# taz.de -- Groko und Klimapolitik: CDU bleibt vage | |
> Die SPD will beim Klimaschutz jetzt aufs Tempo drücken. Die Union dagegen | |
> vertagt erst einmal die wichtigen Entscheidungen. | |
Bild: AKK will „die Botschaft der Wähler verstanden“ haben. Den Beweis daf… | |
BERLIN taz | Gäbe es in der politischen Berichterstattung ein | |
Rezensions-Format, würde die Pressekonferenz von CDU-Chefin Annegret | |
Kramp-Karrenbauer wohl als handwerklich solide, aber mäßig ambitioniert | |
bewertet werden. Kein Wunder. Bei ihrem epischen Auftritt vor einer Woche, | |
es war der Tag nach der Europawahl und der Wahl in Bremen, hatte | |
Kramp-Karrenbauer im Konrad-Adenauer-Haus eine sehr gemischte Performance | |
geliefert. Ihr Auftritt mäanderte zwischen Verzweiflung und Optimismus, | |
Drohung und Versprechen. Am Ende hatte die Vorsitzende einen veritablen | |
Shitstorm am Hals, sie hatte den Verdacht geschürt, [1][das Internet | |
zensieren zu wollen]. | |
Diesmal, nach der Klausur von Bundesvorstand und Präsidium, sollte das | |
alles offensichtlich anders, vor allem besser laufen. Kramp-Karrenbauer | |
hielt sich eisern an ihr Redemanuskript. Ihre Sprecherin begrenzte die | |
Anzahl der Fragen von vornherein. Und schließlich fielen die Antworten der | |
Vorsitzenden deutlich kürzer aus als am Montag zuvor. Die alles | |
bestimmenden Themen waren natürlich der Plan der CDU, aus der eigenen Krise | |
herauszukommen, verbunden mit der Frage, wie eine Zusammenarbeit mit den | |
strauchelnden Sozialdemokraten inhaltlich überhaupt aussehen könnte. | |
Zum Thema Grundrente, bei der die SPD darauf besteht, diese ohne | |
Bedürftigkeitsprüfung zuzugestehen, zeigte die CDU-Vorsitzende schon mal | |
keine Bereitschaft, die Parteilinie zu verlassen. „Wir stehen zu dem, was | |
im Koalitionsvertrag vereinbart ist“, sagte sie. Auf dieser Grundlage, | |
nämlich einer Grundrente mit Bedürftigkeitsprüfung, könne man | |
weiterverhandeln. Wenig später einigten sich bei einem Treffen im 220 | |
Kilometer entfernten Weimar die Unionsfraktionsvorsitzenden von Bund und | |
Ländern auf eine gemeinsame Erklärung. Dort ist von einer „vereinfachten | |
Anspruchs- und Bedürftigkeitsprüfung“ bei der Grundrente die Rede. Es | |
bewegt sich also was, die Union bewegt sich auf die SPD zu. Schließlich | |
werden die Sozialdemokraten noch gebraucht. | |
In Berlin lag die öffentliche Aufmerksamkeit vor allem auf den Konzepten | |
der CDU für die Klimapolitik innerhalb der Großen Koalition. Die | |
Erwartungen waren durchaus hoch – denn dass bei der Union beim Klima große | |
Defizite bestehen, hat sich inzwischen auch parteiintern herumgesprochen. | |
„Da hat die CDU keine zufriedenstellenden Antworten“, hatte der ehemalige | |
Bundesumweltminister Norbert Röttgen am Sonntagabend bei Anne Will | |
eingeräumt. „Wir sind da nicht auf der Höhe der Zeit.“ | |
## Klimaschutz mit Flugtaxis | |
Wie groß der Nachholbedarf ist, bewies die Partei auch auf Twitter, wo sie | |
am Sonntag als Beispiele für erfolgreichen Klimaschutz den Kampf gegen den | |
sauren Regen, das Ozonloch und verschmutzte Gewässer aufgeführt hatte – | |
allesamt Themen, die mit dem Klima nicht viel zu tun haben. Das soll sich | |
nun offenbar ändern. Auch die Parteivorsitzende Kramp-Karrenbauer begann | |
ihre Pressekonferenz am Montag mit der Behauptung, die Union habe beim | |
Klimathema „die Botschaft der Wähler verstanden“. Den Beweis dafür blieb | |
sie anschließend allerdings schuldig. | |
Was Kramp-Karrenbauer verkündete, waren pure Selbstverständlichkeiten: Sie | |
betonte, „dass die CDU zum Klimaschutzabkommen von Paris steht“ – | |
angesichts der Tatsache, dass Deutschland sich dazu völkerrechtsmäßig | |
verpflichtet hat, kein sonderlich großes Zugeständnis. Und sie erklärte, | |
der Parteivorstand habe beschlossen, „dass wir den Kompromiss zum | |
Kohleausstieg unterstützen, wie ihn die Kommission vorgelegt hat“. Weil | |
dieser unter wesentlicher Mitwirkung von CDU-Wirtschaftsminister Peter | |
Altmaier und mehrerer CDU-Ministerpräsidenten entstanden ist, ist auch das | |
wenig überraschend – auch wenn einzelne Unionsabgeordnete den Konsens | |
zuletzt öffentlich in Frage gestellt hatten. | |
Alle weitergehenden Fragen zum Klimaschutz wurden bei der Vorstandsklausur | |
vertagt. Ein Konzept zur „Zukunft der Mobilität“ soll nun erst am 24. Juni | |
beschlossen werden. Zum Thema CO2-Bepreisung sollen „bis zum Herbst“ | |
Vorschläge vorgelegt werden, kündigte Kramp-Karrenbauer an. Ein Entwurf | |
einer Beschlussvorlage, der von den Vorstandsmitgliedern Thomas Strobl und | |
Bernd Althusmann erarbeitet worden war und aus dem das Handelsblatt zitiert | |
hatte, hatte im Vorfeld der Klausurtagung für viel Spott gesorgt. Denn | |
während Vorschläge wie eine CO2-Steuer oder kostenloser Nahverkehr darin | |
abgelehnt werden, soll die Einführung von „Flugtaxis bis spätestens 2025“ | |
ermöglicht werden. Wie diese energieaufwendige Fortbewegungsform dem Klima | |
nützen soll, bleibt dabei das Geheimnis der CDU. | |
## Die SPD nimmt zur Kenntnis, dass es so nicht geht | |
Im Regierungshandeln schlägt sich der angebliche neue Kurs beim Klima | |
derweil noch nicht nieder. Das Klimaschutzgesetz, mit dem | |
SPD-Umweltministerin Svenja Schulze die Ziele für die einzelnen Sektoren | |
verbindlich festschreiben will, wird von der Union blockiert. Nachdem das | |
Kanzleramt letzte Woche verhindert hatte, dass die Ressortabstimmung | |
darüber beginnt, verbot es dem Umweltministerium später sogar, den fertigen | |
Gesetzentwurf auf der Webseite des Ministeriums zu veröffentlichen. | |
Streikende SchülerInnen oder unzufriedene YouTuberInnen dürfte die Union | |
auf diese Weise kaum zurückgewinnen. Und auch der Koalitionspartner will | |
eine solche Blockade- und Verzögerungspolitik in Zukunft nicht mehr | |
hinnehmen. | |
Denn auch die SPD hat zur Kenntnis genommen, dass Umfragen zufolge 85 | |
Prozent der Deutschen meinen, die Regierung tue nicht genug für den Umwelt- | |
und Klimaschutz. Und während bisher Teile der Partei mit Rücksicht etwa auf | |
die Kohlekumpel beim Klimaschutz eher auf der Bremse standen, will die SPD | |
nun offenbar geschlossen den Antreiber in der Koalition geben. | |
Parteivize Olaf Scholz, der bisher nicht zu den größten klimapolitischen | |
Vorkämpfern gehörte, zeigte sich hierzu am Sonntagabend bei Anne Will | |
jedenfalls entschlossen. Alle wichtigen klimapolitischen Entscheidungen | |
würden bis Herbst fallen, sagte er zu. „Ich verspreche es fest.“ Und fügte | |
hinzu: „Ohne diese Beschlüsse wird es auch nicht gehen.“ | |
Faktisch erklärt SPD-Vize Scholz schnelle Fortschritte beim Klimaschutz | |
damit zu einer Bedingung für den Fortbestand der Großen Koalition. Und weil | |
viele in der SPD diese lieber heute als morgen verlassen würden, ist diese | |
Drohung durchaus ernst zu nehmen. | |
## Frohsinnsrhethorik von Merkel | |
Entsprechend unruhig ist die Unionsspitze in Bezug auf den Fortbestand der | |
Koalition. Die Umfragen sind momentan einfach zu schlecht – und für die | |
Grünen viel zu gut –, um einfach auf [2][Neuwahlen zu setzen] und zu | |
hoffen, dass dabei schon etwas Gutes für das Land herauskommen würde. | |
Im Adenauer-Haus waren aber auch selbstkritische Töne zu vernehmen. | |
Annegret Kramp-Karrenbauer, deren Fähigkeit zur Kanzlerin mittlerweile auch | |
parteiintern in Zweifel gezogen wurde, nannte selbst die Gründe hierfür. | |
Sie sei „mit Mut und Veränderungsbereitschaft“ in ihr Amt als | |
Parteivorsitzende gegangen, sagte sie. Sie habe dann aber in den | |
zurückliegenden Monaten „nicht so konsequent umgesetzt, wie ich es hätte | |
tun sollen“. Vielleicht habe sie „zu viele Rücksichten genommen“. Das we… | |
sie nun ändern. Was dies für die Partei und ihre Organisation konkret | |
bedeuten wird, darauf darf man gespannt sein. Allzu viel Zeit und Geduld | |
wird ihr von ihren Kritikern nicht mehr zugestanden. | |
In Weimar trat ihr ihre Vorgängerin im Amt zur Seite. Zum Abschluss der | |
Konferenz der Unionsfraktionsvorsitzenden äußerte sich am Montagnachmittag | |
Angela Merkel. „Wir müssen mit ein bisschen Freude die Sache ernst nehmen“, | |
sagte sie in der ihr eigenen Art. Angesichts der Krise der | |
Regierungskoalition, der sie vorsteht, erinnert derlei Frohsinnsrhetorik an | |
alte Zeiten, da Merkel noch stets den Eindruck zu vermitteln verstand, sie | |
habe jede Lage im Griff. | |
Ihre Fraktionschefs, denen sie die Aufwartung machte, sehen das etwas | |
unentspannter. Im Herbst wird in drei ostdeutschen Bundesländern gewählt. | |
Die AfD ist der CDU dicht auf den Fersen. Themen wie Rente, Soli und | |
Klimapolitik haben in Ostdeutschland – etwa in der Braunkohleregion von | |
Brandenburg und Sachsen – eine deutlich höhere Dringlichkeit. In ihrer | |
Abschlusserklärung schreiben die CDU-Politiker, Glaubwürdigkeit heiße, | |
„dass das erzielte Ergebnis der Kommission, Wachstum, Strukturwandel und | |
Beschäftigung' vollständig umgesetzt wird“. Vertrauen in den Staat wurzele | |
„in der Fähigkeit seiner Institutionen, in geordneten Verfahren | |
Entscheidungen herbeizuführen und umzusetzen.“ Quasi ein Evergreen | |
bürgerlich-konservativer Politik. | |
3 Jun 2019 | |
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## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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