# taz.de -- Neues Einbürgerungsgesetz: Mehr Anträge, lange Bearbeitung | |
> Bei den Behörden stapeln sich die Einbürgerungsanträge. Mit dem neuen | |
> Einbürgerungsgesetz könnte sich die Situation noch verschärfen. | |
Bild: Gibt es in Zukunft nach fünf statt acht Jahren: den deutschen Reisepass | |
BERLIN taz | Am Donnerstag tritt [1][das neue Einbürgerungsgesetz] in | |
Kraft. Demnach werden künftig [2][mehr Menschen die Möglichkeit auf | |
Einbürgerung] haben. Die Zahlen zeigen, dass schon jetzt das Interesse groß | |
ist: In den letzten Jahren ist die Zahl der Einbürgerungsanträge stetig | |
gestiegen. Das geht aus einer Umfrage des Mediendienst Integration bei den | |
45 bevölkerungsreichsten deutschen Städten hervor. | |
Während im Jahr 2022 noch knapp über 100.000 Personen einen Antrag auf | |
Einbürgerung gestellt haben, waren es 2023 über 125.000. Laut [3][dem | |
Statistischen Bundesamt] bewegte sich mit 200.100 Personen auch die Zahl | |
der Einbürgerungen [4][auf einem Rekordhoch]. Derzeit befinden sich noch | |
über 200.000 Anträge in Bearbeitung bei den Behörden. In Hamburg sind es | |
über 25.000 offene Fälle, in Berlin über 40.000. | |
Nach Angaben der Städte liegt die derzeitige Bearbeitungszeit zwischen drei | |
Monaten und drei Jahren. Gründe für die langen Wartezeiten seien die | |
Unvollständigkeit der Dokumente, die zeitraubende Zusammenarbeit mit | |
anderen Behörden und ein zunehmender Bearbeitungsstau, gaben die Städte bei | |
der Befragung an. | |
Bislang musste eine Person acht Jahre in Deutschland gelebt haben, um | |
eingebürgert werden zu können. Nach dem neuen Gesetz ist dies in der Regel | |
nun auf fünf Jahre verkürzt. Wer bestimmte Voraussetzungen, wie ein | |
bürgerliches Engagement oder besondere akademische Leistungen, vorweisen | |
kann, hat schon nach drei Jahren die Möglichkeit auf Einbürgerung. | |
Außerdem müssen Antragsteller:innen nun grundsätzlich nicht mehr ihre | |
vorherige Staatsbürgerschaft abgeben, sondern können eine doppelte | |
Staatsbürgerschaft erhalten. Dies war zuvor nur für Bürger:innen der | |
EU-Mitgliedsstaaten und einzelner Nicht-EU-Staaten möglich. | |
## Frankfurt rechnet mit doppelt so vielen Anträgen | |
Fast alle der befragten Städte gaben an, dass das Interesse an | |
Einbürgerungen im Zusammenhang mit dem neuen Gesetz stark gestiegen ist. In | |
Frankfurt am Main und Freiburg rechne man damit, dass sich die Anträge nach | |
Inkrafttreten des neuen Gesetzes mehr als verdoppeln werden, so der | |
Mediendienst. | |
Das könnte die langen Bearbeitungszeiten in den Behörden noch einmal | |
verlängern. Rechtsanwalt Mohamed El-Zaatari von der Onlineplattform „Pass | |
Experten“, die rechtliche Beratung für Antragsteller:innen anbietet, | |
sieht das problematisch. „Nach unserer Einschätzung kann die aktuelle Lage | |
in den Behörden dieser bevorstehenden Antragsflut nicht gerecht werden,“ | |
sagte er der taz. | |
Die technische und personelle Situation in den Behörden verhindere eine | |
effiziente und effektive Bearbeitung der Anträge. Um dem neuen | |
Einbürgerungsgesetz gerecht zu werden, „muss der öffentliche Dienst als | |
Arbeitgeber wieder attraktiver für ihre Beschäftigten werden“, so | |
El-Zaatari. | |
Laut den Zahlen des Mediendienst Integration kommen die meisten | |
Antragsteller:innen aus Syrien, der Irak steht an zweiter Stelle und | |
die Türkei an dritter. Besonders stark angestiegen ist die Anzahl der | |
Anträge laut den Daten in Mülheim an der Ruhr, hier um 125 Prozent, in | |
Mönchengladbach um 94 Prozent und in Lübeck um 87 Prozent. | |
Bei „Pass Experten“ sind nach eigenen Angaben seit Beginn des Jahres über | |
50.000 Anträge eingegangen. Ein Drittel von ihnen lebt schon seit 2012 oder | |
länger in Deutschland, circa ein Fünftel seit 2015. 86 Prozent der | |
Antragsteller:innen sind derzeit entweder angestellt oder | |
selbstständig. | |
## Mehr als 125.000 Menschen staatenlos | |
Neue Zahlen des Sachverständigenrats für Migration und Integration zeigen | |
zudem, dass derzeit in Deutschland über 125.000 Menschen leben, die als | |
staatenlos gelten oder eine ungeklärte Staatsangehörigkeit haben. Der | |
Verwaltungs- und Prüfaufwand sei erheblich, sagte Jan Schneider vom | |
Sachverständigenrat bei einem Pressegespräch. | |
Derzeit gebe es keinen einheitlichen Vorgang für die Feststellung einer | |
Staatenlosigkeit, auch die Zuständigkeit der einzelnen Behörden sei | |
teilweise unklar, so Schneider. Die neuen Einbürgerungsregelungen gelten | |
auch für anerkannt Staatenlose. Problematisch sei laut Schneider jedoch, | |
dass es durch die Intransparenz des Vorgangs dazu kommen kann, dass eine | |
Staatenlosigkeit in einem Bundesland anerkannt werden kann, in einem | |
anderen jedoch nicht. | |
Eine Regelung gibt es dafür im neuen Gesetz nicht. „Es sollte im | |
staatlichen Interesse sein, dass es ein systematisches | |
Feststellungsverfahren gibt“, sagte Schneider. | |
Viele Staatenlose kommen aus dem ehemaligen Jugoslawien und der ehemaligen | |
Sowjetunion und seien damals durch das Raster gefallen. Außerdem kommen | |
Staatenlose häufig aus palästinensischen Gebieten oder sind | |
Palästinenser:innen, die zuvor in Syrien oder dem Libanon gelebt haben. | |
27 Jun 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bva.bund.de/DE/Services/Buerger/Ausweis-Dokumente-Recht/Staatsa… | |
[2] /Reform-des-Staatsangehoerigkeitsrechts/!5986729 | |
[3] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/05/PD24_209_125.h… | |
[4] /Einbuergerungen-auf-Rekordhoch/!6013199 | |
## AUTOREN | |
Emma Tries | |
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