# taz.de -- Kürzung bei Flüchtlingshilfe: „Willkommen in Arbeit“ schließt | |
> Ein Spandauer Flüchtlingsprojekt droht bis zum Jahresende das Aus, weil | |
> der Sozialverwaltung das Geld fehlt. | |
Bild: Zum Jahresende soll mit den Beratungen Schluss sein | |
BERLIN taz | Vor vier Jahren war der Syrer schon einmal in dem | |
[1][„Willkommen in Arbeit“-Büro] in Spandau. Er wurde in einen Deutschkurs | |
vermittelt, bekam Hilfe beim Schreiben des Lebenslaufs und fand mit | |
Unterstützung des Büros einen Arbeitsplatz. Jetzt ist er wieder hier. Den | |
vermittelten Job kann er aus gesundheitlichen Gründen nicht länger ausüben. | |
Er möchte U-Bahn-Fahrer werden und braucht Hilfe, um einen Ausbildungsplatz | |
zu finden. | |
Für Laura Geiling, Migrationsberaterin von der GIZ GmbH, ist das ein | |
vergleichsweise einfacher Fall: „Geflüchtete haben oft andere Probleme bei | |
der Jobsuche als andere Leute, und hier finden sie alles aus einer Hand“, | |
sagt sie. Da geht es etwa um Schulabschlüsse, die nachgeholt werden müssen, | |
um die Anerkennung vom im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen, um | |
Sprachhürden und aufenthaltsrechtliche Fragen. | |
Letzteres war so bei dem 19-jährigen Libyer, der in ihrem Büro nur Hilfe | |
beim Schreiben des Lebenslaufes suchte. „Er war abgelehnter Asylbewerber, | |
hatte nur eine Duldung, sprach aber fast akzentfrei Deutsch und ging zur | |
Schule“, sagt Geiling. „Im Gespräch zeigte sich, dass er ein Fall für das | |
Chancen-Aufenthaltsrecht war.“ | |
Das bekam er und mit dem darf er bald sogar eine Ausbildung beginnen, | |
worauf er nie Hoffnung hatte. „Und seine Eltern haben nach sieben Jahren | |
Nichtstun in Deutschland erstmals die Möglichkeit, Deutsch zu lernen und | |
können später auch arbeiten“, erzählt die Beraterin. | |
## Kein Geld im Landeshaushalt | |
Ein anderer Fall: Ein 30-jähriger Eritreer, der 2015 nach Deutschland kam | |
und bisher im Reinigungsgewerbe arbeitete, möchte ebenfalls U-Bahn-Fahrer | |
oder auch S-Bahn-Fahrer werden. Doch er hat nie einen Schulabschluss | |
erworben. Den müsste er erst einmal nachholen, auch sein deutsches | |
Sprachniveau verbessern. Ein komplexer Beratungsfall, für den man | |
normalerweise viele verschiedene Stellen aufsuchen müsste. Hier gibt es | |
alles aus einer Hand. | |
Im „Willkommen in Arbeit“-Büro arbeiten vier Angestellte. Dazu kommen 16 | |
BeraterInnen und SprachmittlerInnen, die auf verschiedene Themen | |
spezialisiert sind, regelmäßig in das Ladenlokal in der Spandauer Altstadt. | |
Dieses und ein weiteres Büro in Lichtenberg wurden 2016 eröffnet, um | |
Geflüchteten schneller eine Arbeit zu vermitteln. | |
Doch zum Jahresende sollen sie geschlossen werden. [2][Im Entwurf für den | |
Landeshaushalt sind keine Gelder mehr dafür vorgesehen.] Stefan Strauß, | |
Sprecher von Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD), begründet das mit | |
knappen Finanzen. „Die zur Verfügung stehenden Mittel reichen nicht aus, um | |
alle bisher geförderten Maßnahmen fortzusetzen.“ Allerdings würden, so | |
Kiziltepe, die Beratungen nicht ersatzlos gestrichen. Sie würden | |
beispielsweise „in den Stadtbezirken, Unterkünften für Geflüchtete“, in | |
Volkshochschulen und anderen bereits bestehenden Einrichtungen fortgesetzt. | |
Die Spandauer BeraterInnen schütteln den Kopf. „Ich kann meinen | |
Ratsuchenden keine Stelle nennen, wo sie ab Januar hingehen können“, sagt | |
eine Beraterin der taz. Die grüne Abgeordnete Tonka Wojahn teilt die | |
Problemsicht: „Wenn der Senat die Ausbildungsberatung, Berufsorientierung | |
und Arbeitsvermittlung den Volkshochschulen und [3][Flüchtlingsheimen] | |
übertragen will, muss er ihnen dazu auch die personellen Ressourcen zur | |
Verfügung stellen, damit sie mit diesem ganzheitlichen Konzept für die | |
Zielgruppe arbeiten können.“ | |
## Sinkende Kundenzahlen | |
Die Grünen haben einen Änderungsantrag zum Haushaltsentwurf gestellt, der | |
Kürzungen für Berufsvorbereitung, Jobcoaching und Beratungen zurücknehmen | |
sollte. Doch der wurde, so Wojahn, abgelehnt. Sie sagt: „Dabei haben wir | |
gerade hier eine dynamische Situation. Es kommen weitere Geflüchtete, sie | |
brauchen ganzheitliche Konzepte mit dauerhaften AnsprechpartnerInnen und | |
Vertrauenspersonen.“ | |
Eine unterschiedliche Wahrnehmung gibt es auch beim Bedarf: So habe der | |
Senat ihr mitgeteilt, dass die „Willkommen in Arbeit“-Büros stark sinkende | |
Kundenzahlen hätten. „In diesem Jahr sollen es laut Senat nur 387 | |
Beratungsgespräche gewesen sein“, sagt Wojahn. Das Spandauer Büro selbst | |
hat allerdings in den ersten drei Quartalen dieses Jahres 1.200 spontane | |
Kurzberatungen plus 2.000 Beratungen nach Terminvereinbarung statistisch | |
erfasst. Tendenz steigend, sagt Geschäftsführerin Britta Marschke. Hinzu | |
kämen Informationsveranstaltungen zu konkreten Berufsfeldern wie | |
beispielsweise die Altenpflege. | |
„Der Bedarf an unseren niedrigschwelligen ganzheitlichen Beratungen ist | |
da. Wir erreichen die Zielgruppe, haben bei vielen Menschen seit sieben | |
Jahren Vertrauen aufgebaut und tragen dazu bei, dass Geflüchtete schneller | |
und passgenauer Arbeit finden“, sagt Marschke. | |
16 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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