| # taz.de -- CDU-Vorsitz-Kandidat Friedrich Merz: Seine nuklearen Träume | |
| > Als Antwort auf die Klimakrise empfiehlt Friedrich Merz den | |
| > „Dual-Fluid-Reaktor“. Dessen größte Fans sind die AfD und | |
| > Klimawandel-Leugner. | |
| Bild: Friedrich Merz sind Ökologie und so sehr wichtig, und er hat auch schon … | |
| Berlin taz | Für Friedrich Merz sind „Ökologie und Klimakrise“ sehr | |
| wichtig, wie er beteuert. „Aus meiner Sicht ist es derzeit, unter der Ebene | |
| von Krieg und Frieden, das politische Thema Nummer eins“, sagte der | |
| CDU-Politiker Anfang März im Spiegel. Den „Herausforderungen des | |
| Klimawandels können wir nur mit modernster und neuester Technologie | |
| begegnen“. | |
| Der [1][Kandidat für CDU-Vorsitz] und Kanzleramt hat eine ganz eigene Idee | |
| mit „ganz neuen Chancen“, wie er sagt. „Es gibt in Berlin am Institut für | |
| Festkörper-Kernphysik zum Beispiel die Entwicklung eines sogenannten | |
| Dual-Fluid-Reaktors, der sogar in der Lage wäre, abgebrannte Brennstäbe | |
| wiederzuverwenden.“ Schon im Dezember hatte er sich in der Welt dafür | |
| starkgemacht, diese Technik in ein europäisches Energiesystem | |
| einzubeziehen. Merz rät allen, „in diesen Fragen technologieoffen zu sein | |
| und keine künstlichen Tabus zu errichten“. | |
| Was Merz „technologieoffen“ nennt, wird von vielen Experten allerdings als | |
| unrealistisch, rein theoretisch und auf Jahrzehnte nicht praktikabel | |
| eingeschätzt – ein Wolkenkuckucksheim. Und „künstliche Tabus“ kennt | |
| Friedrich Merz in dieser Frage offenbar tatsächlich nicht. Denn die einzige | |
| Partei im Bundestag, die ebenfalls für den Dual-Fluid-Reaktor (DFR) wirbt, | |
| ist die AfD. Jene Partei, die Merz gern „halbieren“ möchte und die er weder | |
| „koalitions- noch gesprächsfähig“ nennt. | |
| Im Politikbetrieb der Hauptstadt ist die Idee eines neuen Atomreaktors | |
| unbekannt. Fragt man Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) und | |
| ihren Staatssekretär Wolf-Dieter Lukas danach, erntet man erstaunte Blicke. | |
| Das Wirtschaftsministerium antwortete schon 2019, man habe „keine Mittel | |
| zur Förderung der Entwicklung eines ‚Dual-Fluid-Reaktors‘ oder seiner | |
| Technologie bewilligt oder ausgezahlt“. | |
| ## Fachleute haben große Zweifel | |
| Und tatsächlich: Die „Entwicklung“ eines DFR gibt es nicht. Selbst nach | |
| Aussagen des praktisch unbekannten privaten Instituts für | |
| Festkörper-Kernphysik (IFK), das die Idee vorantreibt, handelt es sich | |
| bislang um einen „Papierreaktor“, der über grundlegende Rechenmodelle nicht | |
| hinauskommt. Unabhängige Experten urteilen drastischer: Die Technik sei | |
| „ein System, das so nicht in absehbarer Zeit realisiert werden kann“, sagt | |
| Hans-Josef Allelein, zuständiger Leiter für Reaktorsicherheitsprüfung im | |
| Forschungszentrum Jülich, auf taz-Anfrage. | |
| Die Idee eines Dual-Fluid-Reaktors beruht auf einem grundsätzlich anderen | |
| Design als herkömmliche Kernreaktoren. Ein DFR soll statt herkömmlicher | |
| nuklearer Brennstäbe eine flüssige Masse aus geschmolzenem Salz und Blei | |
| enthalten. Nach den Vorstellungen seiner Konstrukteure wäre ein solcher | |
| Flüssigsalz-Reaktor die Lösung aller Energieprobleme: „Kernkraft ohne | |
| langlebige Abfälle und Unfallrisiko“, die „saubere Energie billiger als | |
| Braunkohle“ liefere und „von den Naturgesetzen geschützt“ sei. Als | |
| Brennstoff, so heißt es vom IFK, könne er nach entsprechender Behandlung | |
| sogar abgebrannte Nuklearstäbe („Atommüll“) verarbeiten und | |
| „jahrhundertelang“ saubere und sichere Energie liefern. Ein ähnliches | |
| Konzept wurde in den 60er Jahren in den USA entwickelt, aber wegen vieler | |
| Probleme nicht weiterverfolgt. | |
| Die Mehrheit der Fachleute hat auch heute noch große Zweifel. „Das ist | |
| nicht mehr als eine Theorie“, sagt Christoph Pistner, Bereichsleiter | |
| Nukleartechnik und Anlagensicherheit beim Öko-Institut Darmstadt. „Bisher | |
| gibt es keine Verfahren, die den Atommüll sauber trennen, und auch nicht | |
| die Materialien, die für einen solchen Reaktor erforderlich wären“, sagt | |
| Pistner. „In der Theorie lassen sich viele Dinge errechnen. Aber weder gibt | |
| es ein detailliertes Design noch einen Prototypen, der die grundsätzliche | |
| Machbarkeit gezeigt hätte.“ Auch brauche man selbst bei einem theoretisch | |
| funktionierenden Reaktor weiterhin eine Wiederaufbereitungsanlage und ein | |
| Endlager für die anfallenden Reststoffe. Für Pistner ist der DFR die | |
| Hoffnung auf „den technischen Fortschritt, der am Ende immer alle Probleme | |
| löst“. | |
| „Aus wissenschaftlicher Sicht ein interessantes Forschungsfeld“, heißt es | |
| von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) in Köln. Die | |
| Fachleute dort warnen aber ebenfalls vor hohen Erwartungen: Die Studien | |
| seien „über erste Stadien nicht hinaus“ und das Konzept „extrem aufwendi… | |
| Um die Technik überhaupt entwickeln zu können, brauche es sicher einen | |
| „mittleren dreistelligen Millionenbetrag“ und „eine zweistellige Anzahl v… | |
| Jahren“. Andere Experten rechnen selbst im günstigen Fall mit 20 bis 50 | |
| Jahren, bis ein solcher Reaktor Strom liefern könnte. Im Kampf gegen den | |
| Klimawandel müssen die CO2-Emissionen weltweit allerdings in zehn Jahren | |
| halbiert werden. | |
| „Vom Grundkonzept her interessant“, findet auch Hans-Josef Allelein vom | |
| Forschungszentrum Jülich die DFR-Idee. Allerdings seien „Materialprobleme | |
| immer noch nicht gelöst und das Verhalten in und auch nach einem Störfall | |
| völlig unklar“. Vor allem aber werfe ein DFR Fragen bei der möglichen | |
| militärischen Nutzung auf, denn es könne prinzipiell auch waffenfähiges | |
| Plutonium anfallen. „Ich stehe dem sehr kritisch gegenüber, denn ich kann | |
| die Publikationen zum Teil nicht nachvollziehen“, sagt Allelein. Wenn sich | |
| Friedrich Merz für die Idee starkmache, „hat er wohl diese Zusammenhänge | |
| nicht berücksichtigt“. | |
| Das IFK, das an dem Reaktor arbeitet, ist nur ein loser Zusammenschluss von | |
| Wissenschaftlern. „Wir sind alles Enthusiasten, die in anderen Jobs ihr | |
| Geld verdienen“, sagt Jan-Christian Lewitz vom IFK-Beirat. Der DFR sei | |
| patentiert, es gebe Veröffentlichungen dazu, aber keinen Investor. Nur das | |
| Wirtschaftsministerium habe bislang eine Studie zur Trennung des Atommülls | |
| mit 180.000 Euro finanziert. In „zehn bis zwanzig Jahren“ könne ein Reaktor | |
| in Betrieb gehen. Erst einmal zielt das IFK auf 5 bis 15 Millionen Euro | |
| Forschungsgeld für die nächste Phase aus dem Topf für die Endlagersuche. | |
| ## Polemik gegen die Energiewende: Geschäftsmodell Klimaleugnung | |
| Unterstützung bekommen sie dabei vor allem von der AfD. Die rechte Partei | |
| will zurück zum Atom. „Wir wollen die Forschung für die vierte Generation | |
| der Kernkraft intensivieren“, sagt AfD-Klimapolitiker Karsten Hilse. Der | |
| DLR sei „der nächste Schritt“ auf dem Weg dahin, erst einmal gehe es um | |
| eine „bessere Trennung des Atommülls“. | |
| Dazu hat der Bundestag am 14. Februar einen AfD-Antrag zu „alternativen | |
| Technologien zur Verwertung hochradioaktiver Reststoffe“ debattiert. Das | |
| wäre ein erster Schritt auf dem Weg für einen DFR. Die anderen Fraktionen, | |
| auch die Union, lehnen die Idee ab: zu teuer, zu gefährlich, nicht machbar, | |
| so lauten ihre Argumente. | |
| Atomplaner und Rechtspopulisten tauschen aber nicht nur Ideen aus, sondern | |
| auch Arbeitskräfte. Zwei Mitarbeiter des von Friedrich Merz gelobten IFK | |
| arbeiten teilweise für die AfD, bestätigt das Institut. So übernimmt der | |
| AfD-Antrag vom 14. Februar teilweise die Argumente des Instituts: Die | |
| bislang problematischen Atomabfälle könnten „praktisch vollständig abgebaut | |
| und in Reststoffe umgewandelt werden, welche nach nur wenigen 100 Jahren | |
| auf ungefährliches Niveau abklingen“, verweist der Antrag der AfD direkt | |
| auf die Webseite des IFK. | |
| Von diesen Verbindungen habe Friedrich Merz nichts gewusst, sagt sein | |
| Sprecher auf Anfrage. „Wir haben erst durch Ihre Anfrage erfahren, dass die | |
| AfD den Dual-Fluid-Reaktor ‚propagiert‘“, hieß es. „Herr Merz ist durch | |
| Medienberichte und einen Vortrag von Otto Schily auf dieses Thema | |
| aufmerksam geworden.“ | |
| ## Wo Klimaleugner und Atomenergie-Befürtworter sich treffen | |
| Dabei gibt es häufiger Verbindungen von AfD und dubiosen | |
| „Wissenschaftlern“. Immer wieder lädt die AfD „Experten“ zu Anhörunge… | |
| die dem Konsens der Forschung widersprechen. So arbeitet der Vizechef des | |
| EIKE-Vereins, der als „Europäisches Institut für Klima & Energie“ den | |
| menschengemachten Klimawandel in Frage stellt und gegen die Energiewende | |
| polemisiert, als Mitarbeiter beim AfD-Abgeordneten Karsten Hilse. | |
| In diesen Kreisen ist auch die Idee eines völlig neuen Atomreaktors | |
| populär. EIKE hat mehrfach und begeistert über die „gewaltige Wertschöpfung | |
| mit Hilfe des genialen Konzepts“ DFR berichtet. Und einer der Wortführer | |
| des IFK, Armin Huke, trat 2015 bei einer EIKE-Konferenz auf, um seine Ideen | |
| zum DualFluid-Reaktor als angebliche Lösungen in der Klimafrage anzubieten. | |
| Auf einem Video des Vortrags auf YouTube steht Huke nicht nur vor dem | |
| EIKE-Logo. Direkt hinter sich hat er ein Banner des US-Thinktanks Heartland | |
| Institute, das weltweit verdeckt [2][Klimaleugner und den Kampf gegen die | |
| seriösen Klimawissenschaften] finanziert. Slogan: „Wir stehen für mehr | |
| Freiheit und weniger Regierung.“ | |
| 14 Mar 2020 | |
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| Bernhard Pötter | |
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