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# taz.de -- Pro und Contra Kunstaktion in Bornhagen: Ein Mahnmal neben Höckes …
> Das Zentrum für Politische Schönheit observiert seit Monaten das Haus des
> AfD-Politikers. Die Aktion sorgt für geteilte Meinungen.
Bild: Mahnmal in Bornhagen, Thüringen
24 Stelen ragen im thüringischen Bornhagen auf – auf einer Wiese, Zaun an
Zaun mit dem Grundstück des AfD-Politikers Björn Höcke. Es handle sich um
eine [1][„Außenstelle“ des Denkmals für die ermordeten Juden Europas],
erklärt das Künstlerkollektiv Zentrum für Politische Schönheit (ZPS).
Seit etwa zehn Monaten habe man das Grundstück angemietet, als Reaktion auf
Höckes deutschlandweit bekannt gewordene Rede in Dresden. Darin hatte er
das Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ bezeichnet und eine
„erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ gefordert. Zudem habe man den
„Zivilgesellschaftlichen Verfassungsschutz Thüringen“ gegründet, um Höcke
im Auge zu behalten, erklärte das ZPS. Das Ziel? „Seit 6 Uhr heute früh
wird zurückgedacht“.
## JA
Es sei die falsche Zeit für eine solche Aktion, sagen manche. Jetzt, wo
endlich mal nicht alle nur über die AfD reden. Die Partei und die Person
Höcke würden dadurch nur aufgewertet. Es sei unangebracht, das Gedenken an
die von den Nazis ermordeten Jüdinnen und Juden für politische Zwecke zu
instrumentalisieren, sagen andere.
„Ein Mahnmal sollte ein Ort der Würde für die Opfer sein, nicht für
politischen Klamauk“, twittert etwa der Journalist Philip Meinhold. Ein
durchaus wichtiger Satz – doch die Aktion des Zentrums für Politische
Schönheit ist mehr als nur Klamauk. Und sie adressiert mehr Menschen als
nur den AfDler Björn Höcke.
Es geht um eine grundlegende Frage: Was ist uns unser Gedenken wert? Was
sind wir bereit, zu tun, um Geschichtsrevisionisten die Stirn zu bieten?
Anfang diesen Jahres hatte Höcke das Denkmal in Berlin zu einem „Mahnmal
der Schande“ erklärt und eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“
gefordert – unter dem tosenden Applaus des Publikums. Heute scheint der
Fall ausdiskutiert und Höcke ist immer noch in der AfD, die inzwischen im
Bundestag sitzt. Und zwar dank der Stimmen von 13 Prozent der Wählenden in
Deutschland.
Eins scheint also leider sicher: Das Thema Erinnerungspolitik wird uns
mindestens in der nächsten Legislaturperiode intensiv begleiten. Und das
liegt nicht an Einzelnen wie Höcke, sondern an der viel zu großen wabernden
Masse in Deutschland, die jetzt endlich mal einen „Schlussstrich“ ziehen
möchte.
Sich an die Vergangenheit zu erinnern ist die Grundlage dafür, für die
Zukunft Verantwortung zu übernehmen. Diese Verantwortung geht uns alle an –
und nicht nur diejenigen, die ohnehin nicht das Problem sind. „Die
Erinnerung muss gerade in den braunen Ecken des Landes in Beton gegossen
werden“, erklärt Philipp Ruch, künstlerischer Leiter des ZPS.
Dann ist da noch das Argument, selbst ein Höcke habe das Recht auf
Privatsphäre. Höckes genauer Wohnort ist der Öffentlichkeit allerdings
spätestens seit 2015 bekannt – und zwar auch durch Interviews, in denen er
das Haus in Einzelheiten selbst ausführlich beschreibt.
Am Ende geht es um die Frage, ob wir als Gesellschaft die unsägliche
Diskussion, wie Höcke und Konsorten sie führen wollen, aussitzen und somit
zulassen – oder ob wir ihr etwas entgegensetzen. Wir sollten uns für
Letzteres entscheiden. Dafür mag es unterschiedliche Formen geben, nicht
alle werden allen gefallen. Aber das trifft auch für Projekte wie die
Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig zu. Die Frage lautet, um noch
einmal Philipp Ruch zu zitieren: „Sind wir eine wehrhafte oder eine
wehrlose Demokratie?“
Dinah Riese
## NEIN
Die Mahnmal-Aktion ist, kurz gesagt, genial. In Sachen Timing ist sie
leider trotzdem komplett missglückt.
Vielleicht erinnern Sie sich, vor anderthalb Jahren sagte der damalige
AfD-Vize Alexander Gauland in einem FAZ-Interview irgendetwas Plattes über
Fußballprofi Jérôme Boateng und Nachbarn. Vielleicht erinnern Sie sich auch
nicht – um so besser. Damals verschaffte sich die Springer-Boulevardzeitung
B.Z. jede Menge Sympathien mit einer Titelseite voller Klingelschilder.
Namen von Promis, die erklärten: Ich hätte Boateng supergerne als Nachbarn.
Das waren Zeiten, da waren derlei Provokationen neu und verunsichernd. Man
freute sich über bildgewaltige Aktionen, die sagten: „Die Mehrheit ist
dagegen – und obendrein noch kreativer als ihr.“ Die AfD derweil freute
sich. Jede noch so erwartbare Botschaft bekam tagelang Presse. Das daraus
folgende Dilemma (Ignorieren vs. Adressieren) beschäftigte uns noch bis zur
Bundestagswahl.
Seither aber hat sich die öffentliche Diskussion gedreht. Seit Beginn der
Jamaika-Sondierungen ist die AfD kaum Thema gewesen. Plötzlich geht es
vorwiegend um politische Inhalte, um die Unvereinbarkeit von Grundsätzen
bei den verschiedenen Parteien. Es geht um Einwanderung, um Steuer- und
Rentenpolitik. Und seit Sonntagabend geht es zudem um fundamentale Fragen,
die die repräsentative Demokratie betreffen. Kurz: Es gibt plötzlich den
politischen Streit, dessen Fehlen im Wahlkampf und davor so häufig beklagt
worden ist. Und die AfD? Die geht unter.
In diese Situation nun platzt das Zentrum für politische Schönheit mit
einer Aktion, deren Anlass seit fast einem Jahr verstrichen ist. Die in
ihrer Art und Weise so was von 2016 ist: Eine aufwendig organisierte
Überreaktion auf die kalkulierte Grenzüberschreitung eines Popstars für
Neonazis.
Höcke soll sich durch einen Kniefall vor dem Mahnmal „läutern“? Die
AktivistInnen drohen mit der Preisgabe „pikanter Details“, an die sie durch
Überwachung gekommen sein wollen. Kann man den Mann noch wichtiger nehmen?
Kann man ihm eine bessere Opfervorlage geben?
Sollte es nach dem Scheitern von Jamaika Neuwahlen geben, dann kommt es in
den nächsten Wochen vor allem darauf an, welche Parteien die
Ausnahmesituation für sich kommunikativ klug nutzen. Wer auf jeden Fall
versuchen wird, sich mit jedem nur denkbaren Mittel vor die Kameras und
Mikrofone zu werfen, ist die AfD. Dabei muss man ihr nicht noch helfen.
Gut, all das konnten die InitiatorInnen nicht ahnen, als sie vor zehn
Monaten mit dem Projekt begannen. Aber für missglückte politische
Kommunikation gibt es eben keine Ausreden.
Peter Weissenburger
Anm. der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, die
Stelen seien aus Pappmaché. Dies beruhte auf einer dpa-Meldung. Die
zuständige Polizeidirektion konnte am Donnerstagmorgen auf taz-Anfrage noch
nicht angeben, ob es sich um Beton, Pappmaché oder ein anderes Material
handelt.
22 Nov 2017
## LINKS
[1] /Kunstaktion-zum-Holocaustmahnmal/!5465780
## AUTOREN
Dinah Riese
Peter Weissenburger
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