# taz.de -- Journalismus und Youtube: Rezo d’Être | |
> Journalist*innen sollten sich fragen, was sie von Youtuber*innen lernen | |
> können, um auf Plattformen durchzudringen. Denn das müssen sie. | |
Bild: Was Youtuber*innen den meisten Redaktionen voraushaben, ist der enge Aust… | |
Nicht nur die CDU war spürbar verunsichert durch das Rezo-Video. Auch im | |
deutschen Journalismus war man sich zunächst nicht ganz einig, was man | |
damit anfangen sollte: mit dem Erfolg eines 26-jährigen Youtubers, der mal | |
eben vor der Wahl mit seinem millionenfach geklickten Video „Die Zerstörung | |
der CDU“ das politische Berlin aufmischte. | |
Zunächst kamen die Faktenchecks. Deutlich war zu spüren, wie sich der | |
Qualitätsjournalismus vor allem bemühte, erst einmal eine ganz klare Grenze | |
zu ziehen. Hier der YouTuber, dort der seriöse Journalismus. [1][Nicht | |
selten auch mit leicht überheblichem Tonfall.] | |
Es war dann ausgerechnet Annegret Kramp-Karrenbauer, die Journalist*innen | |
und Influencer*innen zur Versöhnung zwang. „Was wäre in diesem Land | |
losgewesen, wenn 70 Zeitungsredaktionen einen Wahlaufruf gemacht hätten?“, | |
fragte die CDU-Parteivorsitzende. [2][Und sagte, man müsse deshalb dringend | |
über Regeln für Meinungsbildung diskutieren.] Und da solidarisierten sich | |
neue und alte Medienmacher plötzlich miteinander. Wenn es um die | |
Meinungsfreiheit geht, ist alles andere Sandkastenkeilerei. Auf einmal sind | |
die „alten Journalisten“ nicht nur die Verteidiger Rezos, [3][sie erklären | |
ihn bisweilen schon zum Vorbild]. | |
Zu Recht? Kann man jetzt, wo die ganze Aufregung um die Wahl, um die | |
Ziemiaks und Amthors und die AKK-Sprüche sich etwas gelegt hat, einmal | |
ernsthaft fragen: Was kann der seriöse Journalismus von Rezo lernen? | |
## Verpasste Entwicklung | |
„Wir hätten diese Debatte schon vor Jahren führen müssen“, sagt der | |
Journalist Martin Fehrensen, Herausgeber des [4][Social Media Watchblog,] | |
der taz. Bereits 2015, als der Youtuber LeFloid die Bundeskanzlerin | |
interviewt hatte, sei es verpasst worden, dieser Entwicklung nachzuspüren. | |
„So haben sich jetzt manche Nutzer auch aufgrund der mangelnden Konkurrenz | |
durch die etablierten Medien riesige Reichweiten aufgebaut“, sagt | |
Fehrensen. Sprich: Youtuber sind deswegen so groß, weil der Journalismus | |
auf Youtube so winzig ist. | |
„Es geht zuerst aber einmal darum, die Szene wirklich zu verstehen“, sagt | |
Fehrensen. Es fehle den meisten Redaktionen an Expertise und Willen, das | |
Geschehen auf Plattformen wie Youtube oder [5][Twitch] unabhängig von | |
vereinzelten viralen Phänomenen journalistisch zu begleiten. „Eigentlich | |
fremdeln die meisten total mit diesem Kosmos.“ Das habe auch die | |
Berichterstattung nach Rezos Video gezeigt. | |
Wenig überraschend also, dass traditionelle Medien, wenn sie sich doch auf | |
YouTube wagen, nur selten überzeugen. „Das ähnelt allzu oft den klassischen | |
Mediatheken“, sagt Fehrensen. Eine Ausnahmen sei Funk, das eigens für die | |
Video-Plattform entwickelte Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender. | |
Youtube ist mittlerweile die zweitgrößte Suchmaschine der Welt. Viele | |
Nutzer informieren sich direkt und zuerst dort. Wer hier als Medium kein | |
passendes Angebot liefern kann, muss sich zumindest vorwerfen lassen, | |
seinem gesellschaftlichen Informationsauftrag nicht mehr nachzukommen. Zwar | |
mag es stimmen, dass professioneller Journalismus höhere Sorgfaltsstandards | |
erfordert, als sie die meisten Youtube-Videos bisher erfüllen. | |
## Kommende Entwicklung | |
Genauso wahr ist aber auch, [6][dass nicht jeder redaktionelle Beitrag | |
diesen Ansprüchen selbst gerecht wird]. Zumal sich auf der Plattform | |
mittlerweile viele Kanäle finden lassen, die bestimmte Themen | |
facettenreicher und fundierter behandeln, als so manche Tageszeitung. | |
Aber es geht nicht nur um Inhalte. Was Youtuber wie Rezo den meisten | |
Redaktionen voraushaben, ist der enge und sorgfältig gepflegte Austausch | |
mit den eigenen Nutzern. Kontakt auf Augenhöhe also, statt von | |
Social-Media-Teams moderierte Kommentarspalten. „Wir erleben viel zu | |
selten, dass die Autor*innen in die Debatte einsteigen“, sagt Fehrensen. | |
Journalist*innen müssten aber zunehmend selbst in den Dialog treten und | |
Reaktionen auf die eigenen Themen auch einmal als Anlass für einen neuen | |
Beitrag nehmen. | |
Übrigens werden die Debatten der vergangenen Tage auch eine Entwicklung | |
innerhalb der Youtuber-Szene anstoßen. „Dass sie die Politik etwas vor sich | |
hertreiben konnte, hat der Szene ganz bestimmt gefallen“, sagt | |
Social-Media-Experte Fehrensen. Wenn also die YouTuber sich künftig | |
häufiger auch ins politische Geschehen einbringen – spätestens dann sollten | |
auch die Journalist*innen mitmischen. | |
30 May 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Kolumne-Jung-und-Dumm/!5598785 | |
[2] /AKK-und-annegate/!5598627 | |
[3] https://kress.de/news/detail/beitrag/142834-doepfner-das-rezo-video-ist-ein… | |
[4] https://socialmediawatchblog.de/story/ | |
[5] /Zukunft-von-Unterhaltungselektronik/!5528311 | |
[6] /Berichterstattung-ueber-Chemnitz/!5533039 | |
## AUTOREN | |
Alexander Graf | |
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