# taz.de -- Fanproteste verhindern DFL-Investor: Die gelbe Revolution | |
> Mit Protesten haben Fans den Einstieg von Investoren bei der DFL | |
> verhindert. Es ist einer der größten Erfolge von sozialen Bewegungen in | |
> Deutschland. | |
Bild: Können jetzt wieder zum Tennisspielen benutzt werden: Tennisbälle | |
Lieber auf den Deal mit der einen Milliarde Euro verzichten, als sich | |
[1][die Fußballfans in den Stadien zum dauerhaften Gegner zu machen.] Wow! | |
Das war eine radikale Kehrtwende, welche die Deutsche Fußball Liga am | |
Mittwochnachmittag mit den gestoppten Plänen zum Investoreneinstieg | |
verkündete. Ein Private-Equity-Unternehmen sollte eben für die Zahlung von | |
einer Milliarde Euro 20 Jahre lang mit bis zu 8 Prozent der Einnahmen an | |
den TV-Erlösen beteiligt werden. Es gibt also nun eine konkrete Zahl, die | |
dafür steht, welche Dimension Fan-Proteste in den Stadien erreichen können. | |
Es ist eine der größten Erfolgsgeschichten von sozialen Bewegungen in | |
Deutschland. Und wie so oft lag der Charme des Protests in der Einfachheit | |
seiner Mittel. [2][Vornehmlich Tennisbälle], Flummis und Schokotaler | |
brachten in den vergangenen Wochen die Fußballspiele immer wieder | |
minutenlang zum Erliegen. Auf diese Weise erwirkte die organisierte | |
Fanszene vor Jahren bereits die Abschaffung der ungeliebten | |
Montagabendspiele. Doch die nun beförderte Abwicklung des Investorendeals | |
ist in ihrer Symbolkraft viel weitreichender. Ein erster größer | |
dimensionierter [3][Investorendeal] war zuvor bereits innerhalb der DFL | |
gescheitert, weil unter den Vereinen keine Zweidrittelmehrheit dafür | |
zustande kam. | |
Schaut man nur auf die Finanzberichte des deutschen Profiklubs, verwundert | |
der aktuelle Protesterfolg der Fans noch mehr. Denn das Geld, das die | |
Vereine über die Stadiongänger einnehmen, macht angesichts der rasant | |
gestiegenen TV-Gelder einen immer geringeren Anteil aus. Entsprechend | |
glaubten viele Klubverantwortliche Fanbelange ignorieren zu können. Doch in | |
den Kurven hat sich im Kampf gegen die Bedrohung ihrer eigenen Lebenswelt | |
und gegen den eigenen Bedeutungsverlust eine Kraft entwickelt, die zu einer | |
kommerziellen Größe geworden ist. Nirgends in Europa sind die Stadien so | |
voll, trotz fehlender Stardichte, nirgends sind Choreografien und Stimmung | |
so prächtig: Ein Alleinstellungsmerkmal, das DFL-Funktionäre bei | |
TV-Verhandlungen in bare Münze umsetzen können. | |
Das Besondere und Heikle dieser gewinnbringenden Verbindung ist, dass die | |
aktive Fanszene massive Vorbehalte gegen die immer dynamischere | |
Kommerzialisierung des Fußballs hat. Die Interessenlage ist konträr. Oder | |
wie [4][DFL-Präsidiumssprecher Hans-Joachim Watzke] am Mittwoch erklärte: | |
„Der deutsche Profifußball steht inmitten einer Zerreißprobe.“ | |
## Räume des Sichausprobierens | |
Auf der einen Seite befinden sich insbesondere die erfolgreichen | |
Erstligisten, die den Anschluss an die hyperkommerzialisierte Premier | |
League in England nicht verlieren wollen und bereit sind, für | |
Investorengeld ein Stück weit Kontrolle und Gestaltungsmacht über ihr | |
eigenes Produkt aufzugeben. | |
Auf der anderen Seite fürchten viele Fußballanhänger den Verlust von etwas, | |
das es in der deutschen Gesellschaft so kaum noch gibt. Räume des | |
Sichausprobierens, der sozialen und demokratischen Teilhabe, die Menschen | |
unterschiedlichster Herkunft, sozialer Schichten und Gesinnung anzieht und | |
zusammenführt. | |
Aber erst die Arroganz der DFL, die meinte, in ihren Gremien mit allen | |
Mitteln Stimmmehrheiten organisieren zu können, ohne auf Mehrheiten unter | |
Vereinsmitgliedern und Anhängern Rücksicht zu nehmen, verhalf dem Protest | |
auf die Beine. Dieser wurde eben nicht nur von den Lautsprechern der Ultras | |
in den Stadien getragen, sondern wie Umfragen bestätigten auch von einer | |
breiten Mehrheit des Fanvolkes. | |
Indem die DFL die Klubvertreter geheim abstimmen ließ, war es Klubinvestor | |
Martin Kind von Hannover 96 möglich, gegen die Weisung seine Vereins für | |
den DFL-Investorendeal zu stimmen und gegen die 50+1-Regel zu verstoßen, | |
nach der die Stimmmehrheit und Entscheidungsgewalt beim Verein liegt. Kind | |
weigerte sich trotz vieler Nachfragen, sein Wahlverhalten offenzulegen. Die | |
DFL räumte reumütig am Mittwoch in ihrer Stellungnahme ein, dass der | |
Verdacht des Verstoßes gegen die 50+1-Regel der Akzeptanz der Abstimmung | |
sehr geschadet habe. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit war gerade | |
einmal so erreicht worden. | |
Die Kehrtwende bei der DFL können die Fans zu Recht als großen Triumph | |
ihres fast ausschließlich friedlichen Protests feiern. Damit ist aber nur | |
etwas verhindert und noch nichts gewonnen. Die Zerrissenheit des deutschen | |
Profifußballs zu überwinden bleibt die große Herausforderung. Soziale | |
Bewegungen sind gut darin, Proteste gegen etwas zu organisieren, | |
schwieriger wird es, wenn Mehrheiten für etwas gefunden werden müssen. Der | |
DFL wird von Fanseite zu Recht vorgeworfen, sie beteilige sich kopflos am | |
Rattenrennen der großen Ligen und es fehle ihr an einer Vision. Noch | |
wichtiger als die von Ultras gern aufgeworfene Frage, wem eigentlich der | |
Fußball gehöre, ist die Frage: Was für einen Fußball wollen die Verbände, | |
Vereine, Fußballer, Fans und Zuschauer überhaupt? Kann eine gemeinsame | |
Vision entwickelt werden? | |
Für Traumtänzerei beseht derzeit kein Anlass. Vereine wie Bayern München | |
und Borussia Dortmund haben schon mehrfach angedeutet, sie könnten ihr | |
eigenes Ding machen und aus der zentralen TV-Vermarktung und | |
Solidargemeinschaft aussteigen, sollten sich die kleinen Klubs ihnen | |
gegenüber nicht solidarisch verhalten. Wie schwierig solche Alleingänge | |
werden könnten, davon durften sich allerdings auch diese Vereine in den | |
letzten Wochen ein Bild machen. | |
22 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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