# taz.de -- CDU-Politiker über Klimapläne: „Die Grünen werden Dinge verbie… | |
> Der CDU-Abgeordnete Kai Whittaker will Klimaschutz und Wohlstand für | |
> alle. Den Grünen traut er nicht. Denen gehe es nur um Verbote und | |
> Verzicht. | |
Bild: Was Grüne nicht verbieten wollen: ihre eigenen Luftballons, obwohl die a… | |
taz: Herr Whittaker, Sie schreiben auf Ihrer Homepage, ein Aktivist von | |
[1][Fridays for Future] habe Ihrer Partei die Augen geöffnet. Wie muss man | |
sich das vorstellen: ein Teenager öffnet Ihnen die Augen? | |
Kai Whittaker: Fridays for Future macht deutlich: Die Bevölkerung hat | |
Angst, dass die Welt ökologisch vor die Hunde geht. Ich kann das | |
nachvollziehen. Wenn die Wissenschaft sagt, es gibt in einigen Jahren einen | |
Kipppunkt, an dem sich die Erderwärmung verselbstständigt, dann klingt das | |
bedrohlich, besonders, wenn man Anfang 20 ist. Das hat vielen in der Partei | |
die Augen geöffnet. | |
Die Wissenschaft warnt seit Jahren vor der Klimakrise. Warum braucht die | |
Union Fridays for Future, um zu handeln? | |
Klimaschutz ist ja nicht durch Fridays for Future auf die Tagesordnung | |
gekommen. Die Bundeskanzlerin hat maßgeblich am Klimaschutzabkommen von | |
Paris 2015 mitgearbeitet. Wir haben europäische Klimaziele ausgehandelt. | |
Wir sind die Partei, die überhaupt als erste ein Umweltministerium | |
eingerichtet hat. In den 80ern haben wir den Katalysator eingeführt. Wir | |
können Klima- und Umweltpolitik und brauchen uns da nicht zu verstecken. | |
In den letzten zehn Jahren ist im Klimaschutz nichts passiert. Im Verkehr | |
nicht, bei der Gebäudesanierung nicht, der Kohleausstieg hätte früher | |
eingeleitet werden können. Hat die Union nicht einfach eine Menge versäumt? | |
Nein, das ist nicht richtig. Wir haben 2011 beschlossen, aus der Atomkraft | |
auszusteigen. Das hatte absolute Priorität. Wir haben unseren | |
Ökostromanteil auf 40 Prozent erhöht. Das ist eine gewaltige Leistung, wo | |
ist da das Versagen? Wir haben auf europäischer Ebene für Industriestrom | |
einen Zertifikatehandel eingeführt. Nach Anfangsschwierigkeiten läuft das | |
jetzt. Im Verkehr, der Landwirtschaft und beim Wohnen haben wir das noch | |
nicht gemacht. Das ist jetzt die Diskussion. | |
Aber Deutschland verbaselt seine Klimaschutzziele für 2020. | |
Das ist falsch. | |
Die Bundesregierung hat 40 Prozent CO2-Minderung bis 2020 im Vergleich zu | |
1990 versprochen, das schafft sie nicht. | |
Deutschland hat sich die 40 Prozent ehrgeizig selbst als nationales Ziel | |
gesetzt. Bei den internationalen Verpflichtungen sieht es anders aus. Das | |
Kioto-Abkommen als Vorläufer des Pariser Klimaabkommens definiert EU-weite | |
Ziele: Minus 20 Prozent CO2 bis 2020. Das hat die EU schon erreicht. Und | |
Deutschland muss nach dieser Verpflichtung auf minus 34 Prozent kommen. Das | |
werden wir wahrscheinlich schaffen und darauf kommt es doch an. | |
Sie wollen jetzt mit einer Gruppe von Parlamentariern vorpreschen, um die | |
Union zu mehr Klimaschutz zu bewegen? | |
Sie sprechen vom Klimakreis, den es bereits seit 2013 gibt. Wir diskutieren | |
darin gerade, dass wir noch mehr Tempo machen müssen. Wir wollen ein | |
Diskussionspapier zum Klimaschutz erstellen, das bald veröffentlicht wird. | |
Wichtig ist, dass dort das Bekenntnis zur grünen Null aufgenommen wird. | |
Das heißt CO2-Neutralität bis 2050? | |
So ist es. Dafür brauchen wir einen Preis für CO2. Möglich sind der | |
Zertifikatehandel und eine Steuer. Beides hat Vor- und Nachteile, und wir | |
müssen schauen, wie man das kombiniert. | |
Teile der Union warnen vor einer Belastung der Industrie durch Abgaben auf | |
CO2, gleichzeitig wollen Sie aber ein Preissignal, das klimafeindliche | |
Produktion verteuert. Wie wollen Sie den Widerspruch lösen? | |
Wir wären mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir den CO2-Preis so wählen, | |
dass die Industrie ihre schmutzige CO2-Produktion ins Ausland verlagert. | |
Dann verlieren wir Arbeitsplätze und für das Klima ist nichts getan. Wir | |
müssen verhindern, dass ins Ausland verlagert wird, und wir müssen | |
verhindern, dass dreckige Produkte aus dem Ausland verbilligt reinkommen. | |
Da gibt es Debatten um einen Grenzsteuerausgleich. | |
Auch der französische Präsident Emmanuel Macron hat eine CO2-Steuer an der | |
Grenze Europas vorgeschlagen. Müsste man damit nicht in einen Konflikt mit | |
den USA gehen? | |
So weit sind wir noch nicht. Im Juli machen wir unsere Vorschläge, im | |
September gibt es Entscheidungen. Die Kanzlerin fragt sich, ob man einen | |
gemeinsamen CO2-Markt mit den Niederlanden und Frankreich oder China | |
bildet. Wir wollen eine grüne Null ohne soziale Verwerfungen, sonst | |
bekommen wir Gelbwesten wie in Frankreich. Wir müssen Arbeitsplätze und den | |
Wohlstand in Deutschland halten und brauchen keine Verzichtspredigt. Sonst | |
werden einem die Menschen nicht folgen. | |
Ist das jetzt die Erzählung der CDU, mit der Sie die Kids auf der Straße | |
begeistern wollen: Die Grünen predigen Verzicht, wir nicht? | |
Unsere Erzählung ist: Wir achten auf Generationengerechtigkeit. | |
Aber beim Klimawandel geht es doch um Generationengerechtigkeit. | |
Genau. Und deswegen geht es auch um Fragen wie den langfristig gedachten | |
Staatshaushalt. Da haben wir es bewiesen und seit Jahren eine schwarze | |
Null. | |
Dank der Europäischen Zentralbank, die die Leitzinsen auf Null gesenkt hat. | |
Also, da gehört schon mehr dazu. Wenn ich sehe, was die SPD für | |
Ausgabewünsche hatte, da hätten wir lange keine schwarze Null gehabt. Die | |
grüne Null im Klimabereich muss für die Rentnerin auf dem Land bezahlbar | |
sein und der jungen Generation zeigen: Wir werden 2030 keine verbrannte | |
Erde haben. | |
Kann es sein, dass Sie den Leuten erst Angst machen, dass wegen des | |
Klimaschutzes ihre Arbeitsplätze gefährdet seien, und dann versuchen, ihnen | |
diese Angst wieder zu nehmen? | |
Wer macht denn Angst in unserem Land? Die Grünen – nach dem Motto: 2030 | |
steht hier kein Baum mehr. Das ist Panikmache. Wir haben eine | |
hochtechnologische Industrie, in der Millionen von Menschen kreativ sind, | |
um diese Herausforderung zu meistern. In den 80er haben wir das mit dem | |
sauren Regen doch auch geschafft. | |
Apropos Verbote: CDU-Mann Klaus Töpfer hat der Industrie in den 80ern über | |
das Ordnungsrecht verboten, zu viele Schwefeldioxidemissionen auszustoßen. | |
Und dann hatte die Wirtschaft ein Zeitfenster, um den Katalysator | |
einzuführen. CO2 entsteht aber überall, da kommt man mit Verboten nicht | |
weiter. Die Grünen predigen Konsumverzicht, aber damit nimmt man die | |
Menschen nicht mit. Die meisten wollen nicht auf Konsum und ihren | |
Lebensstandard verzichten. Es gab keinen Moment der Geschichte, in dem die | |
Menschen sich beim Wohlstand freiwillig zurückgenommen haben. | |
Die Wissenschaft warnt vor einem Kippen des Klimas bis 2030, das ist eine | |
Feststellung von Tatsachen. Wo ist da Panikmache? | |
Wir haben als Politik die Verantwortung, die Ängste, die da sind, nicht zu | |
relativieren oder zu beschwichtigen, sondern sie ernst zu nehmen und dann | |
zu handeln. Das tun wir. Unverantwortlich ist, die Angst zu nehmen und eine | |
politische Kampagne daraus zu machen. Das tun die Grünen. Und das tun auch | |
andere Parteien mit anderen Themen. Wir versuchen jetzt die verschiedenen | |
Stränge zusammenzubinden und müssen dafür geradestehen, dass wir ein | |
Klimaschutzgesetz bekommen, von dem wir sagen: Wir werden mit ziemlicher | |
Sicherheit diese Ziele einhalten. Aber selbst wenn es dieses Gesetz gibt, | |
ist die Hausaufgabe nicht erledigt. Weil wir jede Menge andere Länder | |
mitnehmen müssen. Und das geht nur, wenn Deutschland und andere europäische | |
Länder beweisen können, dass das mit Wohlstandsgewinn geht und nicht mit | |
Verlust. Weil die Leute in anderen Ländern sagen: Warum sollen wir auf | |
etwas verzichten, um ein Problem zu lösen, das ihr in der ersten Welt | |
verursacht habt. | |
Vieles deutete auf einen Wertewandel zu weniger Konsum hin. Was ist daran | |
schlimm, wenn die Leute künftig weniger Krempel und mehr Zeit haben? | |
Ich sage ja nicht, dass Wertewandel schlecht ist. Aber nur auf Verzicht zu | |
setzen wird nicht funktionieren. Stuttgart etwa ist eine der grünsten | |
Städte in Deutschland und hat seit fast acht Jahren einen grünen | |
Oberbürgermeister. In keiner anderen Stadt steigt die Anmeldung von SUVs so | |
sehr. | |
Woher wollen Sie denn wissen, dass nicht Ihre Wähler die SUVs kaufen, weil | |
Sie denen erzählen, dass sie nicht darauf verzichten müssen? | |
Bei 30 bis 40 Prozent grünen Wählern wäre ich schon schwer irritiert, wenn | |
die 20 Prozent, die in Stuttgart noch für uns stimmen, für alle SUV-Käufe | |
verantwortlich sind. Verzicht hört sich immer nett an. Aber alle Zahlen | |
sprechen dafür: Jeder optimiert sein Leben und versucht, das Beste für sich | |
herauszuholen. | |
Wenn die Grünen sagen, dass der Mensch nicht ewig noch mehr fressen und | |
konsumieren kann, dann sagt die CDU also: doch, schon. Haben Grüne und CDU | |
einfach ein unterschiedliches Menschenbild? | |
Die Grünen wissen, dass Verzicht nicht von allein kommt. Deshalb sagen sie, | |
der Staat muss verbieten und vorschreiben. Ich möchte den Menschen die | |
Möglichkeit geben, ihr Wissen und ihre Kreativität zu nutzen, um mit | |
innovativen Ideen und Technologien im Maß des ökologisch Möglichen ihren | |
Wohlstand zu halten und Teil dieser Entwicklung zu sein. Dafür geben wir | |
den Rahmen vor. | |
Können Sie mal drei Dinge nennen, die die Grünen verbieten wollen? | |
Momentan halten die sich noch sehr zurück, weil sie dazugelernt haben und | |
wissen, dass sie mit Verboten auf die Schnauze fliegen. Die werden den | |
Veggieday nirgends mehr reinschreiben, ihn aber durchsetzen, sobald es | |
geht. Natürlich werden die Grünen Dinge verbieten. In der Landwirtschaft | |
werden sie das Fleisch deutlich verteuern. Kürzlich gab es eine Diskussion | |
darum, ob man nur noch fünfmal im Jahr fliegen darf. | |
Fünfmal fliegen und dann eine Abgabe zahlen. | |
Das wäre doch wieder zulasten derer, die sich das nicht leisten können. Und | |
zudem ein massiver Eingriff in die Reisefreiheit. Mal schauen, wie das | |
Verfassungsgericht da reagiert, wenn man sagt, du sollst nur fünfmal im | |
Jahr fliegen. | |
Das sagt aber niemand. Es ging um eine Abgabe für Vielflieger, um ein | |
Preissignal. Wenn Sie einen CO2-Preis fordern, ist das nichts anderes. | |
Ich traue den Grünen einfach nicht, wenn sie jetzt sagen: Nein, wir werden | |
niemandem was verbieten. Die sind immer noch eine sehr linke Partei, keine | |
bürgerliche. Preissignale sind gut, wenn sie durchdacht und ernst gemeint | |
sind. | |
19 Jun 2019 | |
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Ingo Arzt | |
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