| # taz.de -- Atommüll-Endlager in Deutschland: Auf der Suche | |
| > Bis 2031 soll ein Standort für ein Atommüllendlager gefunden sein. | |
| > Derzeit reisen zwei Bundesbehörden durch das Land und werben für das | |
| > Verfahren. | |
| Bild: Immer noch im „Endlagersuchetopf“ enthalten: der Salzstock in Gorleben | |
| Hannover taz | Gelbe Kreuze auf einer knallgrünen Wiese. Ein Bild, das man | |
| aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg zur Genüge kennt, jener Region im Osten | |
| Niedersachsens, die zum Symbol für den atomaren Widerstand in Deutschland | |
| geworden ist. Und jetzt stehen die gelben Kreuze auf einer knallgrünen | |
| Wiese mitten in Hannover, im Innenhof des Historischen Museums. Sie gehören | |
| zu einer Ausstellung, die die Historie von der Idee eines atomaren | |
| Endlagers über das Erkundungsbergwerk in dem kleinen Dorf Gorleben bis hin | |
| zum Atomausstieg nachzeichnet. Der passende Ort, um über die Pläne für ein | |
| Endlager zu reden. | |
| Denn ein solcher Ort muss gefunden werden. So schreibt es das sogenannte | |
| Standortauswahlgesetz vor. Noch ist die Landkarte, auf der das Endlager | |
| irgendwann eingezeichnet sein wird, weiß. Ziel sei der „bestmögliche | |
| Standort“, wie Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für kerntechnische | |
| Entsorgungssicherheit (BfE), es ausdrückt. Er war am Montag nach Hannover | |
| ins Museum gekommen, um zwischen Zeittafeln und Ausstellungsstücken wie | |
| Alukochtop, Schlafsack und Wandergitarre die Bürger*innen zu informieren. | |
| Das BfE, eine im Zuge des Atomausstiegs 2014 gegründete Behörde, ist für | |
| die Endlagersuche zuständig und will dabei die Öffentlichkeit | |
| miteinbeziehen. Und zwar „fair und auf Augenhöhe“, wie König erklärte. | |
| Deswegen war er vorher schon in Kiel, Schwerin und Potsdam. Später geht es | |
| nach München, Magdeburg und Stuttgart. Jetzt aber erst einmal Hannover, | |
| knapp 160 Kilometer entfernt von Gorleben. | |
| Dort, im Wendland, wo zwischen 1979 und 2011 immer wieder erbitterte Kämpfe | |
| zwischen Atomlobby und Atomkraftgegner*innen tobten, dürfte König wenig | |
| willkommen sein. Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg (BI) kritisiert die | |
| Endlagersuche und bezeichnet das BfE als „politisch agierende Behörde und | |
| nicht als Regulierungsbehörde, die allein dem Gesetz verpflichtet ist“. | |
| Damit meint die BI, dass der Salzstock Gorleben, der bis vor Kurzem als | |
| Endlager erkundet wurde, weiterhin im „Endlagersuchetopf“ enthalten sei. | |
| Der Salzstock sei aber völlig ungeeignet, Atommüll sicher zu lagern, | |
| erklärt die BI. | |
| Infolge der Endlagersuche wurde die Erkundung im Salzstock Gorleben | |
| eingestellt und der Betrieb heruntergefahren. Derzeit werden bundesweit | |
| verschiedene Orte unter- und überirdisch erforscht, darunter Flächen mit | |
| Salz, Tongestein und kristallinem Gestein, also Granit. Dafür werden | |
| Geodaten abgefragt, es wird gebohrt und gemessen. In Niedersachsen sind | |
| sowohl Salz als auch Tongesteine zu finden, Granit gibt es vor allem in | |
| Süddeutschland und in Sachsen. | |
| „Die weiße Landkarte soll im Spätsommer 2020 eingefärbt sein“, sagte Ste… | |
| Studt, Geschäftsführer der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE). Bis | |
| 2031 soll ein Standort genannt sein, 2050 könnte es dort „erste | |
| Einlagerungen“ geben. Völlig unklar sei noch, wie groß die Flächen dafür | |
| sein könnten. | |
| König und Studt betonten immer wieder, dass die Suche „ergebnisoffen“ sei. | |
| Ausgeschlossen seien Gebiete, in denen intensiver Bergbau betrieben werde | |
| oder Regionen mit Erdbebengefahr. Die einzige Festlegung, die König und | |
| Studt am Montagabend treffen wollten, lautet: Der Atommüll soll in einer | |
| „tiefen geologischen Schicht“ gelagert werden. Eine oberflächennahe | |
| Lagerung, um später möglicherweise leichter an den Atommüll heranzukommen, | |
| sei ausgeschlossen. | |
| Im Mai war der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies, SPD, nach | |
| Finnland gereist, auf die dünn besiedelte Insel Olkiluoto vor der Westküste | |
| des Landes. Dort entsteht gerade das erste weltweit genehmigte Endlager für | |
| hochradioaktiven Atommüll. Die Reise, die Finnen und ihre Art, das | |
| Atommüllproblem zu klären, haben Lies offensichtlich beeindruckt. Nach | |
| seiner Rückkehr sagte er: „Den Finnen ist es gelungen, einen | |
| Endlagerstandort im gesellschaftlichen Konsens zu finden und in Rekordzeit | |
| eine sichere Einlagerung zu gewährleisten.“ | |
| Ein Bundesland dürfte diese Worte besonders ungern gehört haben: Bayern. | |
| Das Land wehrt sich vehement gegen ein Endlager und hat das sogar im | |
| Koalitionsvertrag festgehalten: „Wir sind überzeugt, dass Bayern kein | |
| geeigneter Standort für ein Atomendlager ist.“ Meinen BfE und BGE ihre | |
| Ankündigungen ernst, sollte Bayern mit allem rechnen. Denn das finnische | |
| Endlager, das Niedersachsens Umweltminister Lies so lobt, wird in Granit | |
| gebaut. Und der ist in Bayern reichlich vorhanden. | |
| Die Infoveranstaltung von BfE und BGE am Montagabend war gut besucht, die | |
| Suche nach einem Endlager trifft die Menschen ins Mark. Manche blieben vor | |
| den Vitrinen stehen und versuchten sich auszumalen, wie ihre Enkel und | |
| Urenkel wohl leben werden. | |
| Die BI indes, die gemeinsam mit dem Museum die Ausstellung konzipiert und | |
| die Exponate zur Verfügung gestellt hat, ist sauer. Sie darf keinen | |
| Infoabend abhalten. Begründung: Eine politische Diskussion ist unerwünscht. | |
| „Das BfE vor unserer Kulisse“, sagt BI-Sprecher Wolfgang Ehmke, „das tut | |
| schon weh.“ | |
| 19 Jun 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schmollack | |
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