# taz.de -- Aktion Zentrum für Politische Schönheit: Paragraf 63, Aufenthalts… | |
> 23 Flüchtlinge klagen gegen die Bundesrepublik, weil diese ihnen die | |
> Einreise verweigerte. Sie stoppte ein Flugzeug, mit dem sie einreisen | |
> wollten. | |
Bild: Umstrittene Aktion: Zirkustiger warten auf Flüchtlinge | |
BERLIN taz | Nächste Runde im Kampf um legale Einreisemöglichkeiten für | |
Geflüchtete nach Deutschland: Mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht in | |
Berlin wollen 23 syrische Geflüchtete feststellen lassen, dass die | |
Bundesregierung sie nicht hätte hindern dürfen, als sie am 28. Juni mit | |
einem Charter-Flugzeug nach Deutschland fliegen wollten. | |
Hintergrund ist eine Aktion des sogenannten [1][Zentrums für Politische | |
Schönheit]. Unter dem Titel [2][„Flüchtlinge Fressen“] hatte die Gruppe v… | |
Kunstaktivisten im Juni eine provokative Kunstaktion am Berliner Maxim | |
Gorki Theater veranstaltet. Dabei wollten sich angeblich freiwillige | |
Flüchtlinge den dort ausgestellten Zirkustigern zum Fraß vorwerfen lassen, | |
wenn die Bundesregierung nicht die Einreise eines privat gecharterten | |
Flugzeugs für andere Flüchtlinge zulasse. | |
Das „Zentrum für Politische Schönheit“ hatte im Rahmen der Kampagne eine | |
sogenannte „Flugbereitschaft der Zivilgesellschaft“ eingerichtet und | |
[3][dazu bei der Fluggesellschaft Air Berlin eigens ein Flugzeug gemietet], | |
das nach Angaben der Kunstaktivisten am 28. Juni insgesamt 115 syrische | |
Flüchtlinge, darunter zahlreiche Kinder, auf sicherem Wege aus dem | |
türkischen Antalya nach Berlin bringen sollte. | |
Einige Tage zuvor hatte das Zentrum das Bundesinnenministerium von seinen | |
Plänen unterrichtet, eine Namensliste der Passagiere übersandt und um eine | |
Einreisegenehmigung ersucht. Diese wurde jedoch verweigert. Das | |
Bundesinnenministerium schrieb: „Die gesetzlichen Einreisevoraussetzungen | |
werden durch das Zentrum für Politische Schönheit nicht außer Kraft | |
gesetzt.“ Das Zentrum wollte das Flugzeug daraufhin dennoch starten lassen. | |
## Ein teurer Flug | |
Mit der Aktion provozierten die Kunstaktivisten eine Anwendung des | |
Paragrafen 63 im deutschen Aufenthaltsgesetz. Dort sind die „Pflichten von | |
Beförderungsunternehmen“ im Hinblick auf die illegale Einreise nach | |
Deutschland geregelt. Absatz 1 besagt etwa, „ein Beförderungsunternehmer | |
darf Ausländer nur in das Bundesgebiet befördern, wenn sie im Besitz eines | |
erforderlichen Passes und eines erforderlichen Aufenthaltstitels sind.“ | |
Im weiteren regelt der Paragraf, dass das Bundesinnenministerium bei | |
Zuwiderhandlung einem Unternehmen ein Zwangsgeld von bis zu 5.000 Euro pro | |
zu Unrecht beförderter Person auferlegen darf. Für Air Berlin hätte der | |
Flug mit den syrischen Flüchtlingen aus der Türkei nach Deutschland also | |
teuer werden können. | |
Das Zentrum für Politische Schönheit sieht in dem Paragrafen jedoch eine | |
indirekte Werbemaßnahme für Schlepperringe. Der Paragraf, der sich auf eine | |
EU-Richtlinie stützt, verhindere, dass politisch verfolgte Menschen auf | |
sicheren Wegen in ein sicheres Aufnahmeland wie Deutschland gelangen | |
könnten. Mit seiner Aktion wollte das Zentrum auf diesen Paragrafen | |
aufmerksam machen und einen Präzedenzfall schaffen, über den dann geurteilt | |
werden könne. | |
Tatsächlich hatte das Bundesinnenministerium im konkreten Fall interveniert | |
und mittels der Bundespolizei die Fluggesellschaft Air Berlin darauf | |
hingewiesen, dass es sich bei der Reisegruppe um Geflüchtete ohne gültige | |
Einreisepapiere handele. In der Folge trat die Fluggesellschaft aus dem | |
Chartervertrag zurück. Der außerplanmäßige Flug, Flugnummer AB 9717, fand | |
nicht statt. | |
## Nicht nur Kunst, sondern Hilfe | |
Hiergegen gehen laut deren Anwalt Markus Goldbach und dem Zentrum für | |
Politische Schönheit nun 23 der beteiligten Flüchtlinge vor. Sie | |
argumentieren, dass Paragraf 63 des Aufenthaltsgesetzes nicht | |
grundgesetzkonform und seine Anwendung durch das Innenministerium | |
rechtswidrig gewesen seien. In der Klageschrift heißt es, seitens des | |
Innenministeriums sei es „gleich mehrfach zu einem Ermessensausfall“ | |
gekommen. | |
Bei den Klägern, die aus der Türkei nach Deutschland transportiert werden | |
sollten, handele es sich um syrische Bürgerkriegsvertriebene, die in der | |
Türkei nicht als Flüchtlinge registriert gewesen seien und sich mit ihren | |
Kindern in der Türkei als Bettler durchgeschlagen hätten. Das | |
Innenministerium habe bei seiner Entscheidung verkannt, dass es sich nicht | |
lediglich um eine Kunstaktion gehandelt habe, sondern auch um konkrete | |
humanitäre Hilfestellung und Hilfeersuchen. | |
„Ganz offensichtlich“, heißt es in der Klageschrift, in der es auch um den | |
sogenannten Türkei-Deutschland-Pakt geht, „leben alle syrischen | |
Bürgerkriegsflüchtlinge in der Türkei unterhalb der Mindeststandards, die | |
nach den Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention und des | |
Menschenrechtskatalogs der Europäischen Menschenrechtskonvention | |
vorgeschrieben sind.“ | |
Über die Klage, die [4][hier] einsehbar ist, soll nun das Berliner | |
Verwaltungsgericht entscheiden. Gerichtssprecher Stephan Groscurth | |
bestätigte am Mittwoch den Eingang der Klageschrift. Nun muss zunächst das | |
Gericht klären, ob es die Klage für zulässig hält. Gerichtssprecher | |
Groscurth: „Die Klage wirft eine Reihe von Zulässigkeitsfragen auf, die nun | |
geklärt werden müssen.“ | |
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte am Mittwoch, die Behörde | |
sehe der Klage gelassen entgegen. | |
19 Oct 2016 | |
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[1] http://politicalbeauty.de/ | |
[2] /!5312481/ | |
[3] /!5317872 | |
[4] http://politicalbeauty.de/ff/KlageZPS.pdf | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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