# taz.de -- Generaldebatte im Bundestag: Der Kanzler geht in die Offensive | |
> Kanzler Scholz und Oppositionsführer Merz liefern sich einen munteren | |
> Schlagabtausch. Ersterer kündigt neue Waffenlieferungen an die Ukraine | |
> an. | |
Bild: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 1. Juni im Bundestag | |
Kalt gelassen hat Olaf Scholz die Rede offensichtlich nicht. 20 Minuten | |
lang hat Unionsfraktionschef Friedrich Merz den Bundeskanzler mit Fragen | |
bestürmt. Warum er nicht endlich sage, dass die Ukraine den Krieg gewinnen | |
müsse, fragt Merz. Welche [1][Waffen er wirklich liefern] wolle. Und wie | |
der Kanzler abstimmen werde, wenn es im Europäischen Rat um einen | |
EU-Kandidatenstatus für die Ukraine geht. Für den CDU-Mann ist klar: Der | |
Kanzler wird dem [2][Begriff der Zeitenwende], den dieser in seiner | |
Regierungserklärung zu Beginn des Krieges verwendet hatte, nicht gerecht. | |
„Sie reden in letzter Zeit etwas mehr als sonst, aber Sie sagen unverändert | |
nichts“, sagt Merz. Damit greift er Vorwürfe auf, die derzeit häufig gegen | |
Scholz erhoben werden: Dass dieser mit Blick auf den russischen | |
Angriffskrieg in der Ukraine zu zögerlich sei – und seine Politik zu wenig | |
erkläre. | |
Im Bundestag ist Haushaltswoche, an diesem Vormittag steht der Etat des | |
Kanzleramts auf der Tagesordnung und damit eine Generaldebatte zur | |
Regierungspolitik. Seit die Union stärkste Oppositionsfraktion ist und Merz | |
ihr Chef, darf er diese Debatte eröffnen. Während der CDU-Mann spricht und | |
Vorwurf auf Vorwurf und Frage auf Frage türmt, schaut Scholz meist stoisch | |
geradeaus, manchmal auch kurz auf sein Handy. | |
Dann steht Scholz am Redepult. Gewöhnlich liest er seine Reden vom Blatt | |
ab, oft ist es ermüdend, ihm zuzuhören. Doch jetzt lässt der Kanzler sein | |
Manuskript liegen. „Sie sind hier durch die Sache durchgetänzelt und haben | |
nichts Konkretes gesagt“, greift Scholz Merz an. Er wirft diesem vor, nur | |
Fragen zu stellen und sich selbst nicht zu positionieren. „Damit werden Sie | |
nicht durchkommen.“ | |
## Das Gegenteil von Scholz? | |
Auch erinnert der Kanzler daran, dass es die Union war, die zuletzt im | |
Kanzleramt und auch im Verteidigungsministerium das Sagen hatte. Die | |
schlechte Zeit der Bundeswehr habe ja mit CSU-Mann Karl-Theodor zu | |
Guttenberg begonnen, ein „presseaffiner, viel kommunizierender, sich selten | |
in seinem Amt aufhaltender Verteidigungsminister“. Ob er Guttenberg damit | |
als das genaue Gegenteil seiner selbst beschreiben will? Das lässt Scholz | |
offen. Nur so viel: „Manchmal ist Sacharbeit wirklich eine nützliche | |
Sache.“ Es geht munter zu im Bundestag. | |
Später, da ist Scholz längst wieder bei seinem Redetext angekommen und hat | |
ein paar zähe Passagen hinter sich gebracht, sagt er: „Wenige Tage nach | |
Kriegsausbruch haben wir Flugabwehrraketen und Panzerabwehrwaffen | |
geliefert.“ Und listet dann unter anderem auf: mehr als 15 Millionen Schuss | |
Munition, 100.000 Handgranaten, über 5.000 Panzerabwehrminen, umfangreiches | |
Sprengmaterial, Maschinengewehre. „Und schwere Waffen?“, ruft einer | |
dazwischen. Auch das hatte Merz der Bundesregierung vorgeworfen: Dass diese | |
– anders als vom Bundestag beschlossen – bislang noch keine schweren Waffen | |
in die Ukraine geliefert habe. Zugesagt waren bislang 7 Panzerhaubitzen und | |
30 Panzer vom Typ Gepard. | |
Auch da geht Scholz in die Offensive. Er erinnert nicht nur an den | |
Ringtausch, sondern betont, dass die Verträge zwischen der Ukraine und der | |
Industrie für die Gepards inzwischen unterzeichnet seien. Und dann hat er | |
noch Neuigkeiten dabei: Die Ukraine soll das Luftverteidigungssystem Iris-T | |
erhalten. Dies sei, so Scholz, das modernste Flugabwehrsystem, über das | |
Deutschland verfüge. „Damit versetzen wir die Ukraine in die Lage, eine | |
ganze Großstadt vor russischen Luftangriffen zu schützen.“ Zudem werde | |
Deutschland „ein hochmodernes Ortungsradar liefern“, das zur Aufklärung | |
feindlicher Artilleriestellungen genutzt werden könne. Das klingt auch ein | |
bisschen nach Befreiungsschlag. | |
Und Scholz hat noch einen anderen Vorschlag mitgebracht. „Ich möchte die | |
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ihre Gewerkschaften und die Arbeitgeber | |
zu einer konzertierten Aktion zusammenrufen“, kündigt der Kanzler mit Blick | |
auf die dramatisch steigenden Preise in Deutschland an. Der Begriff | |
„konzertierte Aktion“ geht auf den ehemaligen SPD-Wirtschaftsminister Karl | |
Schiller zurück, der angesichts der Wirtschaftskrise 1967 zu einer solchen | |
geladen hatte, damit Staat, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften | |
gemeinsame Lösungen finden. | |
Scharfe Kritik an der Bundesregierung formuliert Amira Mohamed Ali, die | |
Vorsitzende der Linksfraktion. Der Bundeshaushalt für das Jahr 2022 sei | |
„nicht sozial“ und „zutiefst ungerecht“. „Diese Bundesregierung gibt … | |
Antworten auf die sozialen Krisen unserer Zeit.“ Studierende und | |
Rentner:innen würden bei der [3][Energiepauschale in Höhe von 300 Euro] | |
leer ausgehen. Sie fordert sofortige Maßnahmen zur Abfederung der massiven | |
Preissteigerungen sowie eine Vermögensteuer und betont, dass ihre Fraktion | |
das Sondervermögen für die Bundeswehr ablehne. | |
In einer früheren Version des Textes hieß es fälschlich, die | |
Bundesregierung habe die Lieferung von 50 Gepard-Panzer zugesagt. | |
Tatsächlich ging es aber nur um 30 dieser Fahrzeuge. Wir bitten den Fehler | |
zu entschuldigen. d. R. | |
1 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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