# taz.de -- Frühjahrsgutachten: Weg mit der Schuldenbremse! | |
> Der Investitionsbedarf ist enorm, die Schuldenbremse ein Hemmschuh. Der | |
> Kleinkrieg unter den Wirtschaftsweisen ist ein Nebenschauplatz. | |
Bild: Achim Truger, Martin Werding, Monika Schnitzer, Ulrike Malmendier und Ver… | |
Batterien oder Wasserstoff? Darüber streitet der Sachverständigenrat in | |
seinem Frühjahrsgutachten. Die Mehrheit will eine Fokussierung auf | |
Batterien als zukünftige Antriebstechnik für Lkw. Die [1][Wirtschaftsweise | |
Veronika Grimm will auch auf Wasserstoff setzen] – und löst wegen ihres | |
Postens bei Siemens Energy Zweifel an ihrer Integrität aus. | |
Dabei wird bei dem Streit verdeckt, dass es anderswo nichts mehr zu | |
diskutieren gibt: dass es fünf vor zwölf ist, dass jetzt geklotzt werden | |
muss, will man die Klimaziele erreichen und nicht für Jahrzehnte ins | |
Hintertreffen geraten. | |
Dabei ist bereits der Ist-Zustand alles andere als rosig. [2][In ihrem | |
Frühjahrsgutachten haben die sogenannten Wirtschaftsweisen] ihre Prognose | |
gesenkt. Demnach wird das Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr nur um 0,2 | |
Prozent wachsen. Statt 0,7 Prozent, wie noch im Herbst angenommen. Und | |
dabei sind es eben nicht nur ein paar Prozentpunkte hinter dem Komma, die | |
kurzfristig Sorgen machen. Nicht erst in dem neuen Gutachten steht – und | |
nicht nur der Sachverständigenrat warnt –, dass Deutschland auch | |
mittelfristig ein Problem mit dem Wachstumspotential hat. | |
Denn in Deutschland wird zu wenig investiert. Um ein Gefühl zu bekommen, | |
wie viel fehlt: Allein der Staat müsste in den kommenden zehn Jahren | |
zusätzliche 600 Milliarden Euro in die Hand nehmen, um die öffentliche | |
Infrastruktur zu erneuern und fit für die klimaneutrale Zukunft zu machen, | |
berechneten gewerkschafts- und arbeitgebernahe Ökonom*innen jetzt. 200 | |
Milliarden taxierten sie dabei für die Dekarbonisierung. | |
## Offensichtlicher Interessenkonflikt | |
Und dabei geht es nicht allein darum, eine Infrastruktur zu schaffen, mit | |
der die Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben. Beim Umbau geht es auch um | |
gute Lebensbedingungen für alle, einen verlässlichen Personennah- und | |
Fernverkehr, Klimaanpassungsmaßnahmen und den Ausbau von Ganztagsschulen. | |
Dafür müsste der Staat aber Geld in die Hand nehmen und die Schuldenbremse | |
endlich reformieren. Das scheint derzeit eher utopisch. Notwendig ist es | |
trotzdem. Und wenn Christian Lindner nicht mehr an der Schuldenbremse und | |
dem damit selbst auferlegten Sparzwang festhalten würde, müsste sich der | |
Sachverständigenrat vielleicht nicht mehr über Lkw-Antriebstechniken | |
streiten. Dann gäbe es vielleicht genügend Mittel, um Batterien und | |
Wasserstoff gleichermaßen zu fördern. Ein Geschmäckle hätte das Sondervotum | |
von Veronika Grimm dann trotzdem noch. Denn ein Interessenkonflikt ist | |
aufgrund ihrer Tätigkeiten außerhalb des Sachverständigenrats | |
offensichtlich. | |
16 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Streit-unter-den-Wirtschaftsweisen/!6007657 | |
[2] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/wirtschaftsweise-prognose-104.html | |
## AUTOREN | |
Simon Poelchau | |
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