# taz.de -- Parlamentswahl in Osttimor: Gusmão gewinnt in Timor-Leste | |
> Die zerstrittenen Veteranenfraktionen lösen sich wieder an der Macht ab, | |
> während die junge Generation außen vor bleibt und soziale Probleme | |
> wachsen. | |
Bild: „Xanana“ Gusmao gewinnt Wahl in Osttimor | |
BERLIN taz | Die Parlamentswahl am Sonntag im früheren Osttimor hat der | |
Kongress des timoresischen Wiederaufbaus (CNRT) klar gewonnen. Wie die | |
Wahlkommission am Dienstag bekanntgab, kam die Partei des | |
[1][Unabhängigkeitshelden „Xanana“ Gusmâo (76)], Osttimors erstem | |
Präsidenten, auf 41,6 Prozent der Stimmen. CNRT erhielt damit 31 der 65 | |
Parlamentssitze, wird aber zum Regieren eine Koalition formen müssen. | |
Auf Rang zwei von 17 Parteien, die mindestens ein Drittel Frauen nominieren | |
mussten, kam die bisher regierende Fretilin (Revolutionäre Front für die | |
Unabhängigkeit Osttimors) mit Spitzenkandidat Marí Alkatiri (73). Er ist | |
ebenfalls ein bekannter Unabhängigkeitskämpfer und war schon 2002 bis 2006 | |
und 2017 bis 2018 Regierungschef. | |
Zuletzt hatte Fretilin mit zwei kleinen Parteien koaliert, darunter der | |
People Liberation Party (PLP) von Premier Taur Matan Ruak (66). Jetzt | |
überwanden fünf Parteien die Vierprozenthürde. | |
„Die bisherige Regierung war aus einem Machtkampf und Patt unter Veteranen | |
hervorgegangen und entsprechend schwach“, sagte Monika Schlicher, | |
Geschäftsführerin und Osttimorexpertin der Stiftung Asienhaus in Köln der | |
taz. „Die Regierung wurde jetzt abgewählt, weil sie nicht geliefert hat.“ | |
So sei die Wirtschaft in der Coronazeit völlig zusammengebrochen. | |
## Die Parteien unterscheiden sich nicht | |
Gusmão und Alkatiri sind politische Urgesteine der [2][2002 von Indonesien | |
unabhängig gewordenen Inselhälfte], einer Ex-Kolonie Portugals. Die beiden | |
haben sich persönlich überworfen. Sie unterscheiden sich ideologisch so | |
wenig wie Osttimors Parteien insgesamt, sondern repräsentieren | |
konkurrierende Veteranenfraktionen des Unabhängigkeitskampfes. | |
„Es mangelt an Alternativen zu einer nicht von Veteranen geführten | |
Regierung“, sagt Schlicher. Mit ihren Machtkämpfen verhinderten die | |
Veteranen einen Generationswechsel. Auch der Staatspräsident und | |
Friedensnobelpreisträger José Ramos-Horta (CNRT) gehört zur | |
Veteranengeneration. | |
Die sozialen Probleme dominieren derzeit: 42 Prozent der Bevölkerung leben | |
unterhalb der Armutsgrenze, 42 von 1.000 Kleinkindern sterben vor dem 5. | |
Lebensjahr. Timor-Leste lebt von Öl- und Gasexporten, muss sich aber wegen | |
schwindender Vorkommen bald neu erfinden. | |
## Pressefreiheit und friedliche Wahlen | |
Trotzdem gibt es auch große positive Überraschungen: So belegt Timor-Leste | |
im aktuellen Index der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen den | |
hervorragenden Rang 10 (Deutschland: 21.) und ist damit führendes | |
außereuropäisches Land. Drohte Osttimor in den Nullerjahren noch in | |
politische Gewalt abzugleiten – Ramos-Horta überlebte 2008 ein Attentat nur | |
knapp –, blieben die letzten drei Wahlen friedlich. Jetzt hatte Fretilin | |
schon zuvor erklärt, eine Niederlage zu akzeptieren. | |
23 May 2023 | |
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## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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