# taz.de -- Fan-Protest in der Bundesliga: Tennisbälle für Kitas | |
> Noch immer fliegen Tennisbälle aus Protest gegen DFL-Investoren oder | |
> „Investorenklubs“. Die taz hat nachgefragt, was die Vereine damit | |
> anstellen. | |
Bild: „Mehrere Büromülleimer voll“: Ballprotest in deutschen Fußballstad… | |
Der Ergebnissport Fußball ist längst auch Statistiksport: Alles wird | |
gezählt, ob Zweikampfquote, Laufkilometer, Zweitballeroberungen bei | |
Regenwetter. Es ist also an der Zeit, auch mal die Tennisbälle zu | |
bilanzieren, die seit Jahresbeginn aus [1][Protest gegen einen | |
Investoreneinstieg in der Deutschen Fußball-Liga] die Plätze fluten. | |
Am Sonntag warfen die Ultras von Eintracht Frankfurt (erstmals) Bälle – aus | |
Protest gegen „Investorenklubs“ wie den VfL Wolfsburg, der drunten gegen | |
die SGE kickte (2:2). Die taz hat die 18 Erstligaklubs um Auskunft gebeten | |
über eingesammelte und bei Einlasskontrollen konfiszierte Bälle. Und was | |
man damit gemacht hat. | |
Die erste Antwort aus München war spontan empörend. Automatisiert wird man | |
mit „Servus FCB-Fan“ angesprochen. FCB-Fan? Was erlauben Strunz-Klub! Aber | |
gut, es gibt schlimmere Beleidigungen. | |
Frankfurt entschuldigt sich für seine „sehr unspektakulären Antworten“. | |
Geworfene Anti-DFL-Bälle: 0. Einkassierte: 0. Nichts ausgerechnet in der | |
bekannt heftigen Eintracht-Szene? Grund: Frankfurter Ultras sind | |
traditionell selten [2][bei konzertierten Aktionen] beteiligt, lieber | |
autonom vorneweg wie etwa bei den Protesten gegen Montagsspiele vor sechs | |
Jahren – erfolgreich und auch mit Tennisbällen. | |
## Geschenk an Kitas | |
Aus Leipzig hieß es zunächst automatisiert launig: „Vielen Dank, dass du | |
uns dein Anliegen ins RBL Service Center geflankt hast. Unsere | |
Mitarbeitenden werden sich so schnell wie möglich durch alle Mails | |
dribbeln, um dir eine Antwort per Steilpass zurückzuspielen.“ Der Steilpass | |
lautete dann so: „Bei unseren Heimspielen sind keine Tennisbälle auf dem | |
Rasen gelandet. Gegen Union Berlin warfen Gästefans Flummis, ca. 150 Stück | |
konnten vor dem Spiel bei Personenkontrollen abgenommen werden.“ | |
Verwendung? Keine Antwort. | |
Löblich der VfL Wolfsburg: „Die gesammelten Tennisbälle und Flummis werden | |
durch unsere CSR-Abteilung an Kitas der Region verschenkt.“ Es seien | |
„mehrere Büromülleimer voll“ gewesen, auch wenn das, sorry, „eine nicht | |
gängige Maßeinheit“ sei. | |
CSR meint Corporate Social Responsibility, also soziale | |
Unternehmensverantwortung. Eine solche hat auch der VfL Bochum: „Einen | |
Teil der Bälle haben wir der vereinseigenen CSR-Abteilung zukommen lassen, | |
für deren Projekt Blau-Weißer Bewegungsraum, in dem Kinder aktiviert werden | |
sollen.“ Andere Bälle seien an eine Bochumer Schule gegangen. | |
## Erst essen, dann treffen | |
Und Bochumer Spieler haben selbst zugegriffen: etwa Maximilian Wittek ein | |
paar Tennisbälle: „Ich spiele leidenschaftlich gerne Padel.“ Vor Wochen | |
hatte Takuma Asano bei einer Spielunterbrechung einen geworfenen | |
Schoko-Goldtaler verspeist und danach direkt getort. | |
Jetzt aber endlich genaue Zahlen! Lägen leider nicht vor, teilt der VfB | |
Stuttgart mit: „Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es noch keine Entscheidung | |
darüber, wie mit den eingesammelten Bällen verfahren wird.“ Auch aus Bremen | |
gibt es keine Zahlen, allerdings würden die „Tennisbälle oder Flummis im | |
Rahmen unseres Spielraum-Konzepts genutzt“ – in Werders konkret 57 | |
Partner-Grundschulen und Kitas. Konfiszierte Bälle? „Keine.“ | |
Auch Mainz 05 hat die Tennisbälle „natürlich nicht gezählt“, es sei „e… | |
kleinerer Sack voll geworden“. Sie gingen an einen Tennisclub. Daneben | |
seien auch Jetons geflogen. Keine Angaben, ob die an ein Spielcasino | |
gingen. | |
Heidenheim meldet: „Keine Tennisbälle.“ Aber: „Die Flummis, die wir nicht | |
gezählt haben, werden bei unseren regelmäßig stattfindenden Schulbesuchen | |
an Erstklässler verteilt. Die Schokotaler wurden entsorgt.“ Auch in | |
Leverkusen „spielten Tennisbälle keine übergeordnete Rolle“. Gegen den FC | |
Bayern seien hauptsächlich „kleinteilige, teilweise geöffnete Kamelle“ | |
geflogen. Der Karnevalssüßkram wurde „aus hygienischen Gründen direkt | |
entsorgt“. | |
Anruf aus Hoffenheim: Man habe bei den letzten beiden Spielen lauter | |
„aufgeschnittene Tennisbälle“ eingesammelt, „ein kleiner dreistelliger | |
Bereich“. Die kämen in den Müll. Auch Äpfel seien geflogen. „Was macht m… | |
mit Obst, das durch ein Stadion fliegt?“ Oje, Lebensmittelrecht? Genau, | |
Kompost. Entspannter ist der lebensmittelrechtliche Umgang in | |
Mönchengladbach: „Schokoladen-Goldtaler wurden noch am Spieltag an Kinder | |
bzw. jugendliche Stadionbesucher verteilt.“ Tennisbälle gingen an Kitas. | |
„Eine konkrete Angabe oder seriöse Schätzung ist nicht möglich.“ | |
Ja, Leute: Wochenlang überall Tennisbälle. Aber kaum wer hat gezählt, nicht | |
mal Erfolgsmeldungen über Einlasskontrollen gibt es: „… Dank unserer | |
aufmerksamen Security haben wir den Besuchern in drei Heimspielen 689 Bälle | |
abgenommen.“ Wolltet Ihr etwa nicht? Müssen wir mutmaßen, dass manche Klubs | |
heimlich gemeinsame Sache mit ihren Ultras gemacht haben? | |
Augsburg wird schließlich doch noch konkret. Eingesammelt: drei Tennisbälle | |
in vier Heimspielen. „Die drei Bälle werden intern verwertet, da bei dieser | |
Größenordnung keine Weitergabe an Tennisclubs o. ä. als sinnvoll erachtet | |
wurde.“ | |
Wegen der vielen vagen Auskünfte bleiben wir die klare Antwort schuldig, ob | |
nun genau 3.177 Tennisbälle oder noch weniger den Milliardendeal der DFL | |
gestoppt haben. Zumal es keine Antwort gab von BVB und Union, aus | |
Darmstadt, Freiburg und Köln. Auch München hat seinen neuen FCB-Fan nicht | |
mehr kontaktiert. Aber beim FC Ruhmreich ist Thomas Tuchel derzeit wohl das | |
einzig wichtige Flugobjekt für baldige Entsorgung. | |
26 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.dfl.de/de/aktuelles/praesidium-der-dfl-fuehrt-partnerprozess-ni… | |
[2] https://www.faszination-fankurve.de/news/70892/fanszenen-deutschlands-kuend… | |
## AUTOREN | |
Bernd Müllender | |
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