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# taz.de -- Migration in Südostasien: Rohingya fliehen per Boot weiter
> Angehörige der muslimischen Minderheit aus Myanmar wurden nach
> Bangladesch vertrieben. Viele bleiben dort nicht – denn Perspektiven
> fehlen.
Bild: Ankunft in Indonesien: Rohingya-Flüchtlingsboot am vergangenen Sonntag
Bangkok taz | In mindestens fünf Booten sind in den letzten Wochen
Rohingya-Geflüchtete von Bangladesch aus nach Malaysia und Indonesien
geflohen, durch die Andamansee. Zwischen November und April ist die
Wetterlage dort dafür günstig. In Malaysia leben bereits tausende
Angehörige dieser muslimischen Ethnie aus Myanmar als illegale
Arbeitskräfte. Dort ist ihr Leben erträglicher als in den überfüllten
Lagern in Bangladesch, wo Flüchtlinge weder arbeiten noch die Camps
verlassen dürfen.
Doch werden Rohingya ohne gültige Papiere in Malaysia inzwischen inhaftiert
und Flüchtlingsboote möglichst nicht mehr ins Land gelassen. Deshalb fahren
die meisten Boatpeople jetzt direkt nach Indonesien, von wo sie in
kleineren Gruppen später versuchen, weiter nach Malaysia zu gelangen.
Auch in Indien oder gar Sri Lanka landeten aber bereits Flüchtlingsboote.
Fällt der Motor aus, treiben sie wochenlang auf See. Oft verhungern oder
verdursten die Flüchtenden dann. Ein am 26. Dezember in der indonesischen
Provinz Aceh, an der Nordspitze der Insel Sumatra, gestrandetes Boot mit
über 170 Menschen an Bord hatte nur ein winziges Notsegel, 26 Geflüchtete
waren bereits tot. Das Boot war bereits einen Monat unterwegs gewesen, der
Motor war nach zehn Tagen ausgefallen. Videos von der Landung zeigten
apathische Menschen, die entkräftet auf den Strand fallen. Ein anderes Boot
mit 180 Rohingya wird seit Dezember vermisst. Wahrscheinlich ist es
gesunken.
Zuletzt landete am Sonntag ein Holzkahn mit 184 Personen in Aceh. Das Boot,
in dem auffällig viele Frauen und Kinder waren, war direkt aus Bangladesch
gekommen, nach acht Tagen Überfahrt. „Manche scheinen Frauen und Kinder von
Männern zu sein, die es schon früher nach Malaysia geschafft hatten“,
vermutet Chris Lewa vom Arakan Project, das vom thailändischen Bangkok aus
zu Rohingya-Geflüchteten forscht.
## Zahl der Bootsflüchtlinge in einem Jahr versechsfacht
„Früher waren Boatpeople überwiegend junge Männer. Dann kamen auch Mädchen
und Frauen, die offenbar in arrangierte Ehen vermittelt wurden. Jetzt sehen
wir auch viele Mütter mit Kindern, die offenbar zu ihren Männer und Vätern
ins Ausland fliehen“, sagt Lewa, die selbst Rohingya ist, im Gespräch mit
der taz.
Das Regionalbüro des [1][UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR] in Bangkok
schätzt, dass im Jahr 2022 mehr als 2.000 Menschen die Odyssee durch die
Andamansee und den Golf von Bengalen gewagt haben. Im Jahr davor waren es
nur 300. In den letzten zwölf Monaten kamen allein knapp 500 in Indonesien
an. Fast 400 weitere – inklusive der noch Vermissten – haben die Fahrt 2022
wohl nicht überlebt. Mehrfach retteten indonesische Fischer
Rohingya-Flüchtlinge aus Seenot. Laut Lewa weigerten sich Marineschiffe aus
Malaysia oder Indien zu retten. Sie versorgten allenfalls notdürftig die
Boatpeople auf See, schickten sie dann aber weiter.
Die eine Million Rohingya, die heute im Südosten Bangladeschs bei Cox’s
Bazar [2][im weltgrößten Flüchtlingslager] und einigen kleineren Camps
leben, wurden zu verschiedenen Zeiten aus Myanmar vertrieben. 1982 verloren
im damaligen Birma die meisten Rohingya ihre Staatsangehörigkeit und
grundlegende Rechte. Sie dürfen seitdem nur noch Bengalen genannt werden,
was sie zu illegalen Einwanderern erklärt.
2017 wurden nach Rebellenangriffen 750.000 Rohingya aus Myanmars
südwestlichem Rakhine-Staat, dem früheren Arakan, vom Militär gewaltsam
vertrieben. Diese Vertreibung, die auch von der Demokratieikone und
faktischen Regierungschefin Aung San Suu Kyi gedeckt wurde, [3][nennt die
US-Regierung inzwischen Völkermord]. Aung San Suu Kyi verteidigte das
Militär sogar vor dem [4][Internationalen Gerichtshof] in Den Haag, bevor
sie 2021 von diesem selbst aus dem Amt geputscht wurde.
## Rohingya-Flüchtlinge ohne jede Perspektive
Bangladesch bietet den Flüchtlingen zwar Schutz, aber mehr nicht. In den
engen Lagern grassieren Hoffnungslosigkeit und psychische Probleme, die
Kriminalität und der Einfluss islamistischer Hardliner wachsen. Ein
[5][gemäßigter Rohingyasprecher] wurde bereits ermordet. Zuletzt wurden
30.000 Rohingya auf die [6][abgelegene und bis dahin unbewohnte Insel Basan
Char] umgesiedelt, die sie aber nicht verlassen dürfen.
Die Regierung in Dhaka will verhindern, dass Rohingya in Bangladesch
heimisch werden. Sie sollen nach Myanmar zurück. Doch sind alle
Rückführungen bisher gescheitert. Denn Myanmar garantiert ihre Sicherheit
nicht. Vielmehr [7][machte der Militärputsch es noch unwahrscheinlicher],
dass die Rohingya willkommen sind. Zum Jahresbeginn erst zeichnete die
Junta den nationalistischen [8][Mönch Wirathu] aus, der mit seiner Hetze
gegen Rohingya ihre Vertreibung vorangetrieben hatte. Und in ihrer Heimat
Rakhine-Staat herrscht inzwischen Krieg zwischen dem Militär und den
ethnischen Separatisten der Arakan Army, die den Rohingya ebenfalls
feindlich gesinnt ist.
Die fehlenden Rückkehrperspektiven und die hoffnungslose Lage in den Camps
lassen immer mehr Rohingya die Risiken der Flucht übers Meer auf sich
nehmen.
10 Jan 2023
## LINKS
[1] https://www.unhcr.org/asia/news/press/2022/12/63aa90314/unhcr-welcomes-indo…
[2] /Weltgroesstes-Lager-in-Bangladesh/!5761179
[3] /Erklaerung-von-US-Aussenminister/!5840215
[4] /Gambia-verklagt-Myanmar/!5648223
[5] /Rohingya-Fluechtlinge-aus-Myanmar/!5800757
[6] /Rohingya-Fluechtlinge-aus-Myanmar/!5736889
[7] /Rohingya-nach-Putsch-in-Myanmar/!5745138
[8] /Buddhistischer-Moench-in-Birma/!5388354
## AUTOREN
Sven Hansen
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sollten sie Angehörige der muslimischen Minderheit der Rohingya töten.
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