# taz.de -- Aktion des Peng-Kollektivs: Die Stimmen der Verdrängten | |
> Geschichten von Mietern, die aus ihrer Wohnung gedrängt wurden, spielt | |
> das Künsterkollektiv Peng an die verantwortlichen Vermieter zurück. | |
Bild: Peng will Geschichten der vergessenen Verdrängten zurückholen | |
Berlin taz | „Wissen Sie, wie das ist, wenn so eine Entmietung | |
stattfindet?“, fragt die sanfte Männerstimme am Telefon. Ohne Atempause | |
geht es weiter: „Wenn man den ganzen Tag arbeiten geht und dann kommt man | |
nach Hause und macht den Briefkasten auf und einem zittert schon die Hand?“ | |
Und in den Briefen der Hausverwaltung oder des Vermieters: „Lächerliche | |
Forderungen, unhaltbare Sachen.“ Mit unterschwelliger Wut in der Stimme | |
geht der Monolog nach einer Minute ins Finale: „Und der ganze Scheiß, jede | |
Woche, das ganze Jahr über. Und der ganze Druck ist nur dafür da, dass Sie | |
Profit schöpfen können.“ | |
Mit Anrufen dieser Art müssen ab Montagmorgen Vermieter rechnen, die durch | |
verschiedene Druckmittel und Schikanen Menschen aus ihren Wohnungen | |
verdrängt haben. Eine Woche lang, durch einen Bot automatisiert, werden | |
ihre Privattelefone oder Firmenhotlines heißlaufen, 20 Mal am Tag. | |
Und jedes Mal werden sie konfrontiert mit den Geschichten ihrer ehemaligen | |
Mieter. Der moralische Übergriff ist die neueste Aktion der Berliner | |
Politkünstler vom [1][Peng-Kollektiv]. „Haunted Landlords – Die Rückkehr | |
der Entmieteten“, heißt sie; Vermieter sollen also von Gespenstern | |
heimgesucht werden. | |
40 Schicksale verdrängter Mieter aus sechs Häusern, davon vier in Berlin, | |
haben die Aktivisten gesammelt, anonymisiert und einsprechen lassen. Auf | |
der Website [2][hauntedlandlord.de] kann man sich die Ergebnisse anhören – | |
auch ohne Vermieter zu sein. „Die Geschichten sind verblüffend ähnlich“, | |
sagt die Peng-Aktivistin Nora Moll. Ob in Berlin, Leipzig oder Frankfurt – | |
überall ist es lukrativ, Altmieter loszuwerden, um dann teurer | |
weiterzuvermieten oder zu verkaufen. „Entmietungen und Zwangsräumungen sind | |
ein wesentliches Mittel, um Häuser zu räumen und dann Profit zu machen“, so | |
Moll. | |
Im Haus Mareschstraße 12 in Neukölln, um das es im anfangs zitierten | |
Statement geht, hat sich der Vermieter einer Reihe perfider Maßnahmen | |
bedient, um seine Mieter zu vergraulen – letztlich erfolgreich. Berichtet | |
wird, wie ohne Ankündigung ein Baugerüst aufgestellt und im Hausflur eine | |
Überwachungskamera installiert wurde. Einem ehemaligen Mieter sei am Tag | |
vor Weihnachten die Kündigung unter der Tür durchgeschoben, einem anderen | |
bei Bauarbeiten die Badewanne ausgebaut und zehn Monate nicht ersetzt | |
worden. | |
Am Ende der Schikanen erfolgte dann in einem Fall die Kündigung einer | |
Wohnung mit der Begründung des Eigenbedarfs, angeblich wollten die Eltern | |
des Vermieters nach Berlin ziehen. Kurz nach der erfolgreichen Verdrängung | |
fand sich die betreffende Wohnung zum doppelten Mietpreis auf einem | |
Immobilienportal wieder. Moll spricht von „extrem skrupellosen Methoden“. | |
## 200 Euro für den Auszug | |
Das gilt auch für die anderen Fälle, etwa in der [3][Berlichingenstraße in | |
Moabit]. Dort war mehrere Jahrzehnte lang ein Heim für wohnungslose Männer | |
untergebracht, bis der Eigentümer darauf kam, dass er mit der Unterbringung | |
von Flüchtlingen höhere Einnahmen erzielen könnte. Der Vermieter stellte | |
Heizung und Wasser ab, im Haus wimmelte es von Ratten, den Bewohnern wurden | |
200 Euro für ihren Auszug geboten. Anderswo werde mehr geboten, so Moll, | |
dabei könne innerhalb eines Hauses die angebotene Summe nach sozialem | |
Status der Mieter variieren. | |
Möglicher Kritik versuchen die Aktivisten von vornherein zu begegnen. „Ist | |
das Anrufen beim Vermieter ein größerer Eingriff in die Privatsphäre, als | |
Menschen frieren zu lassen, weil man kein Heizöl bestellt?“, fragt Moll | |
rhetorisch. Deutlich wird: Die Sorge vor einer öffentlichen Empörung, weil | |
man den Vermietern zu nahe rücke, ist präsent. [4][Jüngst war das Zentrum | |
für Politische Schönheit von vielen dafür kritisiert worden], in den | |
Intimbereich von AfD-Nazi Björn Höcke eingedrungen zu sein, weil es diesen | |
observiert und seinen Müll durchsucht hatte. | |
Moll, die mit dem Peng-Kollektiv [5][selber von Verdrängung bedroht ist], | |
verweist darauf, dass sie „keine Hexenjagd“ auf die Vermieter machen | |
wollen, ihre Namen werden nicht genannt. Verhindert werden soll jedoch, | |
dass die „Direktverantwortlichen einfach wegschauen können“, wie es etwa | |
bei öffentlichen Briefen der Fall sei. Und was ist das Ziel? Moll sagt: „Es | |
braucht eine Wohn- und Stadtpolitik, die Verdrängung sanktioniert, sie | |
unrentabel macht, anstatt sie zu belohnen.“ | |
27 Nov 2017 | |
## LINKS | |
[1] /!5406860/ | |
[2] https://hauntedlandlord.de/ | |
[3] /!5361131/ | |
[4] /Archiv-Suche/!5466211&s=sch%C3%B6nheit/ | |
[5] /!5371028/ | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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