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# taz.de -- Suche nach Endlager für Atommüll: Frist und Frust
> Wo soll der Atommüll aus den abgeschalteten Akw bleiben? Das Nationale
> Begleitgremium zur Endlagersuche klagt über Termindruck und
> Überforderung.
Bild: Bei Castor-Transporten war die Anti-Atomkraft-Bewegung immer am Start: hi…
Berlin taz | Die Debatte dreht sich um die Frage, ob eine Technik sicher
für die nächste Million Jahre zu beherrschen ist. An diesem
Montagnachmittag Ende Juni in Raum 2.600 des Deutschen Bundestags macht die
Technik aber erst einmal nicht mit. „Hallo? Hören Sie mich?“, ruft die
Vorsitzende des Umweltausschusses, die Grüne Sylvia Kotting-Uhl, in ihr
Mikro. Der Bildschirmwürfel über den Köpfen der etwa 20 Anwesenden bleibt
aber erst einmal stumm.
Zugeschaltet zu diesem Gespräch über die Sicherheitsanforderungen an ein
atomares Endlager sind Fachleute, die loben und Kritik üben. Ganze zwei
Besucher verlieren sich an diesem sonnigen Tag auf der Tribüne. Gegenstand
der öffentlichen Anhörung laut Aushang: „EndlSiAnfV –
Endlagersicherheitsanforderungsverordnung“.
Ähnlich komplex sind die Probleme, mit denen alle Beteiligten an der Suche
nach einem sicheren Platz für den deutschen Atommüll ringen: Das Thema ist
sehr technisch und hochkompliziert. Wie das Parlament das Verfahren
handhabt, stößt beim „Nationalen Begleitgremium“ (NBG) auf Kritik, das f�…
Transparenz sorgen soll und an diesem Donnerstag zu seiner nächsten Sitzung
zusammenkommt. Und die Öffentlichkeit nimmt das alles praktisch nicht wahr.
Die letzte [1][Sitzung des NBG wurde im Livestream] 160-mal aufgerufen.
Kommentare: null.
Das wird sich ändern, und zwar am 17. Oktober. [2][Dann stellt die
Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) ihren „Zwischenbericht
Teilgebiete“ vor, der Regionen für ein deutsches Atom-Endlager aufführen
wird.] „Am nächsten Tag wird es in allen Zeitungen der betroffenen Regionen
nur ein Thema geben: Kommt das Endlager zu uns?“, sagt Grünen-Chef Robert
Habeck, der 2016 als damaliger Umwelt- und Atomminister Schleswig-Holsteins
in der „Endlagerkommission“ von Bund und Ländern maßgeblich diesen Prozess
angestoßen hat.
## Zur Erinnerung: Gorleben ist nicht mehr gesetzt
Die Kommission brachte vor vier Jahren einen historischen Kompromiss
zustande. Nach Jahrzehnten der Kämpfe und dem 2011 besiegelten Atomausstieg
sollte ein neues und faires Verfahren beginnen: Wo und unter welchen
Bedingungen sollen etwa ab Mitte des Jahrhunderts die 10.000 Tonnen hoch
radioaktiven Mülls aus deutschen Reaktoren begraben werden? Vor allem zwei
Dinge sollten den Neubeginn sichern: Das umkämpfte Bergwerk im
niedersächsischen Gorleben ist nicht mehr automatisch als Endlager gesetzt,
es gilt eine „weiße Landkarte“. Und: das NBG soll für Transparenz und
Vertrauen in das Verfahren sorgen – anders als über lange Jahrzehnte sollen
Betroffene und KritikerInnen früh eingebunden sein.
[3][Aber im NBG grassiert vor dem entscheidenden 17. Oktober große
Unzufriedenheit]. Bei der 39. Sitzung des Gremiums am 18. Juni hatten viele
Mitglieder des 18-köpfigen Gremiums ihrer Empörung Luft gemacht. „Wir
können so unsere Aufgabe nicht erfüllen“, hieß es von manchen, es sei nur
„noch die Frage, wie groß die Katze ist, die wir im Sack kaufen sollen“.
Der NBG-Vizevorsitzende Armin Grunwald sagte einen „heißen Herbst“ voraus.
Das Gremium fühlt sich nicht ernst genommen. Erst verhinderte der Bundesrat
über fast zwei Jahre, dass die Gruppe vollständig und arbeitsfähig wurde –
bei einem der NBG-Kandidaten war unklar, ob es einen Interessenkonflikt
gab. Dann wies das Parlament dem Gremium im Mai mit dem „Geodatengesetz“
eine umstrittene Aufgabe zu: Das NBG soll jetzt darüber urteilen, ob die
BGE in ihrem „Zwischenbericht“ korrekt mit vertraulichen Daten von Firmen
über die Bodennutzung umgeht. Dafür sei aber ihr Gremium gar nicht
zuständig, meinen manche Mitglieder. Schließlich solle das NBG laut seiner
Gründungsurkunde, dem Bericht der Endlagerkommission „über dem Verfahren
stehen.“
## Tausende von Datensätzen
Dann gibt es Frust mit einer knappen Frist: Die NBG-Mitglieder, häufig
nukleare Laien, fühlen sich von der Aufgabe überfordert, bis zum September
tausende von Datensätzen zu bewerten. „Wir können höchstens Stichproben
machen“, sagte etwa Rainer Grießhammer, ehemaliger Vorstand des
Öko-Instituts und NBG-Mitglied.
Was aber bedeutet das für das wichtigste Kapital des NBG – das Vertrauen
der Öffentlichkeit und der Atom-KritikerInnen, das der Prozess transparent
und fair abläuft? Jochen Stay von der Anti-Atom-Initiative „ausgestrahlt“
nennt das Gremium schon ein „Feigenblatt“, wo sich ehrenhafte Menschen zwar
Mühe gäben, das aber letztlich keinen Einfluss auf die Entscheidungen habe.
„Wir haben die Rückendeckung durch den Bundestag lange schmerzlich
vermisst“, sagt der NBG-Co-Vorsitzende Armin Grunwald. „Dass das Parlament
uns eine Aufgabe zuweist, ohne mit uns überhaupt zu sprechen, das sollte
bitte nicht noch einmal vorkommen.“ Die Unterstützung aus der Politik sei
nun aber wieder da. Auch das Umweltministerium habe Bedenken ausgeräumt,
dass es Bayern gelungen sei, seinen Untergrund praktisch von einem Endlager
auszuschließen. Den Sommer über würden die Mitglieder nun sehr viel an den
BGE-Daten arbeiten müssen. „Wir müssen ja nicht einzeln die Daten
nachprüfen, sondern nur sicherstellen, dass nicht geschludert wurde“, so
Grunwald. Es gebe Leute, die „100 Prozent Vorbehalte gegen das Verfahren
haben, an die kommen wir nicht ran. Aber wir müssen möglichst viele
Kritiker davon überzeugen, dass das Verfahren transparent ist.“
## „Viel Misstrauen im Prozess“
Die zuständige SPD-Abgeordnete Nina Scheer sieht in der Aufgabe zur
Datensichtung dagegen eine Aufwertung des NBG: „Das Parlament will die
Rolle des Gremiums nicht ändern, sondern sicherstellen, dass es sich
Expertise heranziehen kann, um den Prozess in den wichtigen Sachfragen
begleiten zu können“, sagt Scheer gegenüber der taz. Dafür werde auch Geld
bereitgestellt. Sie spricht allerdings auch davon, dass es „im Prozess viel
Misstrauen gibt“. Es müsse klar sein, dass die Endlagersuche „teilweise
eine unlösbare Aufgabe ist und es einen perfekten Umgang mit dem Müll nicht
gibt“. Der Abfall sei nun einmal entstanden und Kennzeichen für den Irrweg
von Atomenergienutzung. Daraus erwachse aber die Verantwortung aller, den
Prozess zu einem Ergebnis zu bringen. „Wenn wir uns an jeder Ecke
grundsätzlich hinterfragen, kann es passieren, dass sich die Suche nach
einem Endlager selbst blockiert“, warnt Scheer.
Das ist bereits einmal passiert. 2002 veröffentlichte der „Arbeitskreis
Endlager“ des Umweltministeriums Leitlinien für die Endlagersuche. Weil der
Standort Gorleben dabei im Spiel blieb, kam die Debatte für die nächsten 14
Jahre nicht voran.
9 Jul 2020
## LINKS
[1] https://www.nationales-begleitgremium.de/DE/Home/home_node.html
[2] /Atommuell-Endlager-in-Deutschland/!5600683
[3] /Suche-nach-Atommuell-Endlager/!5677866
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
Energiewende
Atommüll
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