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# taz.de -- Fanproteste in Hoffenheim: Wer hat Angst vor Demokratie?
> Im braven Hoffenheim wollen Fans den Mäzen Dietmar Hopp loswerden. Der
> protestreiche Start der Männersaison zeigt, wie Mitsprache sich Wege
> bahnt.
Bild: Der da oben, die da unten? Der greise Mäzen Hopp wird in Hoffenheim zune…
Die Verantwortlichen der im Chaos versinkenden TSG Hoffenheim sind vor dem
ersten Spieltag der Männer-Bundesliga hoch nervös. Gar einen Spielabbruch
aufgrund von Schmähplakaten der eigenen Fans gegen Dietmar Hopp malte man
an die Wand. Das Fanlager im Stadion hat der Klub räumen lassen, um
kritische Plakate zu verhindern – eine Maßnahme, die man sonst aus dem
Arsenal von Autokraten kennt und die an anderen Standorten schwerlich
durchsetzbar wäre. Wer wegen 40 protestierender Ultras alle öffentlichen
Register zieht, muss das Volk wirklich fürchten.
Protest von innen ist im Dorfklub ungewohnt und unerwünscht, schließlich
hat Hoffenheim seit jeher Dankbarkeit gegenüber Mäzen Hopp zur Maxime
erhoben. Doch es regt sich Demokratie im Hoppschen Fürstentum.
Schon vergangene Saison [1][protestierten Fans gegen den mutmaßlich
unlauteren Einfluss von Hopp-Kumpan Roger Wittmann und seiner
Beratungsagentur Rogon]. Daraus ist Grundsätzlicheres erwachsen: Der greise
Monarch soll stürzen. Die Young Boyz etwa fordern einen „transparenten
Verein“ statt „Marionettenspiel von alten weißen Männern“. Freilich war…
Intransparenz den meisten Fans gut genug, solange die Ergebnisse und der
Fußball stimmten.
Trotzdem ist das bemerkenswert. Das einst gefürchtete Hoffenheimer Modell,
die lokale Feudalherrschaft, ist längst vom [2][Aufstieg der
Multi-Klub-Ownerships] überrollt. Der zunehmend erratisch agierende Hopp,
der trotz offizieller Rückkehr zu 50+1 wohl die Fäden in der Hand hält, ist
ein Fossil auf einem Markt, wo Klubs als Assets in anonyme Portfolios
wandern.
Und wie bei so vielen alten Männern mit zu viel Macht geht es nur noch um
Machterhalt: Interimspräsidentin Simone Engelhardt stammt aus Hopps
SAP-Kosmos, der neue Kandidat Jörg Albrecht, Sinsheims
Ex-Oberbürgermeister, gilt als Hopp-Marionette.
Der personelle Kahlschlag in der Sommerpause, darunter gegen den bei Fans
populären Geschäftsführer Alexander Rosen, könnte eine Implosion zu viel
gewesen sein. Denn zur Wahrheit solcher egozentrischer „Lebenswerke“ gehört
auch: Widerstand geht hier leichter als bei gut organisierten
Großkapitalisten wie der City Football Group oder [3][der Red Bull Gruppe].
## So viel Protest war selten
Die Verwerfungen in Hoffenheim fallen in eine interessante Zeit. Selten ist
eine Männersaison mit so viel Protest gestartet. In Dortmund [4][gegen
Sponsor Rheinmetall] und in Stuttgart stürzten in der Sommerpause Fans und
Porsche das Präsidium um Claus Vogt.
In Mainz protestieren Ultras gegen die Gleichgültigkeit des Klubs um
Neuverpflichtung Kaishu Sano, der der sexualisierten Gewalt verdächtigt
war, und gar in Leipzig liegt Red Bull mit Teilen der Fanszene im Clinch.
Die dortigen drakonischen Kollektivstrafen (vorläufig keine Auswärtschoreos
wegen Pyrotechnik) zeigen übrigens auch, welchen Unterschied es macht, wer
einen Klub regiert.
Lange sah es aus, als ob die Entwicklung im Fußball nur in eine Richtung
gehe: mehr Macht des globalen Kapitals. Tatsächlich wächst dessen Macht
systembedingt immer weiter, weil das Wirtschaftsmodell des Fußballs
vielfach nicht mehr trägt. Die offene Verachtung für lokale Faninteressen
droht das Spiel zu zerreißen.
Doch in den vergangenen Jahren [5][haben Fans mehrfach Erfolge errungen].
Auch, weil Fußballunternehmen im Gegensatz zur freien Wirtschaft nicht
einfach missliebige (Fan-)Stimmen loswerden und den Standort wechseln
können. Auseinandersetzung muss ausgetragen werden.
Tatsächlich ist Protest präsent wie lange nicht. Gestalterischen Einfluss
hat er weiterhin wenig und über punktuelle Aufreger kommt er kaum hinaus.
Aber der Fall Hoffenheim zeigt: Wo Menschen wöchentlich zusammenkommen,
entsteht irgendwann der Wunsch nach Mitsprache. Ohne Volkes Wille kann im
Fußball niemand durchregieren.
24 Aug 2024
## LINKS
[1] /Fussballklub-Hoffenheim-in-der-Krise/!5917230
[2] /Multi-Club-Ownerships-im-Fussball/!5964939
[3] /Umstrittenes-Sponsoring-von-Red-Bull-CEO/!5539841
[4] /BVB-Fans-gegen-Rheinmetall/!6028182
[5] /Fanproteste-verhindern-DFL-Investor/!5989441
## AUTOREN
Alina Schwermer
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