# taz.de -- Für das Recht auf den Flüchtlingsstatus: Syrer ziehen vor Gericht | |
> Im Norden berichten die Verwaltungsgerichte von einer Klagewelle: | |
> Syrische Geflüchtete fordern die Anerkennung nach der Genfer | |
> Flüchtlingskonvention. | |
Bild: Trotz Menschenrechtsverletzungen in ihrer Heimat bekommen Syrer oft keine… | |
HAMBURG taz | Viele syrische Geflüchtete ziehen in Norddeutschland vor die | |
Verwaltungsgerichte. Sie kämpfen dort für eine Zukunft in Deutschland. Denn | |
trotz des Bürgerkrieges in ihrem Heimatland gewährt das Bundesamt für | |
Migration und Flüchtlinge (Bamf) immer mehr Geflüchteten aus Syrien nur | |
einen subsidiären Schutzstatus in Deutschland. Das bedeutet, dass sie zwar | |
eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr haben, sie aber nicht als | |
Flüchtlinge anerkannt sind. | |
Allein beim Bremer Verwaltungsgericht sind 274 Klagen von syrischen | |
Geflüchteten anhängig, in Hamburg sind es 410 Verfahren und in Hannover | |
345. Der Hamburger Rechtsanwalt Mahmut Erdem hält das Vorgehen des Bamf für | |
rechtswidrig. Doch: „Viele Betroffene kennen und wissen nicht, dass ein | |
Vorgehen gegen diese Entscheidung des Bundesamtes möglich ist“, sagt Erdem. | |
Hintergrund der Klagewelle ist eine veränderte Entscheidungspraxis des | |
Bamf. Seit 2014 war Flüchtlingen aus Syrien von der Behörde der Schutz der | |
Genfer Flüchtlingskonvention in der Regel pauschal im schriftlichen | |
Schnellverfahren zugebilligt worden. Seit März dieses Jahres ist das | |
Bundesamt dazu übergegangen, dass sich auch SyrerInnen einer persönlichen | |
Anhörung unterziehen müssen. Rund 60 Prozent der Angehörten wird seither | |
nur ein subsidiärer Schutz zugestanden, ergab eine Anfrage der | |
Bundestagslinken. | |
„Das ist ein minderwertiger Schutzstatus für ein Jahr und nur eine bessere | |
Duldung, die jederzeit widerrufen werden kann“, sagt Erdem. Und wer nach | |
diesem „sehr zweifelhaften Flüchtlingsanerkennungsverfahren“ nur mit | |
subsidiärem Schutz in Deutschland lebe, müsse mindestens zwei Jahre warten, | |
bis er oder sie den Nachzug des Ehepartners oder der Kinder beantragen | |
könne. | |
„Viele verstehen einfach nicht, was in den Bamf-Bescheiden steht und was | |
sie bedeuten“, sagt der Anwalt. Doch wer nicht binnen zwei Wochen gegen den | |
Bamf-Bescheid über den subsidiären Schutzstatus klage, habe keine Chance | |
mehr, später einen Flüchtlingsstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention | |
zu bekommen – selbst wenn er ihnen zustünde, sagt Erdem. | |
„Viele haben schon die Frist zur Einlegung von Rechtsmitteln versäumt, weil | |
sie nicht wussten, wie die nächsten Schritte aussehen müssen.“ Erdem | |
fordert daher vom Innenministerium, dass entweder das Bundesamt die | |
bisherigen Bescheide revidiert oder die rechtliche Möglichkeit geschaffen | |
werde, ein Wiederaufnahmeverfahren zu beantragen. | |
Doch auch die Chancen einer Klage gegen die Bescheide vor den | |
Verwaltungsgerichten sind nicht schlecht. „Das Verwaltungsgericht hat | |
meinen Mandanten Prozesskostenhilfe gewährt“, sagt der Anwalt. Die bekomme | |
man nur, wenn die Klage Aussicht auf Erfolg habe. | |
Bisher hätten die deutschen Verwaltungsgerichte in mehr als 90 Prozent der | |
Fälle den syrischen Klägern den höherwertigen Flüchtlingsschutz gemäß der | |
Genfer Flüchtlingskonvention zugesprochen. Die Voraussetzung dafür ist, | |
dass ein Flüchtling bei seiner Rückkehr mit Verfolgung aufgrund seiner | |
Religion, Ethnie oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe rechnen | |
muss. Viele Gerichte gehen davon aus, dass die syrische Regierung schon das | |
Bitten um Asyl im Ausland als Ausdruck regimefeindlicher Gesinnung ansehe. | |
Im Norden ist noch kein Fall entschieden worden. „Bisher ist noch keine | |
streitige Entscheidung in dieser Konstellation ergangen“, sagt Hannovers | |
Verwaltungsgerichtssprecher Ingo Behrens. Und Katja Koch vom | |
Verwaltungsgericht Bremen sagt: „Nach den bisherigen Entscheidungen | |
bewilligen wir zur Zeit Prozesskostenhilfe – wir haben aber noch kein | |
Verfahren entschieden.“ | |
27 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
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