# taz.de -- Gemeinsam gegen die schwarze Null: Ungewohnte Allianz für Investit… | |
> Gewerkschafts- und arbeitgebernahe Institute sprechen sich gemeinsam | |
> gegen die Schuldenbremse aus. Sie fordern stattdessen neue Investitionen. | |
Bild: Geiz ist überhaupt nicht geil: Der Staat könnte zum Beispiel in neue Fa… | |
BERLIN taz | Das Papier, das das gewerkschaftsnahe Institut für | |
Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) und das arbeitgebernahe | |
Institut der deutschen Wirtschaft (IW) am Montag gemeinsam in Berlin | |
vorstellten, ist eine kleine Sensation. Zumindest, wenn man die | |
wirtschaftspolitischen Debatten der letzten Jahre in Deutschland in | |
Betracht zieht. IMK und IW fordern darin öffentliche Investitionen über 450 | |
Milliarden Euro im kommenden Jahrzehnt. | |
Finanziert werden soll dies über einen Investitionsfonds, der etwa über | |
eine Anstalt öffentlichen Rechts, eine GmbH oder eine Stiftung verwaltet | |
wird. Damit könnten die bestehenden Regeln zur Schuldenbremse umgangen | |
werden, ohne sie zu verletzen. Beide Institute fordern darüber hinaus eine | |
grundsätzliche Überarbeitung der Schuldenbremse. Der Titel des Papiers: | |
„Für eine solide Finanzpolitik: Investitionen ermöglichen!“ | |
Während das IMK ebenso wie andere linke Ökonomen schon lange gegen die | |
Schuldenbremse eintritt, [1][war IW-Direktor Michael Hüther erst zu Beginn | |
dieses Jahres aus der Phalanx der wirtschaftsliberalen | |
Schuldenbremsen-Befürworter ausgebrochen.] Er begründete die Abkehr von der | |
2009 beschlossenen gesetzlichen Regelung mit dem [2][großen | |
Investitionsbedarf in Deutschland] und dem günstigen Zinsumfeld. | |
Hüther blieb nicht allein: Bei der Vorstellung des Jahresgutachtens des | |
Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen | |
Entwicklung Anfang November sprach sich neben dem gewerkschaftsnahen | |
Vertreter Achim Truger auch Isabel Schnabel (Universität Bonn) für eine | |
Reform der Schuldenbremse aus. | |
## Eine deutsche Tradition | |
Nun fordern IMK und IW erstmals gemeinsam die Überarbeitung der | |
Schuldenbremse. So „könnte eine Neukreditaufnahme in Höhe der | |
Nettoinvestitionen gestattet werden“, heißt es in ihrem Papier. „Die | |
Verteufelung der Kreditfinanzierung für öffentliche Investitionen hat eine | |
gewisse Tradition in Deutschland, wird aber dadurch nicht ökonomisch | |
sinnvoller“, sagte Hüther in Berlin. | |
Da IW und IMK aber derzeit [3][keine Mehrheit für eine gesetzliche Änderung | |
der Schuldenbremse] sehen, schlagen sie die Finanzierung der Investitionen | |
von 450 Milliarden Euro über einen Sonderfonds vor. Dazu gehören | |
Investitionen im Bahnfernverkehr (60 Milliarden Euro), ÖPNV (20 | |
Milliarden), Fernstraßen (20 Milliarden), Wohnungsbau (15 Milliarden), | |
Telekommunikation (20 Milliarden), Bildung (84,5 Milliarden), | |
Dekarbonisierung der Wirtschaft (75 Milliarden), Forschung (25 Milliarden) | |
und kommunale Infrastruktur (138,4 Milliarden). „Ein Sonderfonds ist | |
transparent, das wird den Druck auf die Umsetzung erhöhen“, sagte Hüther. | |
Flankiert wurden der IW-Chef und IMK-Direktor Sebastian Dullien auf ihrer | |
Berliner Pressekonferenz, auf der sie ihr Papier am Montag vorstellten, von | |
DGB-Chef Reiner Hoffmann und BDI-Präsident Dieter Kempf. Beide | |
unterstützten grundsätzlich die Forderung nach mehr öffentlichen | |
Investitionen, wollten sich aber die konkrete Summe nicht zu eigen machen. | |
„Deutschland ist zum Schnarchland geworden“, sagte Industrievertreter | |
Kempf. Es sei an der Zeit, das Land aufzuwecken. „Wir können es uns nicht | |
länger leisten, den Wohlstand künftiger Generationen durch eine veraltete | |
Infrastruktur zu gefährden“, ergänzte anschließend Gewerkschaftschef | |
Hoffmann. | |
18 Nov 2019 | |
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## AUTOREN | |
Martin Reeh | |
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