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# taz.de -- Politische Kunstaktion gegen Björn Höcke: Wohnen mit Aussicht
> In Bornhagen, wo der AfD-Politiker nun auf ein Miniatur-Holocaustmahnmal
> blickt, ist den Künstlern der Mietvertrag gekündigt worden.
Bild: Morius Enden und Jenni Moli vom Zentrum für Politische Schönheit in Bor…
Bornhagen taz | Schöner wohnen geht nicht. In Bornhagen im erzkatholischen
Eichsfeld thront die kleine Kirche am Berghang über dem malerischen
300-Seelen-Dorf. Daneben das fast noch größer wirkende holzverkleidete
ehemalige Pfarrhaus. Von hier blicken der thüringische AfD-Landeschef Björn
Höcke, seine Frau und die vier Kinder hinab auf den historischen
„Klausenhof“ und das Dorf, die Ausläufer des Nationalparks Hainich im
Rücken.
Hier zu wohnen heißt leben an der Deutschen Märchenstraße und auch gleich
noch an der Wurststraße. Einen kleinen Fleischerladen leistet sich der Ort
im hackepeterfreundlichen Eichsfeld und ein Dorfgemeinschaftshaus. Die nahe
gelegene Burg Hanstein ist ein touristischer Anziehungspunkt.
Am vergangenen Mittwochmorgen nun soll Höcke „perplex, nachdenklich und
grübelnd“ aus seinem Fenster geschaut haben. So berichten es drei Vertreter
des Zentrums für Politische Schönheit (ZPS), die sich im Januar unauffällig
im unterhalb des Hauses liegenden Nachbarhaus eingemietet hatten. In knapp
hundert Meter Entfernung erblickte Björn Höcke im Garten seines
Nachbarhauses 24 Betonstelen, die an die Blöcke des Berliner
Holocaustmahnmals erinnern. Dieses hatte Höcke im Januar 2017 im Dresdner
Ballhaus Watzke als „Denkmal der Schande“ bezeichnet.
Der Garten mit den Stelen ist von der Straßenseite aus nicht einsehbar, nur
von Höckes Haus. Die „Aufstellung von Skulpturen“ sei mit dem Vermieter
abgesprochen gewesen, berichtet Morius Enden, der wie viele ZPS-Freunde die
„Asche der verbrannten Hoffnung Deutschlands“ wie eine Kriegsbemalung auf
den Wangen trägt. Sooft man in der nur provisorisch eingerichteten Wohnung
anwesend war, habe man sich mit Nachbarn und anderen Mietern ganz gut
verstanden. Bis auf einen notorischen „Böhse Onkelz“-Hörer. „Wir sind ja
auch ganz sympathische Menschen“, sagt die ebenfalls schwarz bemalte Jenni
Molé lächelnd.
## Terroristendenkmal
Die Aufstellung der täuschend echt aussehenden Blöcke aus Theaterbeton
begann erst am 18. November unter schützenden Bauzelten. Zugleich startete
auf der ZPS-Seite eine Crowdfundingkampagne, die mit knapp 100.000 Euro
bereits ein Mehrfaches der entstandenen Kosten eingebracht hat. Nach der
Enthüllung der auf relativ engem Raum stehenden Pappmascheeblöcke sei noch
am frühen Vormittag ein „Pöbeltrupp“ eingetroffen, berichten die drei
ZPS-Mieter. Einige Einwohner waren darunter, aber vor allem herbeigerufene
Autoinsassen mit AfD-Jacken und einem Schild, die sich zuerst auf Höckes
Grundstück versammelten.
Bei dem dann folgenden Handgemenge hätten sie kurzzeitig Angst gehabt, dass
diese Truppe auch Wohnung und Garten stürmen wollte, berichten die
Angegriffenen. Offenbar hätten die AfDler zunächst gar nicht verstanden,
worum es geht, sie hielten die Blöcke für so genannte Nizza-Sperren und
damit für ein Terroristendenkmal.
Wie ist die Aktion zu verstehen? Das fragen sich auch Besucher, die in den
Garten vorgelassen werden. Denn das Ganze hat zwei Seiten. Dass es um
Höckes Attacken auf den „Schuldkult“ geht, ahnt ein älterer Herr noch. Was
die seit Januar laufende heimliche Observation des Höcke-Grundstücks
angeht, hat er starke Bedenken. Mit dem, was der Spähtrupp des
„Zivilgesellschaftlichen Verfassungsschutzes Thüringen“ zusammengetragen
hat, wird Höcke nämlich erpresst. Er solle am Mahnmal niederknien und so
„die deutsche Geschichte anerkennen“. Oder – so die Drohung – es werde
öffentlich gemacht, „was Höcke so am ‚Führergeburtstag‘, dem 20. April,
gemacht hat“, bekräftigt Morius Enden.
Deshalb ermittelt die Polizei in Nordhausen nun in beide Richtungen. Wegen
Stalking gegen das ZPS, aber auch gegen eine „AfD-Totenkopfstandarte“, die
den Provokateuren mit Erschießung gedroht haben soll. Weil sie sich nicht
mehr sicher fühlten, schlossen die ZPS-VertreterInnen am Freitagnachmittag
das Haus. Eigentlich war noch eine Beschallungsaktion geplant, bei der
Anrufe auf das Höcke-Grundstück übertragen werden sollten.
## Den Diskurs befördern
„Schlimmer als Stasi-Methoden“, kommentiert ein Bornhagener und bezieht
sich damit auf eine ähnlich lautende Äußerung des Thüringer
Landtagspräsidenten Christian Carius (CDU). Das katholische Eichsfeld, aus
dem auch Thüringens früherer Ministerpräsident Dieter Althaus stammt,
erweist sich auf der Straße als stockkonservativ. Von „Schwachsinn“ und
„Kinderei“ ist die Rede. „Schade ums Geld – das sollten sie lieber den
Armen geben, die liegen doch auch in Berlin nur zehn Meter von diesen
Sauklötzen entfernt“, erregt sich ein mit der Verschönerung seines Hauses
beschäftigter Mann. „Die sollen den Höcke in Ruhe lassen, er hat doch
nichts getan!“, fügt ein Nachbar hinzu.
Das sehen die drei ZPS-Leute ganz anders, die sich als Künstler betrachten
und keinesfalls als „Aktivisten“ bezeichnet werden wollen. Ihnen geht es
vor allem darum, der AfD die Tarnung wegzureißen, zu zeigen, wer Höcke
wirklich ist. Gerade jetzt, wo die Partei salonfähig zu werden scheint.
Sogar die Landtagsfraktion hatte im Zusammenhang mit dem
Parteiausschlussverfahren gegen Höcke per Gutachten feststellen lassen,
dass er unter dem Pseudonym Landolf Ladig für eine NPD-Zeitung geschrieben
hatte.
Eigentlich wollen die Künstler gar nicht weiter spalten, sondern den
Diskurs befördern und „mit Menschen in Kontakt treten“. „Was uns alle ei…
ist das Grundgesetz, das wir als das Heiligste ansehen“, wird Morius Ender
geradezu pathetisch. Das können viele angesichts der Methoden nicht
nachvollziehen, auch der Vermieter nicht, der nun zum Jahresende Wohnung
und Garten gekündigt hat.
Die arabischen Bewohner zweier Häuser, die seit zwei Jahren im Dorf leben
und friedlich akzeptiert werden, sind die einzigen Bornhagener, die nichts
mitbekommen haben. „Wir sind immer zu Hause“, sagt der einzige Deutsch
sprechende Junge, bevor eine Frau die Haustür zuschlägt.
26 Nov 2017
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Björn Höcke
Zentrum für Politische Schönheit
Gedenkstätte
Peng Kollektiv
Schwerpunkt AfD
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