# taz.de -- Förderprogramm für Flüchtlinge: Willkommen in der Arbeitswelt | |
> Statt Flüchtlinge vom Arbeitsmarkt fernzuhalten, hilft ein neues | |
> Pilotprogramm bei der Suche nach einem Job. Ein wenig bekanntes | |
> Erfolgsmodell. | |
Bild: Sinnvolle Förderung: Asylsuchende in einem Kurs für berufliche Integrat… | |
BERLIN taz | Bisweilen werden Innovationen von Behörden mit großer Geste | |
beworben – doch der Nutzen hält sich in Grenzen. Beim „Early | |
Intervention“-Projekt ist es genau andersherum: Das Pilotprogramm des | |
Bundesamts für Flucht und Migration (BAMF) und der Arbeitsagentur könnte | |
eine ganze Reihe der Probleme, die durch die Aufnahme vieler neuer | |
Flüchtlinge in Deutschland entstehen, entscheidend verbessern – und ist der | |
Öffentlichkeit trotzdem weitgehend unbekannt. | |
Gerade mal eine einzige Pressemitteilung war Early Intervention den beiden | |
Ämtern bislang wert – dabei startete es schon im Sommer vergangenen Jahres | |
und läuft seitdem an mittlerweile neun Standorten: Augsburg, | |
Bremen-Bremerhaven, Dresden, Freiburg, Hamburg, Köln, Berlin-Süd, Hannover | |
und Ludwigshafen. Asylbewerber werden schon bald nach ihrer Ankunft gezielt | |
angesprochen und von der Arbeitsagentur gefördert – und nicht erst nach | |
ihrer Anerkennung. Das kann den Zeitraum von der Ankunft eines Flüchtlings | |
bis zur Aufnahme einer Beschäftigung um Jahre verkürzen. | |
Einer der Teilnehmer ist Saad Saliba, Softwareingenieur aus Syrien. Im | |
April 2014 hatte der 30-Jährige in Bremerhaven einen Asylantrag gestellt. | |
Bei der Registrierung beim BAMF gab er an, an der Universität von Qamishli | |
in Nordsyrien Informatik studiert und dann drei Jahre bei einer staatlichen | |
Bank in Syrien als Systemadministrator gearbeitet zu haben. | |
Syrer dürfen mit hoher Wahrscheinlichkeit in Deutschland bleiben; mit | |
Salibas Einverständnis leitete der BAMF-Sachbearbeiter seine Daten an | |
Angela Touré von der Arbeitsagentur in Bremen weiter. Nachdem Toure eine | |
Reihe potenzieller Teilnehmende beisammen hatte, lud sie im Mai erstmalig | |
Asylbewerber zu einer Informationsveranstaltung ein. „Es war schwierig, den | |
Kontakt aufzunehmen“, sagt Touré. Die Flüchtlinge wohnten verstreut in | |
Aufnahmeeinrichtungen, keiner von ihnen war zu diesem Zeitpunkt anerkannt, | |
niemand hatte eine Arbeitserlaubnis oder besuchte einen Deutschkurs. | |
## Arbeitsvermittlung noch vor der Anerkennung | |
Saliba war damals erst ein halbes Jahr in Deutschland. Ein Dolmetscher | |
übersetzte ihm das Angebot, das die Frau von der Arbeitsagentur ihm machte: | |
berufsbezogene Deutschförderung, Hilfe bei der Anerkennung seiner | |
Qualifikation, Bewerbungstrainings und Hilfe bei der Suche nach einem | |
Praktikumsplatz – alles noch vor einer möglichen Anerkennung als Flüchtling | |
durch das BAMF. | |
„Natürlich hatte ich Interesse“, sagt Saliba. Daraufhin lud ihn Touré zum | |
Einzelgespräch ein. „Das Kriterium ist nicht nur die Qualifikation, sondern | |
auch der subjektive Eindruck“, erklärt sie. „Wie motiviert sind die | |
Bewerber, können sie Englisch oder andere Sprachen, beherrschen sie die | |
lateinische Schrift, wie lange haben sie eine Schule besucht?“ Nicht nur | |
Akademiker kämen für Early Intervention infrage, auch bei über 25-Jährigen | |
könnte eine Ausbildung, etwa als Handwerker geleistet werden – entscheidend | |
seien auch „Ausbildungsfähigkeit und Motivation“. | |
Saliba begann einen vom BAMF finanzierten Deutschkurs, fünf Tage pro Woche. | |
Im Dezember legte er seine B1-Prüfung ab. Im April 2015 absolvierte er ein | |
Praktikum, mithilfe der Arbeitnehmerkammer reichte er sein Diplom zur | |
Anerkennung bei der Ingenieurskammer ein. Eine Nachqualifizierung sei „wohl | |
nicht nötig“, sagt Arbeitsagentur-Mitarbeiterin Touré, weil Saliba | |
ausreichend Berufserfahrung in Syrien nachweisen könne. | |
„Wir beginnen sehr früh mit der Vermittlung“, erklärt Angela Touré weite… | |
Noch Juni könnte Saliba das Sprachlevel B2 erreicht haben. „Dann fange ich | |
an, mich zu bewerben“, sagt er. Den Sprachkurs will er in jedem Fall | |
besuchen, bis er die C1-Prüfung bestanden hat. „Ohne Early Intervention | |
wird sich nicht so um die Leute gekümmert, erklärt Touré. Alle anderen | |
Fördermaßnahmen würden viel später einsetzen. „Dann wäre Saliba frühest… | |
2016 so weit gewesen, wie jetzt. Konkret hieße das: Ein Jahr mehr | |
beruflicher Leerlauf, ein Jahr mehr Bezug von Sozialleistungen. | |
## „Eine sinnvolle Sache“ | |
„Early Intervention ist mit Sicherheit eine sinnvolle Sache,“ meint | |
Reinhold Demel, der Leiter der Arbeitsagentur in Augsburg – auch dies einer | |
der Standorte des Pilotprojekts. „Wir bringen die Leute früh auf den Weg, | |
damit ihre Zeit nicht sinnlos verstreicht. Wir vermitteln die aktiv im | |
Gespräch mit den Arbeitgebern.“ Am Anfang stehe dabei oft ein Praktikum. | |
Danach sei meist „schnell klar, wie weit der ist und welche | |
Einstiegsqualifizierung noch nötig ist“. | |
Die Teilnehmer seien „hochmotiviert, die wollen alle arbeiten“, sagt Demel. | |
Rund 120 Flüchtlinge haben das Projekt in Augsburg bislang durchlaufe „Das | |
A und O ist die Sprache“, so der Mitarbeiter der Arbeitsagentur Augsburg | |
weiter. Zwei Kurse hat seine Behörde von einem Bildungsträger für die | |
Early-Intervention-Gruppe einrichten lassen, bis zum Level B2. | |
Die meisten der Teilnehmer sind SyrerInnen. „Keiner von denen kam ohne | |
Schulabschluss“, sagt Demel, „viele brachten einen Facharbeiterbrief, eine | |
Ausbildung oder einen akademischen Abschluss mit.“ Doch auch Flüchtlinge | |
ohne Ausbildung bekämen eine Chance: „Einem haben wir eine Ausbildung zum | |
Kfz-Mechatroniker finanziert.“ | |
18 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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