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# taz.de -- Klima-Leugner entdecken Corona: Dieselben Trickser
> Wer den Klimawandel leugnet, wittert oft auch bei Corona eine
> Verschwörung. Jetzt zeigt ein Dossier, wie die Szenen zusammenhängen.
Bild: „Stay home“: Für diese Demonstranten in Chicago ist das Unterdrücku…
Berlin taz | Das Thema ist ganz anders, aber die Vorwürfe sind dieselben:
Die Besorgnis sei übertrieben und hysterisch; die Daten und die Modelle der
Wissenschaft zweifelhaft; die Regierungen versuchten nur, die Freiheit der
Menschen einzuschränken, alles sei nicht so schlimm, ein Schwindel oder
eine große Verschwörung.
Diese „Argumente“ der Klimawandelleugner, die seit Jahrzehnten durch die
Welt geistern, erhalten derzeit neuen Schwung: als Beiträge in der globalen
Corona-Debatte – vorgebracht zum großen Teil von denselben Leuten, die auch
gegen die Klimawissenschaften polemisieren. Gerade wenden sich in einem
[1][offenen weltweiten Brief] Hunderte von MedizinerInnen und Pflegekräfte
gegen diese „Infodemie auf Social Media“, die durch Falschmeldungen „auf
der ganzen Welt Menschenleben gefährdet“. Sie fordern von Firmen wie
Facebook und Twitter, „sofort und systematisch“ dagegen vorzugehen.
Wie Klima- und Corona-Verleugnung zusammenhängen, ist jetzt zum ersten Mal
dokumentiert worden. Die US-Rechercheplattform „Desmogblog.com“ hat in
einem [2][„COVIDeniers Report“] zusammengestellt, wie Argumentationsmuster,
Akteure, Finanziers und politische Absichten bei Klima- und
Corona-Skeptikern vor allem in den USA Hand in Hand arbeiten. „Ein Fluss
falscher Informationen zum Coronavirus ist von Thinktanks, Experten (einige
davon selbsternannt), Akademikern und rechten Aktivisten zusammengeflossen,
die auch die Klimawissenschaften verächtlich gemacht haben und als Ziel
haben, das Handeln gegen die Klimakrise zu bremsen“, heißt es in der
Analyse.
„Desmog“ ist eine Plattform, die seit 2006 Verbindungen der
Klima-“Skeptiker“ zu Energiekonzernen und konservativen Geldgebern
recherchiert und deren Taktiken und Falschmeldungen entlarvt. Seit März
2020 hat das Desmog-Team Äußerungen, Tweets und Artikel zusammengetragen,
die zeigen: Bei der Diskussion über die wissenschaftlichen Grundlagen und
die Reaktion auf die Coronapandemie mischen viele US-Thinktanks wie das
Heartland Institute, „Americans for Prosperity“ oder „Competitive
Enterprise Institute“ mit, die teilweise von der US-Ölindustrie finanziert
werden. „Dabei nutzen sie Taktiken, die sie seit den 90er Jahren
perfektioniert haben, um Zweifel an den Klimawissenschaften zu säen“,
schreiben die Autoren.
## Fünf übliche Strategien
Auch die deutsche Webseite „klimafakten.de“ hat gerade eine neue Grafik zu
den Methoden der Leugner erstellt: Sie beschreibt darin die fünf üblichen
Strategien namens [3][“PLURV“]: Pseudo-Experten, Logikfehler, unerfüllbare
Erwartungen, Rosinenpickerei und Verschwörungsmythen.
Ähnlich wie bei den Falschinformationen zum Klimawandel werden laut
„Desmog“-Dossier auch bei Corona die immer gleichen Argumentationsmuster
bemüht: So heißt es mit teilweise abstrusen Begründungen, die Rechenmodelle
der Wissenschaft seien unzuverlässig und Corona sei nicht schlimmer als
eine Grippe. Manche Kritiker wollen keinen Klimaschutz, weil Corona nun
Vorrang habe. Andere polemisieren, dass man kein „mit Windkraft versorgtes
Krankenhaus“ haben wolle oder dass in der Notlage kein Geld für einen
„Green Deal“ fließen solle. Es häufen sich auch die Beschimpfungen der
UN-Gesundheitsorganisation WHO und Verschwörungstheorien rund um die
Großspender George Soros und Bill Gates.
Die zentrale Erzählung der Leugner wirft den Regierungen vor, mit der
Pandemie und der Klimakrise Angst zu erzeugen, um die Bevölkerung zu
unterdrücken. „Die Regierungen sollten wenig bis nichts gegen Covid-19
unternehmen“, schreibt etwa der libertäre US-Autor Richard Ebeling, „denn
es ist ein soziales und medizinisches Problem, kein politisches.“
Diese „politische Weltsicht ist die stärkste Verbindung unter all den
Leugnern“, sagt Bob Ward, der an der London School of Economics seit Langem
zu den Strategien der Leugnerszene forscht. „Sie lehnen den Einfluss der
Regierungen auf das Leben der Menschen ab. Ihre Gegnerschaft zum
Klimaschutz oder zur Corona-Bekämpfung bezieht sich auf diese ideologische
Einstellung, nicht etwa auf Kritik an der Wissenschaft.“
## Die ideologisch Überzeugten erreicht man nicht
Das zeigt sich auch bei den deutschen Klimaleugnern. Auf der Homepage des
aggressiv klimaskeptischen Eike-Instituts finden sich derzeit auch viele
Einträge, die die Corona-Politik mit teilweise wirren Verschwörungstheorien
als falsch, unwissenschaftlich und gefährlich hinstellen.
„Die gleichen Leute, die die Wirtschaft zusperren wollen, suchen auch den
Sozialismus unter dem Banner des Klimawandels“, heißt es da etwa. Verlinkt
werden auch gern Anträge der AfD-Fraktion, die fordert, in der Pandemie
seien „CO2-Emissionen als nachrangig zu betrachten“.
Allerdings könnte die Coronakrise die Stimmung in dieser Frage verändern,
meint Experte Bob Ward. „Wie die Regierungen diese Krise behandeln, könnte
einen großen Einfluss auf die Frage haben, was ihre Rolle beim Schutz der
Bevölkerung sein sollte.“ Bringen die Staaten ihre Menschen gut durch die
Krise, könnten diese ihnen auch beim Klima mehr zutrauen. Für die
ideologisch Überzeugten, „die im Kern allerdings meinen, die Regierung
solle sich nicht einmischen, wird sich wenig ändern“, ist Ward skeptisch.
11 May 2020
## LINKS
[1] https://secure.avaaz.org/campaign/de/health_disinfo_letter/
[2] https://www.desmogblog.com/covideniers-anti-science-covid-19-denial-overlap…
[3] https://www.klimafakten.de/meldung/p-l-u-r-v-das-sind-die-haeufigsten-metho…
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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