| # taz.de -- Reform des Staatsangehörigkeitsrechts: „Zugehörigkeit geht auch… | |
| > Einbürgerungen sind künftig schon nach fünf Jahren möglich. Wer | |
| > Deutsche*r wird, muss zudem seine andere Staatsbürgerschaft nicht mehr | |
| > abgeben. | |
| Bild: Reem Alabali-Radovan (SPD) ist Staatsministerin für Migration und Antira… | |
| Berlin taz | Deutschland reformiert sein Staatsangehörigkeitsrecht – das | |
| hat der Bundestag am Freitag beschlossen. Die Fraktionen der | |
| Ampel-Koalition verabschiedeten einstimmig einen Entwurf der | |
| Bundesregierung, der eine „Modernisierung der Gesetzeslage“ verspricht. Die | |
| Reform soll Einbürgerungen vereinfachen. Am Vortag hatte der Bundestag | |
| [1][außerdem Verschärfungen für Asylbewerber*innen verabschiedet]. | |
| Doppelte Staatsbürgerschaften sind künftig grundsätzlich möglich. | |
| Einbürgerungen werden schon nach fünf statt nach acht Jahren um eine | |
| Einbürgerung möglich sein, bei „besonderen Integrationsleistungen“ sogar | |
| schon nach drei Jahren. Für Angehörige der sogenannten Gast- und | |
| Vertragsarbeitergeneration soll es weitere Erleichterungen geben. | |
| Gleichzeitig werden die Anforderungen generell strenger – so fallen bislang | |
| geltende Ausnahmen von der Vorgabe, den eigenen Lebensunterhalt zu sichern, | |
| weg. Das dürfte vor allem für viele [2][Menschen mit Behinderung, die | |
| Angehörige pflegen oder alleinerziehend sind die Einbürgerung schwer bis | |
| unmöglich] machen. | |
| Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte im Vorfeld der Debatte im | |
| Bundestag, Deutschland müsse international um Fachkräfte werben und diesen | |
| eine „richtig gute Perspektive bieten“. | |
| ## „Für eine bunte und offene Gesellschaft“ | |
| Harsche Kritik am Reformvorhaben kam von der Unionsfraktion und der AfD. | |
| Abgeordnete der Ampel-Koalition stellten sich dagegen offensiv hinter die | |
| Reform – auch als deutliches Zeichen gegen [3][kürzlich vom | |
| Recherchenetzwerk Correctiv aufgedeckte Pläne] zur Vertreibung von | |
| Millionen von Menschen mit Migrationshintergrund. Das Netzwerk hatte über | |
| entsprechende Geheimtreffen berichtet, an denen auch AfD-Mitglieder | |
| teilnahmen. | |
| „Es ist wichtig, dass wir dieses Gesetz jetzt beschließen: Während diese | |
| Rassisten von der AfD ihre faschistischen Deportationspläne schmieden, | |
| stehen wir als Ampel für eine bunte und offene Gesellschaft“, sagte etwa | |
| die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram. | |
| Es sei wichtig, dass die Gesetze endlich der Lebensrealität von Millionen | |
| Menschen mit Einwanderungsgeschichte gerecht würden, sagte auch Reem | |
| Alabali-Radovan (SPD). Die Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und | |
| Integration und Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung betonte, die | |
| Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft sei anderswo schon längst | |
| normal. „Zugehörigkeit und Heimat gehen auch im Plural.“ | |
| Unter Applaus aus den Fraktionen der Ampelkoalition sagte Alabali-Radovan: | |
| „Wir, über 20 Millionen mit familiärer Einwanderungsgeschichte, wir | |
| bleiben. Das ist unser aller Land! Und wir lassen es uns nicht nehmen. ‚Nie | |
| wieder‘ ist kein Lippenbekenntnis, [4][‚Nie wieder‘, das ist jetzt!]“ | |
| ## Kritik von rechts | |
| Deutschland brauche Arbeitskräfte aus dem Ausland, tue sich wegen zu vieler | |
| Hürden aber schwer damit, diese zu gewinnen, sagte Stefan Thomae, | |
| Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion. Die geplante Reform sei | |
| ein ausgewogenes Gesetz, das für Erleichterungen auf der einen Seite und | |
| neue strenge Anforderungen und Voraussetzungen auf der anderen Seite sorge. | |
| „Uns interessiert nicht, woher jemand kommt. Uns interessiert, wohin jemand | |
| will“, so Thomae. | |
| Der CDU-Abgeordnete Alexander Throm bezeichnete das Vorhaben der Ampel als | |
| „Staatsangehörigkeitsentwertungsgesetz“. Bei der doppelten | |
| Staatsbürgerschaft fehle das „Bekenntnis zu unserem Land“. Deutsche mit | |
| zweiter Staatsbürgerschaft würden dann „Konflikte aus dem Ausland in unsere | |
| Politik hineintragen“. | |
| Dabei forderte er unterschiedliche Regeln für Eingewanderte aus | |
| „befreundeten“ Ländern, wie beispielsweise EU-Staaten und Amerika, und | |
| anderen Staaten – insbesondere der Türkei. Er warf den Regierungsfraktionen | |
| vor, sie wollten sich mit dem Gesetz „eine neue Wählerschaft generieren“. | |
| Ähnlich äußerte sich Stefan Heck (CDU): „Sie entscheiden über die | |
| Zusammensetzung des Wahlvolks.“ Der CSU-Abgeordnete Alexander Hoffmann | |
| behauptete, die Regierung würde mit dem Gesetz der AfD Vorschub leisten. | |
| Die Linken-Abgeordnete Gökay Akbulut kritisierte den Wegfall der Ausnahmen | |
| beim Lebensunterhalt. Die neu eingebrachte Härte sei „unnötig“, so Akbulu… | |
| „Wir fordern ein Einbürgerungsgesetz ohne soziale Ausgrenzung.“ | |
| Schon am Donnerstag hatte der Bundestag ebenfalls mit den Stimmen der | |
| Ampelfraktionen das [5][sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz | |
| verabschiedet]. Das Gesetz soll mehr und schnellere Abschiebungen von | |
| abgelehnten Asylbewerber*innen ermöglichen. So können Menschen künftig | |
| statt zehn Tagen bis zu vier Wochen in Abschiebegewahrsam genommen werden. | |
| ## Den einen zu wenig, den anderen zu viel | |
| Die Polizei soll bei Durchsuchungen in Gemeinschaftsunterkünften in Zukunft | |
| auch die Räume Dritter durchsuchen dürfen. Asylbewerber*innen sollen | |
| erst nach drei statt wie bisher anderthalb Jahren Zugang zu vollen Sozial- | |
| und Gesundheitsleistungen erhalten. | |
| Abgeordnete der Union kritisierten das Gesetz als wirkungslos. Der | |
| CDU-Abgeordnete Philipp Amthor nannte das Gesetz keine | |
| „Rückführungsoffensive sondern eine Rückführungsdefensive“. Die | |
| zusätzlichen Abschiebungen seien ein „Tropfen auf den heißen Stein“. | |
| Christoph de Vries (CDU) sagte, das Gesetz sei ein „Rohrkrepierer“. Er warf | |
| insbesondere der FDP vor, weder Kraft noch Willen zu haben, sich gegen die | |
| „grünen Migrationsträumereien durchzusetzen“. | |
| Der Inhalt des Gesetzes hat dabei wenig mit dem grünen Wahlprogramm gemein. | |
| tatsächlich stimmten einige grüne Abgeordnete gegen das Gesetz. Die | |
| [6][Grünen-Abgeordnete Schahina Gambir erklärte auf Instagram], die | |
| geplanten Änderungen hätten „großen Einfluss auf die Lebensrealität von | |
| Geflüchteten“. Es seien erhebliche Eingriffe in fundamentale Grundrechte. | |
| „Die damit verbunden Härten und Unsicherheiten für Geflüchtete habe ich | |
| selbst erlebt. Aus einer persönlichen Gewissensentscheidung heraus lehne | |
| ich daher das Gesetz ab.“ | |
| 19 Jan 2024 | |
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| [6] https://www.instagram.com/p/C2QMgaWtEsx/?img_index=1 | |
| ## AUTOREN | |
| Luisa Faust | |
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