Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Politischer Aschermittwoch in Thüringen: Merz greift Ramelow an
> Beim politischen Aschermittwoch der Thüringer CDU in Apolda wärmt der
> Kandidat für den Parteivorsitz seinen gebeutelten Parteifreunden das
> Herz.
Bild: Zwei Christdemokraten ohne jegliche Selbstzweifel: Friedrich Merz und Mik…
Apolda taz | Es ist, wie es bei einem politischen Aschermittwoch wohl sein
muss: große Halle mit langen Tischreihen, jede Menge Bier, dazu Blasmusik.
Von der Decke hängen orangefarbene Fahnen mit den Schriftzug der Thüringer
CDU. Dessen Noch-Chef Mike Mohring gibt zwar zu: „Wir sind derzeit nicht
der attraktivste Gastgeber.“ Und doch scheint er mächtig stolz auf die
eigene Veranstaltung am Mittwochabend in Apolda, seiner Heimatstadt, zu
sein.
Über 1.500 Gäste sollen es sein, dazu viel Presse, sogar JournalistInnen
aus dem Ausland wollten kommen. Zum drittgrößten politischen Aschermittwoch
bundesweit, dem größten in Ostdeutschland!
Und die Stimmung scheint gut, auch wenn man die Lage der Thüringer CDU wohl
als prekär bezeichnen kann, das Bundesland in einer tiefen Regierungskrise
steckt und Mohring, der in den vergangenen Wochen so vieles falsch gemacht
hat, [1][bald seine Jobs als Fraktions- und Parteichef los sein wird]. Für
ihn ist es eine Abschiedsveranstaltung.
Schon als Mohring gemeinsam mit Friedrich Merz, der seit Dienstag offiziell
für den CDU-Parteivorsitz kandidiert und der Hauptredner des Abends ist, um
kurz nach sechs in die Halle einzieht, brandet Applaus auf. Auch eine große
Kuhglocke, die ohrenbetäubenden Lärm machen kann, wird im
Begeisterungsrausch erstmals eingesetzt. Neben ihr auf dem Tisch steht ein
Wimpel des „Wirtschaftsrats Thüringen“.
15 Euro musste jeder und jede Eintritt zahlen, dafür gibt es Bier,
Heringsfilet mit Salzkartoffeln und einen Gastredner, von dem man sich
Hoffnung verspricht. Doch bevor Merz, pünktlich um acht, auf die Bühne
marschiert, stehen noch eine Begrüßung der Landrätin, eine Mohring-Rede,
jede Menge Bier und das Essen an.
Merz wolle Bundesvorsitzender werden, sagt Mohring. „Nun stimmen wir ja
nicht hier ab, sonst wäre es entschieden“, fährt er unter Applaus und dem
Einsatz der Kuhglocke fort. „Unsere CDU Deutschland braucht diesen
personellen Neuanfang.“
## Merz enthüllt: Berlin-Kreuzberg liegt gar nicht in Thüringen!
Dann, als Merz selbst am Redepult steht, geht er gleich in die Vollen: „Das
hier ist nicht Berlin-Kreuzberg, das ist mitten in Deutschland“, ruft er in
den Saal und meint wohl das „richtige“ Leben damit. Die Lacher hat er auf
seiner Seite.
Und als er dann Bodo Ramelow angeht, den ehemaligen und vielleicht auch
zukünftigen Ministerpräsidenten von der Linkspartei, da schwillt der
Beifall weiter an. Merz kritisiert Ramelow scharf dafür, bei der Wahl zum
Ministerpräsidenten Anfang Februar vermeintlich ohne absehbare Mehrheit
kandidiert zu haben. Dies sei der eigentliche Grund für die derzeitigen
Probleme in Thüringen. „Der Auslöser war die Arroganz, die Überheblichkeit,
zu sagen, ich stelle mich hier zur Wahl.“
Der Saal tobt. [2][Die viel gescholtenen Thüringer ChristdemokratInnen]
sind froh, dass hier mal jemand anderem die Schuld an dem ganzen
Schlamassel gegeben wird. Es wollten zwar nicht alle hören, aber Ramelow
habe die Landtagswahl in Thüringen verloren, fährt Merz fort.
Ganz richtig ist das nicht. Ramelows Linke legte bei der Wahl Ende Oktober
zu und wurde erstmals stärkste Kraft. Weil aber SPD und Grüne Verluste
einfuhren, hat Rot-Rot-Grün keine Mehrheit mehr. Die große Wahlverliererin
war allerdings die CDU.
Es dürfe nie wieder zu einer Situation kommen wie bei dieser Wahl, bei der
die „politischen Ränder“ so stark geworden seien, dass das Land unregierbar
wurde, betont Merz. Und warnt vor den Gefahren des Rechtsextremismus. Dies
führt er sogar etwas aus, nachdem ihm am Tag zuvor bei der Vorstellung
seiner Kandidatur als Gegenmittel zu Rechtsextremismus [3][lediglich die
Thematisierung von Clankriminalität und rechtsfreien Rämen eingefallen
war].
„Wir haben dieses Problem unterschätzt“, sagt Merz und verweist auf mehr
als 200 Mordopfer rechter Gewalt in Deutschland. Die Opfer von Hanau seien
„Landsleute von uns“. Die grenze man nicht aus, sondern nehme sie in den
Arm.
## Laschet und Spahn dürfen bei Merz mitmachen
Es folgen Ausführungen zu China und der Seidenstraße, Seitenhiebe auf die
Grünen und Greta Thunberg, Kritik an der Energiewende sowie ein Angebot
[4][an seine Konkurrenten im Kampf um den Parteivorsitz]: „Wenn die Wahl so
ausgeht, wie ich es mir wünsche, dann gehören Armin Laschet und Jens Spahn
natürlich zu meinem Team.“ Unter ihm und seinen Gnaden dürften sie also
mitmachen. Das wird sie sicherlich sehr erfreuen.
Dazu kommt ein bisschen Wertschätzung für Russland, was in Ostdeutschland
meist gut ankommt, und auch ein kleines bisschen Anerkennung für die
Kanzlerin. Schließlich muss der neue CDU-Vorsitzende noch eine Weile mit
ihr klarkommen. Irgendwann zieht Merz sein Jackett aus, jetzt steht er mit
weißem Hemd und dunklem Schlips da. Die Stirn glänzt.
Nach einer guten Dreiviertelstunde ist Schluss. Es folgen stehender
Applaus, „Sieger, Sieger“-Rufe. Und die Kuhglocke.
27 Feb 2020
## LINKS
[1] /Thueringen-Wirrwarr/!5664761
[2] /Die-Woche-in-Thueringen/!5663169
[3] /Bundespressekonferenz-und-CDU-Vorsitz/!5666765
[4] /Machtkampf-um-CDU-Vorsitz/!5664462
## AUTOREN
Sabine am Orde
## TAGS
Friedrich Merz
Schwerpunkt Thüringen
CDU
Mike Mohring
Politischer Aschermittwoch
Friedrich Merz
Schwerpunkt Landtagswahl Thüringen
Schwerpunkt Rassismus
Friedrich Merz
Schwerpunkt Thüringen
Schwerpunkt Thüringen
## ARTIKEL ZUM THEMA
CDU-Vorsitz-Kandidat Friedrich Merz: Seine nuklearen Träume
Als Antwort auf die Klimakrise empfiehlt Friedrich Merz den
„Dual-Fluid-Reaktor“. Dessen größte Fans sind die AfD und
Klimawandel-Leugner.
Zerrissene Thüringer CDU: In der Klemme
Der Linke Bodo Ramelow soll mit CDU-Stimmen zum Thüringer
Ministerpräsidenten gewählt werden. Kann die Partei das überstehen?
Friedrich Merz über Berlin-Kreuzberg: Ein Code für Rassismus
Der Kandidat für die CDU-Spitze sucht sich sein Publikum. Er findet es im
thüringischen Apolda und bedient dabei gefährliche Ressentiments.
Bundespressekonferenz und CDU-Vorsitz: Merz, der Konjunktiv-Kanzler
Der CDU-Politiker erklärt, warum er sich als Vorsitzender seiner Partei
bewirbt. Sein breitbeiniger Auftritt ist ein feuchter Traum für
Konservative.
Regierungskrise in Thüringen: Ramelow will's wissen
Am Dienstag diskutiert Rot-Rot-Grün die Wahl des Ministerpräsidenten im
März. Die Thüringer CDU sichert weiter Unterstützung zu.
Thüringen-Wirrwarr: Das große Dilemma der CDU
Schon wieder Katastrophenstimmung bei der Bundes-CDU: Die Parteifreunde in
Thüringen wollen Bodo Ramelow doch zum Ministerpräsidenten wählen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.