder gab es einen Aufschrei]: Die | |
| Hilfsorganisation hatten – vor allem angesichts der Erfolgszahlen – auf | |
| Verstetigung dieses Angebots gehofft. Zudem stiegen die Infektionszahlen | |
| und der Herbst schien der falscheste Zeitpunkt, Leute auf die Straße zu | |
| setzen. | |
| Die Stadt freilich verwies darauf, dass das Projekt ja von Anfang an | |
| befristet war und auch keiner auf die Straße müsse – man habe die | |
| Notschlafstellen nun pandemiefest gemacht. | |
| Doch die Massenunterkünfte werden von den meisten Obdachlosen weiter | |
| gemieden. Die private Niedergerke-Stiftung hat nun bereits Geld gesammelt, | |
| um weiter eine Einzelunterbringung zu ermöglichen. 100.000 Euro sollen es | |
| schon sein, Tendenz weiter steigend. Über die Annahme und Verwendung einer | |
| solchen Spende muss allerdings erst der Rat der Stadt entscheiden – und das | |
| dauert. | |
| Zudem hat Hannover auch erst einmal andere Prioritäten gesetzt: Sie will | |
| eine große Tagesbetreuungsstelle in einem leer stehenden Schulzentrum | |
| einrichten, in dem 2015 Geflüchtete untergebracht waren. Viele | |
| Einrichtungen hatten nämlich beklagt, dass sie aus Infektionsschutzgründen | |
| nur noch einen Bruchteil der Menschen hereinlassen können. In dem | |
| Schulungszentrum können Menschen sich nun aufwärmen, duschen, Kleider | |
| waschen, Kaffee trinken oder essen. Nur schlafen können sie dort eben | |
| nicht. | |
| 13 Nov 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Hilfe-fuer-Hamburgs-Obdachlose/!5691018 | |
| [2] /Randgruppen-in-der-Corona-Krise/!5674817 | |
| [3] https://www.diakonie-hamburg.de/export/sites/default/.content/downloads/Fac… | |
| [4] /Hotelzimmer-fuer-Obdachlose-gefordert/!5722360 | |
| [5] /Ein-Dach-ueberm-Kopf-fuer-Obdachlose/!5719858 | |
| [6] /Obdachlose-in-Hannover/!5719964 | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
| Nadine Conti | |
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